Leben mit NF2

Ertaubung
Technik im Alltag
Kommunikation
Das Leben meistern
Soziales Leben

Ertaubung

Wie ist das, wenn man als Jugendlicher oder Erwachsener das Gehör verliert und sich mehr oder weniger plötzlich mit einer völlig neuen Situation auseinander setzten muss? Was für Probleme ergeben sich? Wie lassen sie sich lösen? Welchen Einfluss hat diese Behinderung auf das eigene Selbstverständnis? Wie reagiert die Umwelt darauf?

Manchmal kommt man sich als Ertaubter vor wie in einer Unterwasserwelt: Man sieht seine Umwelt, aber es fehlen die Klänge, Töne, Geräusche der Umwelt. Wenn man anderen Menschen beim tonlosen Sprechen zusieht, dann sieht das manchmal so aus, als würde man Fischen begegnen.

Vieles ist durch die Ertaubung anders geworden, manchmal sehr verfremdet, manchmal aber auch interessant oder reizvoll. Es soll gezeigt werden, dass es nicht nur das gibt, was verloren geht oder gegangen ist, sondern auch das was bleibt, neu entdeckt, gesehen und erfahren werden will.

Anleitung zum Ertauben

Mir wurde mit 16Jahren gesagt, dass ich ertauben werde. Ertauben? Was ist das? Lange Zeit war ich mir dessen nicht bewusst. Ich wollte es erst gar nicht wissen. Die Mediziner sagen dazu „Vollständiger Verlust des Gehörs“ Aber wie das dann im Alltag sich auswirkt konnte mir keiner so recht sagen.

Simulieren kann man Taubheit auch nicht, selbst wenn man die Finger in die Ohren steckt, ist man nicht taub.

Mein Erwachen kam mit 18, während einer Reha für Hörgeschädigte. Dort lebte ich vier Wochen mit schwerhörigen gehörlosen und ertaubten Leuten zusammen. Das Erwachen war hart, besonders eine Situation geht mir nicht aus dem Kopf, Beim „Außentraining“ sollten wir Verkaufssituationen üben - das ist für Hörgeschädigte nicht einfach.

Ich war im Team mit einer ertaubten Frau. Im Kleidungsgeschäft steuerte die Verkäuferin zielsicher auf die ertaubte Frau zu und redete sie nieder. Die ertaubte Frau sagte: “Ich bin taub!!!!!!!!!“ Die Verkäuferin schaute entsetzt, drehte sich um und ließ uns stehen. Herzlich Willkommen in der Realität!

Ich bin dann mit 22Jahren ertaubt. Am Anfang wunderte ich mich „wie laut“ es ist. Das akustische Gehirn bzw die gelernten
Höreindrücke blieben bei mir. Alles was ich sehe, höre ich. Fällt vor mir ein Glas runter, höre ich es klirren. Würde hinter mir eine Glasplatte zerschellen, würde ich gar nichts hören. Ich weiß nicht, ob es bei jedem so ist aber das Wort “taub“ habe ich mit „Stille“ gleichgesetzt.

So wirklich still war es bei mir noch nie. Die Erfahrungen mit der Ignoranz der Mitmenschen wird man leider machen. Seit ich taub bin, weiß ich, was es bedeutet taub zu sein: ein Exotendasein führen...

Das berührende Video, in dem Larissa von ihrem Leben mit NF2 erzählt:

https://www.youtube.com/watch?v=zEtMy3qTCv4

NF2 Infoheft Kommunikation und Beratung

entstanden 2023 auf dem NF2-Seminar

zum Download

Technische Hilfsmittel bei Ertaubung

(Prof. Dr. med. Steffen Rosahl, HELIOS Klinkum Erfurt)

Schon vor mehr 200 Jahren hat der italienische Physiker Alessandro Giuseppe Antonio Anastasio Volta überrascht bemerkt, dass schwacher elektrischer Strom, angelegt an seinen eigenen, wassergefüllten äußeren Gehörgang, eine Geräuschempfindung auslöste. Er vermutete schon damals ganz richtig, dass der Effekt auf einer elektrischen Stimulation von Nerven beruhen muss.

Mehr als einhundert Jahre später - 1925 - haben amerikanische Radioingenieure Volta's Experiment in abgewandelter Form mit Reizelektroden in der Nähe des Ohrs wiederholt und diesem Effekt einen Namen gegeben: "elektrophones Hören".

Wirklich beflügelt wurde die Erforschung des Hörens aber 1930 durch eine zufällige Entdeckung amerikanischer Physiologen. Sie hatten eine Elektrode direkt an den Hörnerv einer Katze angelegt. Das Tier befand sich in einem schalldichten Raum zusammen mit zwei Forschern, die miteinander sprachen. Die Elektrode war über ein Kabel mit einem Lautsprecher im Nebenraum verbunden, um die elektrischen Entladungen des Nervs dort hörbar zu machen. Plötzlich konnte man über den Lautsprecher etwas hören, was sich wie menschliche Sprache anhörte.

Bei der genaueren Untersuchung stellte sich heraus, dass das Hörsystem, ganz ähnlich wie ein Telefon, Schallwellen in elektrische Signale umwandeln und diese Signale - so genannte "Mikrofonpotenziale" - über den Hörnerv weiterleiten kann. In den 30er Jahren hatte das Telefon sich schon in weiten Teilen der Gesellschaft durchgesetzt. Die Vermutung, das menschliche Hören könnte ähnlich funktionieren wie ein Telefon, war ein starker Anreiz für die weitere Forschung auf diesem Gebiet, auch wenn sie sich später als unrichtig herausstellen sollte.

Die erste wissenschaftliche Publikation über eine gezielte elektrische Stimulation des Hörnervs des Menschen unter der Fragestellung, ob dadurch möglicherweise das Hörvermögen wiederhergestellt werden kann, entstand 1957. Französische Wissenschaftler hatten nach einer radikalen Tumoroperation mit Entfernung des Innenohrs durch elektrische Reize Geräusche auslösen können, die der Patient wahrnahm, als würde sich ein Roulette drehen.

Entwicklung des ABI

Eine vollständige Ertaubung durch Verlust beider Hörnerven bedeutet für den Menschen einen besonders tief greifenden Einschnitt in die Kommunikation mit seiner Umwelt. Die Wiederherstellung des Hörvermögens durch auditorische Implantate ist der größte praktische Erfolg, den die Neuroprothetik bisher im Bereich der Sinnesfunktionen erreichen konnte.

Ist der Hörnerv auf beiden Seiten zerstört, kann eine elektronische Hörhilfe nur funktionieren, wenn die Elektrode an einen Punkt verlegt wird, der in der Hörbahn des Nervensystems weiter zentral liegt als in der Hörschnecke (wie dies beim zuvor beschriebenen Cochlea Implantat der Fall ist). Konventionelle Hörgeräte und cochleäre Implantate sind wirkungslos, weil die Überleitung der Signale auf den Hirnstamm auf natürlichem Wege unmöglich geworden ist. Die nächste Station der Hörbahn 'hinter' dem Hörnerv ist der Hirnstamm. So sind aus den Cochlea-Implantaten die auditorischen Hirnstammimplantate (ABI) entstanden.

Das erste ABI wurde 1979 in Los Angeles eingesetzt. Es war für heutige Verhältnisse primitiv und bestand aus zwei kugelförmigen Elektroden, die am Stumpf des Hörnervs andockten. Mit diesem einkanaligen ABI war die Patientin in der Lage, die Stimmen von drei männlichen Sprechern und verschiedene Geräusche sowie einzelne Vokale zu unterscheiden. Freie Umgangssprache konnte sie nicht verstehen, aber ihre Fähigkeit, von den Lippen abzulesen, hatte sich deutlich verbessert.

Wegen eines Kabelbruchs musste das Implantat zwei Jahre später gewechselt werden. Es wurde eine neu entwickelte Elektrode eingesetzt, die diesmal nur auf die Oberflächen des Hirnstamms gelegt wurde. Mit dieser eingesetzten Elektrode - wieder nur mit zwei Kontakten - kann die Patientin seit mehr als einem Vierteljahrhundert Höreindrücke empfangen, ohne dass sich die Qualität dieser Eindrücke verschlechtert hat. Sie selbst sagt: "lch hatte das erste ABI lange genug, um zu wissen, dass es mir hilft und irgendetwas ist einfach besser als nichts."

Unter dem Verdacht auf ein Verrutschen der Elektrode vom Hörkern weg und bei nachweislichem Bruch eines Zuleitungskabels 6 Wochen nach der Implantation wurde die Stimulation für 2 Jahre ausgesetzt. 1981 wurde das erste Implantat gegen eine Elektrode, bei der zwei Kontaktstreifen auf einem Dacronnetz aufgebracht waren ausgetauscht.

Seit mehr als 21 Jahren empfängt die Patientin darüber gleichbleibend und komplikationsfrei Höreindrücke - zehn bis zwölf Stunden am Tag. Innerhalb der ersten 3-4 Jahre traten immer noch neue Hörempfindungen auf, danach nicht mehr. Erst fast drei Jahre nach dieser erfolgreichen Revision bei der ersten Patientin wurde erneut ein ABI implantiert.

Ab Mitte der 80er-Jahre konnte man auf durch die Haut gehende Steckverbindungen verzichten - eine wesentliche Infektionsquelle war gebannt, sodass jetzt auch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) die Zulassung für erste klinische Serienuntersuchungen mit dem ABI erteilte. 1987 begann man mit der Entwicklung eines Mehrkanal-Stimulationssystems.

Die ab 1988 durchgeführten detaillierten Messungen der Wahrnehmungskapazität mit dem ABI zeigten, dass die Patienten, die in den dargebotenen akustischen Signalen enthaltene zeitliche Information in normaler Weise aufnehmen und verarbeiten konnten. Inzwischen wurde die Anzahl der Elektroden, welche den Hörkern am Hirnstamm stimulieren können, verzehnfacht. Aktuelle Implantate verwenden 21 aktivierbare Elektroden. Weltweit wurden mehr als 6oo Patienten mit Hirnstammimplantaten versorgt.

Neben der Weiterentwicklung der Sprachprozessor-Technik, welche ihre Impulse durch den überragenden, weltweiten Erfolg des Cochlear Implants erhielt, wurde die Elektrodenentwicklung vorangetrieben. Das europäische Konzept hatte von Beginn an gezielt auf die Verwendung von Mehrkanal-Implantaten gesetzt, um möglichst viele Tonhöhen separat zu stimulieren. In der klinischen Praxis konnte dann auch tatsächlich ein Tonhöhenabfall von innen nach außen an den über dem Hörkern eingebrachten Elektroden beobachtet werden.

Obwohl zeitliche Reizauflösung, Dynamik und Lautstärkecharakteristik dem Cochlea-Implantat sehr ähnlich sind, blieben die Ergebnisse vor Allem mit Blick auf das Verständnis von Sprache mit dem ABI trotz ausgefeilter Sprachprozessortechnik und Einbindung vieler Elektroden hinter den Erfolgen mit dem CI zurück. Auffallend ist vor allem der individuelle Faktor: Manche Patienten verstehen mit dem ABI sehr gut, andere schlecht. Im Durchschnitt entspricht die Qualität des durch ein ABI erreichbaren Höreindrucks derzeit dem eines einkanaligen CI. Das Lippenlesen wird für mehr als die Hälfte der ABI-Patienten bereits in den ersten Wochen nach Implantation deutlich leichter. Dieser Effekt nimmt später noch weiter zu, so dass die meisten Patienten ihr Implantat permanent einsetzen. Umgebungsgeräusche können gehört, von Sprache unterschieden und oft richtig eingeordnet werden.

Diese Unterschiede haben verschiedene Ursachen. Eine davon dürfte in der sehr komplexen Form und Lage des Hörkerns, also der biologischen Struktur, die das ABI stimulieren soll, liegen. Der Kern hat zwei Anteile:

In den vorderen (gelb in Abb. 1 + 2) ziehen die meisten Fasern des Hörnervs. Die Oberflächen-Elektroden reizen aber vor allem den hinteren Anteil (rot in Abb. 1 + 2), weil dieser flacher unter der Oberfläche liegt. Wie beim CI müssen nach dem Einsetzen des ABIs Reizstärken, Reizdauer und Elektrodenkombinationen individuell angepasst werden. Aber welche Qualität kann man denn nun wirklich von einem solchen Implantat erwarten? Was kann man damit hören, was nicht? Um das zu wissen, sollte man sich am besten die bisherigen Ergebnisse weltweit anschauen.

Ebenfalls in den 50er Jahren stimulierte Wilder Penfield, einer der Schüler des deutschen Neurochirurgen Otfried Foerster, in Montreal während einer Operation elektrisch die Hirnrinde des Schläfenlappens und konnte dadurch bei den in Lokalanästhesie befindlichen Patienten Höreindrücke auslösen.

Alle diese Untersuchungen ließen eine gemeinsame Schlussfolgerung zu: Es ist möglich, durch elektrische Stimulation an verschiedenen Stellen der Hörbahn, also des Sinneskanals, der vom Innenohr bis zur Großhirnrinde verläuft, Höreindrücke auszulösen.

Die Überbrückung des defekten Mittelohrs - Cochlea Implantate

1961 entwickelten James Doyle und William House Implantate zur elektrischen Stimulation der Cochlea in den USA. Mit diesen "Cochlear Implantats" (CI) konnten die Patienten Umgebungsgeräusche hören und den Rhythmus von Musik und Sprache erkennen. Die ersten CIs waren nicht gewebeverträglich und mussten nach einigen Wochen wieder entfernt werden.

1966 implantierte eine Arbeitsgruppe um F. Blair Simmons an der Stanford Universität eine Elektrode in die oberste Windung der Hörschnecke und stimulierte damit direkt elektrisch den Hörnerven. Simmons war jedoch enttäuscht, dass der Patient Sprache nicht verstehen konnte und bezweifelte schließlich selbst die Möglichkeit, durch elektrische Stimulation des Hörnervs jemals eine sinnvolle Kommunikationshilfe für Ertaubte zu schaffen.

Wissenschaftlicher Pessimismus zog ein und die Entwicklung stagnierte. Doch schon 5 Jahre später gab es neue Erfolge bei einer kleineren Serie von ertaubten Patienten zu berichten und das von William House 1973 beschriebene Ein-Kanal-Implantat (3M/House) war das erste CI, was bei mehreren Hundert Patienten Anwendung fand.

1981 berichteten zwei Arbeitsgruppen aus den USA und Australien unabhängig voneinander zum ersten Mal über Patienten, die durch CI ein Sprachverständnis erlangt hatten - das CI war eine etablierte klinische Methode zur Wiederherstellung des Hörvermögens und damit die erste echte "Neuroprothese" geworden.

Cochlea Implantat (CI)

Die Arbeit von Djourno und Eyries griffen amerikanische Chirurgen und Forscher auf. 1961 entwickelten der HNO-Arzt James Doyle und sein Schüler William House Implantate zur elektrischen Stimulation der Hörschnecke (Cochlea).

Die implantierten Patienten konnten Umgebungsgeräusche hören und den Rhythmus von Musik und Sprache erkennen. Aufgrund von Nebenwirkungen und Fistelbildung mussten die ersten Implantate jedoch nach einigen Wochen wieder entfernt werden.

In Europa wurde jetzt durch den Otologen Fritz Zöllner in Freiburg und den Physiologen Wolf Dieter Keidel Pionierarbeit geleistet. Zöllner und Keidel antizipierten das sprachvermittelnde Multikanal-CI und skizzierten in Ihren weit vorausschauenden Arbeiten bereits 1963 im Prinzip das heute gebräuchliche Implantat.

F. Blair Simmons stimulierte 1964 anlässlich der Entfernung eines rezidivierten Kleinhirntumors intraoperativ den Hörnerv elektrisch. Dem beidseits normalhörigen Patienten waren bereits vor dem Eingriff Geräusche vorgespielt worden, wie sie durch akustische Rechteck- und Sägezahnwellen entstehen. Während der Operation wurde der Nervus cochlearis bipolar mit ähnlichen elektrischen Reizfolgen stimuliert. Der in Lokalanästhesie operierte Patient berichtete, dass er tatsächlich ähnliche Geräusche wahrnähme wie tags zuvor beim akustischen Training.

1966 implantierte die gleiche Arbeitsgruppe an der Stanford Universität eine Elektrode in direkt in die Hörschnecke eines seit Geburt tauben Patienten - die eigentliche Geburtsstunde des Cochlea Implant (CI). Simmons zeigte sich jedoch enttäuscht, dass der Patient Sprache nicht verstehen konnte und bezweifelte selbst die Möglichkeit, durch elektrische Stimulation des Hörnervs jemals eine sinnvolle Kommunikationshilfe für Ertaubte zu schaffen.

Diese Meinung schien die bestehenden Vorbehalte aus dem Bereich der Grundlagenforschung zu bestätigen, dass Implantate nicht in der Lage wären die Komplexität der menschlichen Sprache zu reproduzieren. Unzureichend getestete Gewebeverträglichkeit und die Ansicht, dass die durch die Taubheit der Patienten entstandenen irreversiblen neuralen Schädigungen die Effektivität solcher Implantate auf ein Minimum reduzieren würden, verwandelten die Pioniere auf diesem Gebiet in wissenschaftliche Außenseiter.

Forschung und Entwicklung ließen sich dadurch jedoch kaum aufhalten: Michelson präsentierte 1971 die erste erfolgreiche klinische Serie mit vier Patienten bei denen ein Ein-Kanal-Implantat eingesetzt worden war.

Das von House und Urban 1973 beschriebene Ein-Kanal-Implantat (3M/House) war das erste CI, was bei mehreren Hundert Patienten Anwendung fand.

1981 berichteten sowohl Michelson und Schindler als auch Clark et al. (Melbourne) unabhängig voneinander zum ersten Mal über Patienten, die durch cochleäre Implantate ein Sprachverständnis erlangt hatten.

Für die meisten der Patienten ist das Lippenabsehen bereits in den ersten Wochen nach der Implantation deutlich besser möglich. Dieser Effekt nimmt später noch weiter zu, sodass die meisten Patienten ihr Implantat auch dauerhaft einsetzen. Alltagsgeräusche (z.B. Türklingel, vorbeifahrende Autos, Autohupen) werden gehört und von Sprache unterschieden. Sehr oft können Männer-, Frauen und Kinderstimmen gut auseinandergehalten werden. Manche Patienten können weiter in ihrem Beruf arbeiten.

Zur Wahrnehmung eindeutiger Höreindrücke ist für Patienten mit den heutigen ABIs eine geräuscharme Umgebung Voraussetzung. Längere Worte können aufgrund von Nachhall- und Echo-Effekten meist nicht verstanden werden. Ein echtes freies Sprachverständnis, d.h. das Verstehen von Wörtern und Sätzen ohne unterstützendes Lippenablesen, erhalten nur wenige - etwa 10 - 15 % - der Patienten allein durch das ABI zurück. Zeit spielt hier eine Rolle - Lerneffekte sind noch nach Jahren möglich.

Die Fähigkeit, mehrsilbige Wörter (bzw. Zahlen) ohne visuelle Unterstützung zu erkennen, kann sich bei einigen Patienten noch bis zu 8 Jahre nach Implantation verbessern. Bei jungen Patienten, bei denen die Ursache des Hörverlustes eine beidseitige Anlagestörung oder eine Verletzung der Hörnerven und kein Tumor ist, sind die Ergebnisse deutlich besser.

Die Ursache dafür könnte darin liegen, dass bei ihnen der Hörkern im Hirnstamm noch nicht durch Druck, Verlagerung oder Durchblutungsstörungen vorgeschädigt ist. Aus anatomischen, technischen und physiologischen Gründen ist außerdem zu vermuten, dass durch die Stimulation mit Oberflächenelektroden am Hirnstamm nicht alle im Hörkern repräsentierten Tonhöhen erreicht werden können. Es wurden daher Tiefenelektroden - Nadeln mit einer Länge von mehreren Millimetern - zum Kontakt der tiefer gelegenen Anteile vor allem des vorderen Hörkerns (gelb in Abb. 1) entwickelt und in Los Angeles auch bei einigen Patienten eingesetzt. Die Ergebnisse wurden im Detail noch nicht veröffentlicht. Nachteile oder Blutungen durch das Einsetzen der Elektroden sind aber offenbar bisher nicht aufgetreten.

Ein echtes Sprachverständnis erhalten also nur wenige Patienten allein durch die elektro-auditorische Stimulation mit dem ABI. Patienten, die dieses Niveau erreichen, verstehen etwa 50% der Wörter in einem Satz und können sogar über Telefon kommunizieren. In einer Studie mit 60 Patienten aus Los Angeles, die sechs Monate nach Implantation untersucht wurden, lag der Anteil der Telefonnutzer bei 12%. 82% der Patienten konnten bekannte Geräusche, wie z.B. Autohupen und Türklingeln, identifizieren. 85% erreichten mit dem ABI eine Verbesserung der Kommunikation über das Lippenablesen hinaus.

3D Computertomographie einer Patientin mit ABI

Mögliche Nebenwirkungen

In der Apotheke ist klar: Ein Medikament, welches angeblich keine Nebenwirkungen hat, hat mit ziemlicher Sicherheit überhaupt keine Wirkungen. In der Neuroprothetik, also dem Teil der Chirurgie, der sich mit der Wiederherstellung verloren gegangener oder fehlerhafter Funktionen beschäftigt, werden Nebenwirkungen durch die elektrische Stimulation außerhalb der Zielstrukturen hervorgerufen.

Zu den Strukturen, die in der Nähe des Hörkerns liegen und die daher fehlstimuliert werden könnten, zählen die motorischen und sensiblen Gesichtsnerven (Fazialis und Trigeminus), die sensiblen Bahnen für Druckempfindung, Vibrationsempfinden, Raumsinnempfindung, Berührungssensibilität vor allem der Beine und der Gleichgewichtskern. Es kann also bei Anschalten der entsprechenden Elektrodenkombinationen z.B. zu Vibrationsempfindungen, Schwindel, Zuckungen im Bereich des Gesichts und der Schulter oder auch zu eigenartigen Empfindungen im Bereich des Gesichts kommen.

Nebenwirkungen durch Stimulation der Schluck- und Stimmnerven sind zwar denkbar, meist werden diese aber schon dadurch vermieden, dass man diese Nerven schon während der Implantation einem Monitoring unterzieht, d.h. dass die Lage der Elektrode verändert wird, wenn während der Operation schon Fehlstimulationen dieser Nerven nachgewiesen werden.

Der Vorteil elektronischer lmplantate ist, dass die Behandlung solcher Fehlstimulationen ziemlich einfach ist - man kann sie im wörtlichen Sinn 'abschalten'. Nachfolgend wird man dann die entsprechenden Elektrodenkombinationen vermeiden. Bereits während der Implantation kann man durch Reizung über die ABI Elektrode elektrische Wellen ableiten, die in der Hörbahn entstehen. Damit weiß das Operationsteam schon während des Eingriffs, ob der Patient später einen Höreindruck haben wird.

Es kann aber sein, dass nach dem Abschalten aller Elektroden, die eine Fehlstimulation als Nebenwirkung hervorrufen, nicht mehr genügend Kontakte übrig bleiben, um einen wirklich guten Höreindruck hervorzurufen. Das ist eines der wesentlichsten Probleme des ABIs und seine Darstellung gehört daher auch zur Aufklärung vor der Implantation. Die dadurch entstehende Unsicherheit bei einzelnen Patienten hat immer wieder auch zu einer Verunsicherung in der öffentlichen Diskussion über das ABI geführt.

Bei Fehlstimulation sowie Funktionsverlust oder Verrutschen (Migration) der Elektrode ist es erfahrenen Operateuren möglich, das Implantat noch einmal zu entfernen bzw. neu zu platzieren, ohne den Hörkern oder umliegendes Gewebe zu schädigen.

Schematische Darstellung eines ABI

Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen Schwindel und Missempfindungen im Bereich der Zunge, des Kopfes und des Beines. Ein Patient beschrieb bei Stimulation einer bestimmten Elektrodenkombination Vibrationsempfindungen im gesamten Körper.

Die Risiken eines ABIs entstehen fast ausnahmslos im Rahmen der Implantation selbst. Der operative Eingriff zum Einsetzen eines CIs und eines ABIs unterscheidet sich bezüglich Empfängerspule und Kabelzuleitungen eigentlich überhaupt nicht. Infektionen und Wundheilungsstörungen sind hier besonders zu erwähnen. Beide sind sehr selten geworden, seitdem die Signale vom Sprachprozessor von einem Sender auf der Haut zu einem Empfänger unter der Haut ohne eine Kabelverbindung übertragen werden (Abb.: 3). Die Sendespule wird durch einen Magneten über dem Empfänger auf der Haut hinter dem Ohr festgehalten.

Aber was kann passieren, wenn man Elektroden an den Hirnstamm bringt? Im Hirnstamm befinden sich schließlich lebenswichtige Nervenzellen für die Regulation von Atmung, Herz und Blutkreislauf. Zehn Hirnnerven - neben dem Hörnerv mit ihren wichtigen Funktionen für Augenbewegung' Gleichgewicht, Bewegung und Gefühl im Gesicht, Schlucken, Geschmack, Tränensekretion, Stimmbildung, Schulter-, Kopf- und Zungenbewegungen – haben hier ihren Ursprung. Darüber hinaus ziehen sämtliche Nervenbahnen vom und zum Groß- und Kleinhirn durch den Hirnstamm hindurch. Wie gefährlich ist eine solche Operation aber wirklich?
Kann man sie mit einer Operation im Gehirn vergleichen?

Meist werden ABIs in dem gleichen Eingriff eingesetzt, bei dem auch ein Tumor-meist ein Akustikusneurinom (= Vestibularisschwannom) - entfernt wird. Insbesondere bei großen Tumoren überwiegen die Risiken der Tumorentfernung in diesem Fall die Risiken der Implantation des ABIs bei weitem. Betrachten wir einmal nur das Einsetzen der Elektrode selbst: Im Gegensatz zu Operationen im Gehirn - etwa zum Entfernen einer Blutung oder eines Tumors - werden dabei Gefäße nicht eröffnet oder verschlossen.

Die Operateure nutzen die natürlichen Räume zwischen Kleinhirn und Hirnstamm. Dadurch werden Nervenzellen oder Nervenbahnen geschont. Die Elektrode selbst wird in einen natürlichen, mit Hirnwasser gefüllten Spaltraum - den sogenannten 'Recessus lateralis' - eingelegt. Daraus erklärt sich die auch gegenüber anderen Operationen im Schädel sehr geringe Komplikationsrate bei der Implantation. Nachblutungen sind zwar denkbar, ihr Risiko ist aber vor allem durch die Entfernung von Tumoren im gleichen Eingriff begründet; die Elektrode selbst ist zart genug, um in ihrer Umgebung bei vorsichtiger Implantation und auch später keine Gefäße zu verletzen.

Ein wesentliches Risiko besteht in einer Infektion im Schädelinneren. Weil das Implantat aus künstlichem Material besteht und Bakterien sich eher an künstlichen Materialien festsetzen als an natürlichen, ist dieses Risiko gegenüber Operationen ohne Einbringen von Fremdmaterial etwas erhöht. Alterdings erfolgt heute bei sehr vielen Kopfoperationen der Verschluss des Schädels mit Hilfe von kleinen Implantaten aus Titan, ohne dass dadurch häufiger Infektionen auftreten.

Um die Möglichkeit einer Fehlstimulation anatomischer Nachbarstrukturen des Hörkerns auszuschließen, werden heute außerdem die Gesichts-, Schluck-, Stimm- und Zungennerven sowie der Nerv für den Schulterheber- und Kopfnickermuskel während der Operation kontinuierlich überwacht. Darüber hinaus können auch die aufsteigenden Bahnen aus den Tast- und Lageempfindungssystemen des Körpers ständig überprüft werden. Die korrekte Lage des Implantates wird durch Ableitungen elektrischer Potenziale aus der intakten Hörbahn des Gehirns bestätigt.

Kann man die Elektrode wieder entfernen?

Im Prinzip ist es möglich, das gesamte Implantat auch wieder zu explantieren. Die Frage ist: Wodurch könnte die Notwendigkeit dazu eintreten? Zum einen könnte ein technischer Fehler im Empfänger auftreten. In diesem Fall ist es leider bei den heutigen Implantaten noch nicht möglich, nur die Empfängerspule mit dem Magneten auszuwechseln und einfach das Zuleitungskabel zur Elektrode in den neuen Empfänger einzustecken.

Man hat bisher bewusst auf eine Steck- oder auch Schraubverbindung verzichtet, um nicht eine zusätzliche Fehlerquelle einzubauen. Auch ein Kabelbruch bedeutet daher, dass das ganze Implantat gewechselt werden muss. Einen Vorteil bieten die modernen Implantate in dieser Hinsicht - ihre Funktionsfähigkeit lässt sich von außen, also ohne einen operativen Eingriff (telemetrisch), abfragen. Verwachsungen zwischen der Hirnstammelektrode und dem Hüllgewebe des Hirnstamms (Spinnenhaut = Arachnoidea) sind zwar gewünscht, damit die Elektrode später nicht mehr verrutschen kann. Dadurch sind aber auch eine Entfernung bzw. ein Austausch der Elektrode auf ihrem Netzgeflecht aus Dakron ® mit einem erhöhten Verletzungsrisiko des Gewebes verbunden. Insbesondere könnte es sein, dass Teile des Hörkerns geschädigt und damit die Funktion des ABIs beeinträchtigt wird. Die Erfahrung zeigt aber, dass sowohl ein Wechsel als auch eine Lagekorrektur der Elektrode möglich ist. Ebenso gibt es Erfahrungen mit der Verlagerung der Empfängerspule. Das ist möglich, ohne die zarten Zuleitungen zur Elektrode zu beschädigen, z.B. wenn es zu Entzündungen und Geschwüren an der Haut über der Spule gekommen ist. So kann die Funktion des ABIs erhalten werden, die Elektrodenlage wird dabei nicht verändert. Eine solche Komplikation ist allerdings extrem selten und wurde bisher mit den aktuellen lmplantaten auch noch nicht publiziert.

Für Träger des ABIs ist es wichtig zu wissen, dass eine Kernspintomografie (MRT) mit dem Implantat zwar möglich ist, aber in einem größeren Bereich um das Implantat durch eine Magnetverzerrung keine sinnvolle Bildinformation liefert. Man kann hier teilweise auf die hochauflösende Computertomografie ausweichen. Wird dennoch ein MRT benötigt, dann muss ein fester Druckverband um den Kopf gelegt werden, damit der bewegliche Magnet nicht aus der Empfängerspule springt oder sich verdreht. Theoretisch kann man den Magneten zur MRT-Untersuchung auch mit einem kleinen chirurgischen Eingriff kurzzeitig entfernen.

Mit dem CI war eine Technologie geschaffen worden, die es erlaubte, Schallwellen in elektrische Impulse umzuwandeln und diese Impulse mit einem programmierbaren Mikroprozessor so zu verändern, dass sie nach Übertragung auf den intakten Hörnerven einen Höreindruck bis hin zum Verständnis von Sprache vermitteln konnten. Was aber, wenn beide Hörnerven zerstört sind? Kann man das Hören wirklich ebenso durch elektrische Stimulation an anderen Stellen der menschlichen Hörbahn wiederherstellen?

Als die HNO-Chirurgen House und Hitselberger am 24.05.1979 in den Hörkern am Hirnstamm ihrer Patientin nach Entfernung eines Tumors des Hör- und Gleichgewichtsnerven zwei kleine Kugelelektroden einsetzten, gaben sie sich keiner Illusion hin. Sie hatten bis dato am House Ear Institute in Los Angeles zwar gute Erfahrungen mit CIs gesammelt, aber bei der 46-Jährigen Patientin waren durch Neurofibromatose Typ 2, beide Hörnerven seit etwa 6 Monaten komplett zerstört. Ein CI konnte nicht helfen, da Nervenfasern zur Weiterleitung seiner Impulse zum Hirnstamm nicht mehr vorhanden waren.

Dr. House und Dr. Histelberger schlugen vor, eine Elektrode auf den Stumpf des Hörnervs am Hirnstamm zu platzieren, um den Hörkern ("Nucleus cochlearis") direkt zu stimulieren. Damit war die Patientin in der Lage, die Stimmen von drei männlichen Sprechern und verschiedene Geräusche sowie einzelne Vokale zu unterscheiden. Umgangssprache konnte sie nicht verstehen, aber ihre Fähigkeit, von den Lippen abzulesen, hatte sich deutlich verbessert.

Sie berichtet: „Ich konnte Betten hoch und runter federn hören. Ich hörte Wasser ins Waschbecken laufen, die Toilettenspülung, die Absätze der Schwestern auf dem Boden klicken und so weiter. Ich verbrachte einen Monat im Krankenhaus. Als ich nach Hause kam, konnte ich Flugzeuge hören, die Mikrowelle, Hundegebell, das Läuten des Telefons.

Neuere Entwicklungen - das AMI

Leider ist die Hörverbesserung durch ein ABI bei NF2-Patienten nur relativ gering. Die Annahme, dass bei NF2-Patienten zusätzliche durch Hirntumoren bedingte Schäden des Nucleus cochlearis vorliegen, die ggf. durch die chirurgische Entfernung der Tumoren noch verstärkt wurden, führte zu der Überlegung, dass die elektrische Stimulation der zentralen Hörbahn proximal zum tumorgeschädigten Hirnstamm eventuell zu einem besseren Sprachverstehen bei NF2-Patienten führen könnte. Hierzu bietet sich der Colliculus inferior an, der aufgrund seiner regelhaften tonotopen Organisation für eine frequenzselektive Stimulation geeignet ist.

Seit 2006 wird als Alternative zu einem CI oder ABI nun eine neu entwickelte zentral auditorische Neuroprothese getestet, das Auditory Midbrain Implant (AMI). Das Auditorische Mittelhirnimplantat ist eine zentral auditorische Prothese zur Wiederherstellung des Hörvermögens bei Patienten mit neuraler Taubheit

Das AMI setzt noch zwei Stationen höher als das ABI in der Hörbahn an. Aufgrund seiner gut erforschten tonotopen Organisation und seiner zentralen Stellung im Bereich der Hörbahn wurde der Colliculus inferior (IC) als Implantationsort gewählt. Die Elektrode des AMI ist stabförmig und besitzt 20 ringförmige Elektrodenkontakte, deren Breite und Abstand eine frequenzspezifische Reizung ermöglichen sollen.

Der Entwicklung des AMI liegt die Vermutung zugrunde, dass die Stimulation eines intakten Colliculus inferior eventuell eine bessere Alternative für die Wiederherstellung des Hörvermögens bei NF2-Patienten sein kann als die Stimulation im Bereich eines veränderten und vielleicht teilweise zerstörten Nucleus cochlearis.

Insertionselektroden (INSEL) als Alternative?

Eine Reihe von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung sprechen dafür, dass durch Mikroelektroden, die in den Hirnstamm eindringen (penetrieren), eine effektivere Stimulation des Hör-Systems möglich werden könnte.

Insertationselektroden wie im Text beschrieben

Abbildung: Schematische Darstellung der Tonhöhenrepräsentation (Tonotopie) im Nucleus cochlearis. Oberflächenelektroden (rechts) können Tonhöhenunterschiede nur durch die variable Ausprägung des elektrischen Feldes erzeugen. Mit Insertionselektroden (INSEL, links) können Regionen innerhalb des Hörkerns, die unterschiedliche Frequenzen repräsentieren, direkt stimuliert werden. (modifiziert nach Rauschecker & Shannon, Science, 2002)

Große Anteile des vorderen Hörkerns werden durch Oberflächenimplantate gar nicht erreicht. Dieser Teil des Kerngebietes erhält aber die weitaus meisten direkten Umschaltstellen vom Hörnerven. Seine Nervenzellen antworten ganz ähnlich auf Reize wie die Zellen, von denen der Hörnerv ausgeht.

Der Grad ihrer Vernetzung untereinander ist noch nicht so komplex wie im hinteren Hörkern, dem Hauptzielgebiet der heutigen Oberflächenimplantate. Die Zahl der aus dem vorderen Hörkern in Richtung der höheren Hörzentren abgehenden Fasern ist etwa um den Faktor 10 größer als im hinteren Hörkern. Untersuchungen mit einer neuen Generation von Mikroelektroden aus der angewandten Forschung verstärken diese Argumente.

Mit solchen Insertionselektroden wurden insbesondere, offenbar aufgrund einer besseren Ankopplung der Stimulation an die dem Hörnerv nachgeschalteten Nervenzellen, niedrigere elektrische Reizschwellen gemessen.

Damit können möglicherweise unerwünschte Nebenwirkungen vermieden werden. Außerdem erhofft man sich eine Erweiterung des nutzbaren Intensitätsspektrums bei niedrigeren Betriebsströmen.

Penetrierende Elektroden haben im Experiment kaum Gewebeschäden im Bereich der Implantationsstelle hervorgerufen.

Problematisch ist eher die exakte Platzierung der Elektroden bei einer individuell doch deutlich variablen, durch Tumoren in diesem Bereich noch weiter veränderten Anatomie.

Ob letztlich damit eine verbesserte Spracherkennung für die Patienten möglich sein wird, können nur klinische Studien klären. Sinnvoll erscheint zunächst eine Kombination mit den bereits klinisch bewährten Oberflächenelektroden für den hinteren Hörkern.

Leider ist die Hörverbesserung durch ein ABI bei NF2-Patienten nur relativ gering. Die Annahme, dass bei NF2-Patienten zusätzliche durch Hirntumoren bedingte Schäden des Nucleus cochlearis vorliegen, die ggf. durch die chirurgische Entfernung der Tumoren noch verstärkt wurden, führte zu der Überlegung, dass die elektrische Stimulation der zentralen Hörbahn proximal zum tumorgeschädigten Hirnstamm eventuell zu einem besseren Sprachverstehen bei NF2-Patienten führen könnte. Hierzu bietet sich der Colliculus inferior an, der aufgrund seiner regelhaften tonotopen Organisation für eine frequenzselektive Stimulation geeignet ist. Seit 2006 wird als Alternative zu einem CI oder ABI nun eine neu entwickelte zentral auditorische Neuroprothese getestet, das Auditory Midbrain Implant (AMI). Das Auditorische Mittelhirnimplantat ist eine zentral auditorische Prothese zur Wiederherstellung des Hörvermögens bei Patienten mit neuraler Taubheit

Das AMI setzt noch zwei Stationen höher als das ABI in der Hörbahn an. Aufgrund seiner gut erforschten tonotopen Organisation und seiner zentralen Stellung im Bereich der Hörbahn wurde der Colliculus inferior (IC) als Implantationsort gewählt. Die Elektrode des AMI ist stabförmig und besitzt 20 ringförmige Elektrodenkontakte, deren Breite und Abstand eine frequenzspezifische Reizung ermöglichen sollen.

Der Entwicklung des AMI liegt die Vermutung zugrunde, dass die Stimulation eines intakten Colliculus inferior eventuell eine bessere Alternative für die Wiederherstellung des Hörvermögens bei NF2-Patienten sein kann als die Stimulation im Bereich eines veränderten und vielleicht teilweise zerstörten Nucleus cochlearis.

Der Colliculus inferior ist an der Rückseite des Mittelhirns lokalisiert. Nahezu alle absteigenden auditorischen Bahnen beider Seiten werden hier erstmals zusammengeführt. Die Elektrode des Mittelhirnimplantates („auditory midbrain implant“, AMI) ist 6,4 mm lang und weist als Elektrodenkontakte 20 Platinringe. auf. Die verwendete Elektrodentechnologie sowie der Sprachprozessor sind identisch mit dem eines konventionellen Cochleaimplantates.

Die AMI-Elektrode wird in der Regel über einen mikrochirurgischen, subokzipitalen Zugang im Colliculus inferior (IC) platziert. Sie kann daher auch prinzipiell gleichzeitig mit einer Tumorentfernung implantiert werden. Eine stereotaktische Implantation wird derzeit ebenfalls erprobt.

Eine erste klinische Studie an 5 Patienten wurde ab dem Jahr 2007 durchgeführt und das AMI erstmals bei ertaubten NF2 Patienten verwendet. Trotz unterschiedlicher anatomischer Ausgangsvoraussetzungen konnte die Elektrode bei allen Patienten sicher platziert werden. Postoperativ ergaben sich weder durch die Tumorentfernung noch durch die AMI- Implantation Komplikationen.

Die Erstanpassung erfolgt vier Wochen nach Implantation. Bei den häufigsten Nebenwirkungen durch AMI-Stimulation handelt es sich um Parästhesien, die meist durch Programmierung des Systems behoben werden können. Tatsächlich traten signifikante Nebenwirkungen bisher allerdings nicht auf.
Alle Patienten können mit dem AMI Umweltgeräusche wahrnehmen, so dass wieder eine auditive Umweltorientierung möglich ist. Sie zeigen außerdem eine Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit in Kombination mit Lippenabsehen; eine Patientin sogar ein besseres Sprachverstehen im Vergleich zum Mittelwert der NF2-Patienten mit dabei einem Hirnstammimplantat. Neben dem Geräuscherkennen finden sich also durchaus Ansätze für ein offenes Sprachverstehen. Diese ersten Ergebnisse scheinen in etwa denen bei guten ABI-Trägern zu entsprechen. Die Hörleistung hängt insgesa

mt stark von der Implantatposition im Mittelhirn ab.

Bei den Patienten wurde nach Erstanpassung ein regelmäßiges Hör- und Sprachtraining durchgeführt und unterschiedliche Sprachverarbeitungsstrategien wurden erprobt. Die Hörergebnisse weisen über die Zeit eine Verbesserung auf. Insgesamt gesehen ist die Chance auf eine bessere Hörleistung durch ein AMI zwar erhöht, erfordert auf der anderen Seite jedoch flexiblere Sprachverarbeitungsstrategien. Eine auf den neu gewonnen Erkenntnissen basierende neu entwickelte Generation von AMI könnte in Zukunft allerdings möglicherweise bessere Ergebnisse im Vergleich zum ABI bei NF2-Patienten erzielen.

Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der technische Aufwand und das klinische Risiko mit solchen zentralen Transplantaten enorm ansteigt.

Erfahrungsbericht einer AMI Trägerin

Technik im Alltag

Behinderung ist kein individuelles Problem. Vielmehr sind es ungeeignete Bedingungen, die einen Menschen mit Handicap behindern.

Vielfältige moderne technische Entwicklungen und das Internet erlauben es heute, auch bei einer Ertaubung ein selbstbestimmtes Leben zu führen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Viele kommunikative Barrieren konnten endlich beseitigt werden.

Die alljährlichen überregionalen Treffen, Seminare und andere Zusammenkünfte der NF2-Selbsthilfegruppe werden z.T. vollständig ohne Beteiligung Hörender organisiert und durchgeführt.

Auch in der Medizintechnik haben bahnbrechende Entwicklungen das Leben Gehörloser inzwischen deutlich erleichtert, dennoch gibt es immer noch Hürden zu nehmen.

Forschung und Entwicklung schreiten zügig voran, so dass für die Zukunft noch viele große Verbesserungen zu erwarten sind.

Fortschreitend schwerhörige Menschen stehen vor dem Problem, zwar zu wissen, dass sie möglicherweise oder wahrscheinlich vollständig ertauben werden, andererseits aber nur bedingt in der Lage dazu sind, sich das gerade in Bezug auf die Kommunikation vorzustellen. Gerade diese ist aber für alle zwischenmenschlichen Beziehungen grundlegend wichtig.

Einige Betroffene hegen Ängste vor dem Nicht-Verstehen und dem damit verbundenen Kontrollverlust. Das Wissen um die Grenzen des Absehens erzeugt Angst vor Nicht-Verstehen. Auch die Gebärdensprache lässt sich nicht schnell lernen, dazu braucht man Jahre. (Absehen ist leider eine Begabungssache. Man kann es aber üben, genau wie Normalhörende eine deutliche Sprechweise üben können).

Die Angst schürt die Unsicherheit, richtig verstanden zu haben oder im Gespräch die Kontrolle zu verlieren, nichts mitzubekommen und blöd daneben zu stehen. Die Unklarheit in diesem Bereich zeigt, wie wichtig es ist, von Problemen anderer zu erfahren, um sich auf eine drohende Ertaubung vorzubereiten oder einen geeigneten Umgang und den sich daraus ergebenden Problemen zu suchen und vielleicht sogar zu finden.

In einem Gespräch den Faden nicht zu verlieren, erfordert für hörgeschädigte Menschen ein sehr hohes Maß an Konzentration. ‘Schnelle’ Kommunikation, z.B. am Telefon bei Terminabsprachen wird zum Problem. Ähnlich verhält es sich in der Kommunikation mit Bekannten. Gruppensituationen (Mahlzeiten, Diskussionen, Feiern) können schnell dazu führen, dass Hörgeschädigte nicht alles, nicht richtig oder sogar gar nichts verstehen.

Nicht mehr zu wissen, worüber gesprochen wird, drängt dann die Frage auf, ob gerade über den Hörgeschädigten selber gesprochen wird. Solche Erfahrungen in Verbindung mit bestimmten Situationen, Personen, Gruppen oder Gesellschaften verleiten dazu, sie zukünftig zu vermeiden. Sogar in der Familie sind Gespräche häufig nicht mehr detailliert, sondern oberflächlicher und wegen der kommunikativen Problematik auf das Nötigste beschränkt. Daraus ergeben sich engere Grenzen für die Teilhabe am Leben anderer.

Missverständnisse sind immer und überall möglich. So kann auch die Unsicherheit bestehen, ob andere Hörgeschädigte einen selber verstehen. Nicht nur ich verstehe die anderen schlecht – auch die anderen verstehen mich oft nicht richtig. Damit ist weniger gemeint, dass sie das Wort nicht verstehen, sondern viel mehr, dass der Hörgeschädigte keinen Einfluss mehr darauf hat WIE er etwas sagt. Seine Empfindung kann er nicht mehr unterstützend in seine Sprechweise einbringen. Vielleicht klingt er gereizt, gar aggressiv, ist es aber gar nicht. Es kommt zu sehr „unangenehmen“ Missverständnissen. Darüber hinaus beeinträchtigt bei manchen NF2-Betroffenen eine Gesichtlähmung zusätzlich die Möglichkeit, Freude und andere Gefühle mimisch zum Ausdruck zu bringen. So entsteht eine gewisse Orientierungslosigkeit in der hörenden Welt, da die Nuancen der Stimme eines anderen Menschen, die mehr oder etwa im Falle der Ironie auch Gegenteiliges zum Ausdruck bringen, nicht mehr wahrnehmbar sind.

Abhängig sind Hörgeschädigte leider allzu oft vom „Wohlwollen“ des Hörenden (bezogen auf die Kommunikation). Treffen mit Freunden, denen es sehr schwer fällt, sich auf die kommunikativen Bedürfnisse der schwerhörigen Freund/in einzustellen, sind meist kaum mehr möglich. Die vollständige Ertaubung kann zu einem angemessenen Verständnis und entsprechendem Verhalten führen. PartnerInnen stellen sich andersherum aber auch die Frage, ob sie als Dolmetscher vereinnahmt werden. Die Lichtverhältnisse müssen z.B. jetzt auch auf die Möglichkeit zur Kommunikation abgestimmt werden. Nacht bedeutet Kommunikationslosigkeit, was gerade auch in einer Partnerschaft als sehr belastend erlebt werden kann.

Eine Hilfe, mit kommunikativen Problemen umzugehen, stellt auf jeden Fall die „Hörtaktik“ dar, wie sie in Reha-Maßnahmen für Hörgeschädigte vermittelt wird. Aber das dafür notwendige Selbstbewusstsein ist nicht einfach aufzubringen. Darüber hinaus gibt es sogar Situationen, in denen ein Wissen um hilfreiches Verhalten gar nichts nützt, weil ein Stehen zu und Bekennen von Einschränkungen immer auch eine Preisgabe von ‘Schwächen’ bedeutet.

Aus dem schlichten Handy, mit dem man telefonieren, SMS senden und empfangen kann und allenfalls Fotos schießen konnte, hat sich das heutige Smartphone entwickelt.

(TheDigitalWay auf Pixabay)

Ein Smartphone ist so etwas wie ein Computer, oftmals kann es sogar noch viel mehr: Durch die verschiedenen App-Stores kann man sich zu jedem erdenklichen Thema ein App (ein Programm) holen, mit der dann viele weitere Möglichkeiten eröffnet werden.

Wie bei Computern gibt es bei ihnen Hard- und Software: Die Hardware dieser Telefone kann von Herstellern wie Samsung, Apple, LG, Nokia etc. sein.

Diese Geräte, die meist per Touchscreen (mit Finger oder Stift) betätigt werden, haben unterschiedliche Betriebssysteme, wie zum Beispiel das Android von Google, das iOS von Apple beim iPhone oder Windows mobile. Im Grunde genommen funktionieren alle sehr ähnlich. Wichtig dabei ist, dass es Internetzugang hat, dafür braucht man einen Datentarif, der oftmals schon für ca. 10 Euro/Monat zu haben ist.

Aber mal langsam: Was kann denn ein Smartphone?

Gerade weil jeder Mensch eigene Bedürfnisse hat, lässt sich schwer sagen, welches nun gute oder schlechte Apps sind, das muss jeder selbst entscheiden und so sein Gerät personalisieren. Dennoch gibt es unzählige Apps, die besonders für NF2 Betroffene interessant sein könnten. Wer in den Stores stöbern will, kann dies zwar mit seinem Smartphone tun, doch auch im Internet am PC kann man schon mal einen Blick hineinwerfen: http://de.wikipedia.org/wiki/Mobile_App

Kommen wir nun zur Auflistung einiger hilfreicher Apps besonders für uns Hörgeschädigte.

Spracherkennung-Apps

Keine Frage, verlässliche Spracherkennung ist im Kommen. Spracherkennung wird normalerweise zum Einsprechen (statt schreiben), also Diktieren von Text genutzt. Aber sie kann für uns aber möglicherweise hilfreich sein, wenn wir mit anderen versuchen zu kommunizieren, für Hörgeschädigte ist die Möglichkeit Sprache zu erkennen und in Schrift darzustellen ideal. Das Feld der Spracherkennung entwickelt sich rasant, es gibt inzwischen einige Apps, die sich dieser Technik bedienen und die sehr hilfreich in der Kommunikation im Alltag sein können. Das funktioniert so ähnlich wie Lippenablesen: Nicht alles wird genau verstanden, aber mit ein bisschen Kombinationsgeschick und Logik kann man die falsch verstandenen Worte ergänzen und so die Kommunikation unterstützen. Das viele nicht so recht mit Spracherkennung zufrieden sind, liegt zum einen an der Erwartungshaltung, zum andern an der Situation: Spracherkennungsapps sind von manchen Bedingungen abhängig. Hat man beispielsweise keine gute Internetverbindung, so sackt deren Leistung ab oder man verbringt die Zeit mit „laden“. Wenn der Sprecher Dialekt spricht oder nuschelt, sinkt die Trefferquote. Schlecht ist auch eine starke Gesichtslähmung.

Zum erfolreichen Anwenden von Apps welche auf Spracherkennung zurückgreifen sind daher diese 3 Dinge zu beachten:

1. den Gegenüber bitten, deutlch zu sprechen

2. Bei Google/Android gibt es zwar die Möglichkeit Spracherkennung auch offline zu benutzen, generell gilt: Eine gute Internetverbindung ist das Wichtigste für die akkurate Wiedergabe des Gesprochenen

3. Wenig/keine Nebengeräusche (oder Mikrofon benutzen)

Nun gut, werden wir konkret: Welche Apps gibt es da, die insbesondere für Hörgeschädigte eine Hilfe sind?

App: Ava

Als eine große Hilfe bei der Kommunikation in allen möglichen Bereichen hat sich die 2017 entwickelte App „AVA“ erwiesen. Sie wird von einem CODA (=Kind gehörloser Eltern) entwickelt, speziell für Hörgeschädigte und ihre Bedürfnisse.

Ava funktioniert so: Durch das im Smartphone integrierte Mikrofon nimmt es den Sprecher in Echtzeit auf, der Hörgeschädigte schaut dabei auf das Display und liest das Gesprochene einfach ab. So kann Kommunikation ganz entspannt ablaufen, ohne die üblichen Stolperfallen wie mehrfaches Nachfragen und Nicht-Verstehen.

Trotzdem, um das meiste rauszuholen gibt es ein paar Dinge zu beachten:

Das Allerwichtigste ist eine gute Internetverbindung, denn Ava funktioniert - momentan - nur über das Internet. Für eine akkurate Wiedergabe das Gesprochenen ist eine WLAN Verbindung empfohlen, ein starkes Funksignal reicht aber auch aus. Dabei verbraucht AVA natürlich Datenvolumen. Auch deshalb ist wlan sehr sinnvoll.

Ava kennt nicht jedes Wort, z.B. Namen. Es kann gut sein, dass es nicht 100% richtig versteht, aber das sollte nicht viel ausmachen, wenn mal ein Wort falsch transkribiert wird.

Das integrierte Mikrofon im Smartphone funktioniert zwar gut (auch aus 1-2 Metern Entfernung), es geht aber noch besser. Beispielsweise durch ein externes Lavalier-Mikrofon, was in die Lautsprecherbuchse gesteckt wird oder sogar ein Bluetooth Mikrofon/Headset (z.B. das Plantronics Explorer 50, ca. 20 €, oder Sena BT10 mit clip fürs Hemd) Besonders für einen Sprecher (z.B. Arzt, Dozent) aber auch mit mehreren Gesprächsteilnehmern wenn eine disziplinierte Gesprächskultur gegeben ist (=abwechselnd sprechen, Mikrofon herumreichen) eignen sich diese Mikrofone.

Empfohlen ist auch ein kleiner Tischständer, in den das Handy reingesteckt werden kann. Oder einfach irgendwo anlehnen und hinstellen. So kann der Hörgeschädigte entspannt gleichzeitig den Sprecher anschauen und das Display im Blick haben.

Auch in der Gruppe kann Ava sehr hilfreich sein, vor allem dann wenn jeder Sprecher die App installiert hat und das Handy vor sich legt. So werden dem Hörgeschädigten sogar alle Sprecher in unterschiedlichen Farben angezeigt.

Am besten funktioniert es, wenn die Sprecher abwechselnd sprechen. Und deutlich. Manchmal ist es gerade in Gruppen zu empfehlen, die Sprecher darauf hinzuweisen.

Per Zwei-Finger Zoom auf den Text kann die Schriftgröße verändert werde. Neben Deutsch sind auch andere Sprachen in den Einstellungen (links oben auf den Kreis klicken). Sogar die Option Schimpfwörter ein- oder auszublenden gibt es!

Ava aus AppStore laden
Ava aus Google Play laden

Hier noch ein Erfahrungsbericht eines begeisterten Nutzers:

Meine Erfahrungen mit Ava
oder wie eine App das Leben verändern kann!

Aber was genau ist dieses Ava was kann die App was andere Programme nicht können? Kurz gesagt, vieles.Ava ermöglicht es mir in verschiedensten Situationen mit Menschen zu kommunizieren, sei es mit Kollegen, Freunden, Ärzten oder anderen Personen. Auch in Gruppengesprächen bin ich wieder mittendrin statt nur dabei. Die beste Möglichkeit Ava zu nutzen ist, alle laden sich die App und der hörende Teil der Gruppe nutz sein Handy wie ein Mikrofon.

Fachgespräche und differenzierte Unterhaltungen sind mit Ava so gut wie barrierefrei möglich. Bei Gesprächen neige ich normalerweise dazu einfach abzunicken auch wenn ich das gesprochene Wort nicht über die Lippen verstanden habe. Seit ich Ava nutze, will ich wissen was gesprochen wird und nutze das Handy als Kommunikationsmittel.

Ava ermöglicht mir ein komplett selbstbestimmtes Leben in allen Bereichen in denen mir die Kommunikation wichtig ist. Es ersetzt natürlich kein gesundes Gehör, ist aber für mich eine absolute Revolution und hat Kommunikation wieder auf ein positives Level gehoben.

Noch zwei Praxisbeispiele aus meinen Erfahrungen:

Während des Studiums habe ich viel und gerne gezockt und über Headset mit Menschen aus der ganzen Welt gesprochen. Seit der Ertaubung habe ich nicht mehr viel gezockt, da es für mich einfach nicht mehr das gleiche war. Nun hat sich ein alter Nerdkumpel, Ava geladen und sein Handy mit einem bluetooth Mikrofon verbunden und ich bekomme wieder alles mit. Es ist ein tolles Gefühl wieder über die Gegner zu schimpfen und sich zu unterhalten.

Gestern hat der 4-jährige Sohn meines besten Freundes mit mir über Ava gesprochen. Das war eine sehr intensive und schöne Erfahrung, ich bin Onkel Jan und begleite ihn schon sein ganzes Leben. Bis vor zwei Jahren habe ich ihn noch hören können und nun kann ich lesen was er so im Kindergarten treibt oder jetzt gerade so spontan plant.

Ava ich danke Dir!

App: RogerVoice

Eine weitere revolutionäre Entwicklung ist die Smartphone App RogerVoice. Sie ermöglicht es als Hörgeschädigter ganz ohne Vermittler direkt „normal“ zu telefonieren. Im Gespräch erscheint das Gesprochene vom Angerufenem als Text auf dem Display, fast ohne Verzögerung. Der Angerufene benötigt die App nicht. Im Moment geht es noch nicht, angerufen zu werden. Wie das funktioniert? Spracherkennung. Und die ist richtig gut. Eine Animation zeigt an, wenn der Andere gerade spricht. Der Hörgeschädigte selber hat die Wahl zwischen Sprechen oder Text eintippen und dem Angerufenem vorlesen lassen. Vor dem Anruf kann eingestellt werden, dass ein Hinweis erfolgen soll, um mitzuteilen, dass der Anrufer hörgeschädigt ist. Ganz wichtig: Damit die Spracherkennung gut funktioniert, ist eine gute Internetverbindung unbedingt notwendig! Die App gibt es auch auf Deutsch. Nicht nur für Familie und Freunde bietet es sich an RogerVoice einzusetzen, sondern für jeden X-beliebigen Anruf, z.B. Kollegen, Ämter, Ärzt…

Kosten? RogerVoice selbst ist kostenlos und es gibt zum Ausprobieren am Anfang 2 Euro Guthaben geschenkt. Danach gibt es die Möglichkeit ein Konto zu erstellen und je nach Benutzung gibt es die Möglichkeit Guthaben zu erwerben, gültig für 12 Monate.

Die Preise für Anrufe ins Festnetz/Mobilnetz belaufen sich in Deutschland auf 0,22 €/min. Wenn der Empfänger ebenfalls RogerVoice instaliert hat, ist es kostenlos. Es lohnt sich also Familie und Freunde darum zu bitten sich die App herunterzuladen.

In diesem Video kann die App in Aktion gesehen werden

RogerVoice aus AppStore laden
RogerVoice aus Google Play laden

Hier schildert ein Nutzer aus unserer Gruppe seine Erfahrungen:

"Es funktioniert - ich telefoniere im Alltag viel mit der App und bin begeistert. Sogar Anrufe beim Pannenservice klappen, was eine riesige Hilfe ist, da man ansonsten als hörbehinderter Mensch immer auf die Hilfe von Dritten angewiesen ist. Ärzte anrufen, Termine machen, endlich wieder unabhängig telefonieren.“

Testet es, es lohnt sich. Ein weiterer Schritt in Richtung selbstbestimmtes Leben.

Messaging Apps

(HeikoAL auf Pixabay)

Mittlerweile sehr beliebt sind Messengerdienste wie WhatsApp, Signal oder Telegram: Nach Installation der Apps generiert diese automatisch eine Kontaktliste gemäß des Telefonbuchs deines Handys. Das heißt, jeder der WhatsApp installiert hat, wird angezeigt und das sind einige! Das Prinzip ist eine Mischung aus SMS und Messenger: Spricht man einen beliebigen Kontakt an, so wird dieser sofort benachrichtigt, sofern sein Handy eingeschaltet ist. Zwei Häkchen neben der Nachricht signalisieren, dass die Nachricht zugestellt wurde. So kann man sich quasi in Echtzeit SMS schreiben bzw. chatten. Diese App gibt es für alle möglichen Plattformen.

Gebärden-Apps

Das Stichwort „DGS“ oder „Fingeralphabet“ sollte im jeweiligen App-Store alles Mögliche zum Thema ausspucken. Sehr praktisch ist die kostenlose internationale App spreadthesign oder DeafLex. Ein Lexikon quasi, aber nicht nur für Deutsche Gebärdensprache. Von Japanischer Gebärdensprache bis Französischer ist alles Mögliche an Bord. Sehr hilfreich, wenn man sich fragt „wie war nochmal die Gebärde für xy“, oder eben einfach zum Lernen.

www.spreadthesign.com

DeafLex aus Google Play laden

Dazu gib es auch das Gebärden Lexikon von Kestner:

Gebärdenlexikon aus AppStore laden

Gebärdenlexikon aus Google Play laden

Stichwortsuchen in den Stores führen zu solchen Apps, generell gilt: Probier‘s aus!
Weitere Informationen liefert dieser wikipedia-Artikel.

Soviel zu den Apps da draußen. Es hat sich viel entwickelt in den letzten Jahren und das wird so weitergehen.

(Frederic Suter)

Heutzutage ist es möglich seinen PC per Sprachbefehle zu steuern und so insbesondere Texte zu diktieren. Aber auch für die Kommunikation kann sie hilfreich sein.

Der Nachteil gegenüber der mobilen Spracherkennung liegt darin, dass erst ein wenig die Stimme des Sprechers trainiert werden sollte. Für jeden Sprecher wird so ein Profil erstellt und somit eine hohe Genauigkeit erreicht.

Ein weiterer Nachteil ist die Schwierigkeit der Erkennung bei einer Stimmbandlähmung, trotzdem kann noch etwas verstanden werden. Auch hier gilt: Ausprobieren!

Unter den Marktführern sind die Anwendungen der Spracherkennungssoftware Dragon. Oftmals übernimmt der Arbeitgeber die Kosten.

oder:

Die Spracherkennung in Word ist ein kostenloses Tool von Microsoft - integriert in Microsoft 365.

Je nach Version findet man die genaue Anleitung für die Nutzung der Spracherkennung hier:

Diktieren von Text mithilfe der Spracherkennung

"Digitale Zaubertafel": Boogie Board:

Mit diesem “Notizblock” heißt es: Nie wieder Stift und Papier, gleichzeitig wird etwas der Umwelt zuliebe getan: Mit einem Druck auf den „Löschknopf“ verschwindet das Geschriebene wie von Zauberhand.

Betrieben wird das Gerät von einer Uhrbatterie und hält somit ewig.
Manche benutzen vielleicht eine Zaubertafel, das Prinzip ist ähnlich, das Löschen geschieht stattdessen digital. Auf die Tafel kann mit einem mitgelieferten Stift geschrieben werden, aber auch mit dem Finger oder einem stiftähnlichen Gegenstand.

Mittlerweile gibt es günstigere Tafeln mit dem gleichen Prinzip.

Ebooks sind Bücher in digitaler Form. Sie besitzen gewöhnlich ein Display mit einer Diagonale zwischen 5 und 10 Zoll, welches meist mit einer sehr kontrastreichen Anzeigetechnik ausgestattet ist. Es ist ein besonders gut lesbares Schriftbild auch bei Sonneneinstrahlung. Es lassen sich unzählige Bücher darauf abspeichern - gut auch fürs Verreisen.

Die besonderen Vorteile für Menschen mit NF2, die auch im Sehen eingeschränkt sind, liegen auch in der Möglichkeit, die Schrift zu vergrößern.

E-Books können auch auf dem PC/Laptop,
Tablet oder Smartphone mit entsprechenden Apps gelesen werden.

Viele weitere Informationen dazu liefert dieser wikipedia -Artikel

Tablet-Computer
(iPad, Nexus tablets, Galaxy Tab, Kindle Fire etc)

Tablet-Computer sind mobile Computer und Bildschirm in einem, oftmals mit wenigen Anschlüssen und betrieben wie Smartphones durch Apps. Gesteuert werden die berührungsempfindlichen Geräte mit dem Finger oder Stift. Auf dem Display erscheint so bei Bedarf eine Tastatur zur Texteingabe. Verschiedene Hersteller bieten auch Docking- oder Bluetooth-Tastaturen zur klassischen Eingabe per Keyboard an.

Ein Tablet erfordert bei den meisten Apps eine Internetverbindung, zum Beispiel mit kabelloser Verbindung (WLAN oder in Englisch Wifi). Verschiedene Hersteller bauen inzwischen Tablets. Neu sind Mini-Tablets in kleinerem Format, die deutlich preiswerter sind. Es gibt auch 3G Tablets, welche als Handy-Ersatz fungieren können. Damit kann man auch überall ins Internet, wo es ein Handy Netz gibt. Prinzipiell gibt es Tablets in zwei Versionen: WLAN oder 3G (inklusive WLAN) welches dann einen Datentarif auf SIM-Karte erfordert.

Ein Tablet ist sehr vielseitig, ähnlich wie ein Smartphone. Die meisten Programme (Apps) gibt es für beide Geräteklassen. Sie sind wie bei Smartphones herunterladbar über den jeweiligen App-Store des Geräts.

Ein paar Bespiele für Anwendungsmöglichkeiten:

  • Zum mobilen Surfen im Internet
  • Zum mobilen Abruf und Senden von Mails
  • über eBook Apps auch als eBook Reader nutzbar
  • Mobile Spracherkennung, oder für Dienste wie VerbaVoice (Link zum Artikel)
  • Skype (sogar mit Frontkamera bei manchen Geräten, ebenso einblendbare Untertitel)
  • Facebook und Messenger-Dienste
  • Als „Zeitung“ mit Abonnements von Zeitungen und Magazinen
  • Invertierte Darstellung von Text und Apps (Buchstaben erscheinen dann weiß auf schwarz)

Die Möglichkeiten eines Tablets sind schier unendlich, wie bei den Smartphones gilt es, das Gerät den persönlichen Bedürfnissen anzupassen.

Hier ein kleiner Erfahrungsbericht dazu:

Ich besitze ein iPad und bin geradezu süchtig danach. Ich habe NF2 und bin ertaubt, dazu auch noch stark sehbehindert. Was mache ich damit?

Jeden Morgen erwartet mich die neueste Ausgabe meiner Zeitung, die ich für das iPad abonniert habe. Sie ist dann schon automatisch geladen, für gut Sehende im Querformat mit Grafiken, für Sehbehinderte im Hochformat mit nur Textdarstellung, die man stark vergrößern kann, weiß auf Schwarz. Für mich die einzige Möglichkeit, Zeitung zu lesen.

Das Tablet ist leicht in der Tasche zu transportieren, es hat eine Tastatur (sie ist auf dem Bildschirm einzublenden, das geschieht automatisch, wenn Eingabe erwartet wird). Wenn man es beim Arzt dabei hat, kann man dem das Tablet geben und er schreibt gerne (kein Vergleich zu Stift und Papier). Zusätzlich kann man eine Funktastatur kaufen. Gespräche werden einfach, auch wenn man kein Genie im Absehen oder im Gebärden ist: Der Hörgeschädigte hat das Tablet vor sich liegen, der andere die Tastatur. Ständiges Rumdrehen ist nicht mehr nötig. Genial.

Das Tablet ist auch ein eBook-Reader, die Bücher kann man im Internet kaufen und laden. Inzwischen erscheinen die meisten Bücher auch als digitale eBooks. Als Reader ist es ideal für Sehbehinderte. Die Buchstaben lassen sich so stark vergrößern, dass auf einer Seite nur ein Satz steht, dazu weiß auf schwarz. Man kann natürlich ins Internet (überall da, wo WLAN ist (es gibt auch Tablets, bei denen man über ein Handynetz überall ins Internet kann). Man kann also auch Emails empfangen und versenden. Oder im Internet surfen. Mit zwei Fingern kann man Inhalte vergrößern oder verkleinern. Man kann Musik hören (und speichern) und Filme sehen.

Viele Tablets haben (wie Smartphones auch) eine recht gute Kamera, die nach vorne und nach hinten fotografiert oder auch Filmaufnahmen macht. Mit der App Team Viewer kann das Tablet bei Konferenzen zugeschaltet werden, etc. die Möglichkeiten der Apps sind nahezu unbegrenzt.

Fazit:

Smartphones und Tablets nähern sich an, die Smartphones werden größer und die Tablets kleiner. Das Tablet ist größer, komfortabler zum Lesen und Tippen. Ich kann allen die Anschaffung eines der Geräte nur empfehlen. Besonders Hörgeschädigten, die nicht sehr gut kommunizieren können, aus welchem Grund auch immer.

Für Sehbehinderte sind die Möglichkeiten, die ein Tablet bietet, genial. Wieder Zeitung und Bücher lesen! Und entspannt Gespräche führen!

Musik erleben mit Hörschädigung? - So geht's

Apps zur Erkennung des aktuellen Liedes

Was ist denn das? Genau, dein Handy hört für dich. Nämlich das Lied was gerade läuft. Nach Betätigen eines Aufnahmebuttons hört es einen kurzen Ausschnitt und sagt dir dann inklusive aller möglicher Informationen (z.B. Interpret, Titel, Album usw.), um was es sich gerade handelt. Manchmal sogar mit dem Liedtext, also quasi wie Karaoke. Beispiele für Apps sind Shazam und Soundhound.

Shazam im AppleStore laden
Shazam bei Google Play laden
Soundhound bei Google Play laden

App: Musixmatch zum automatischen Anzeigen der Lyrics

Mit der Musixmatch App werden zum Beispiel beim Abspielen eines Youtube Musikvideos auf dem Smartphone automatisch und live der Songtext angezeigt. Es funktioniert auch mit anderen musik-abspielenden Apps.

Erhältlich für Android und iphone in den jeweiligen Stores oder unter https://www.musixmatch.com/de

Vibrierender Subwoofer am Handgelenk: das Basslet

Das Basslet, entwickelt vom Berliner Unternehmen LoFelt, ist eine Kombination aus Subwoofer und Armband. Es überträgt hochintensive Vibrationen aufs Handgelenk und macht die Musik so spürbar.
Besonders Menschen mit Resthörvermögen können dadurch, dass sie den Bass spüren können womöglich noch mehr aus dem Musikerlebnis herausholen. Verbindung über Kopfhörerbuchse von Smartphone, Laptop, mp3 player etc.

www.lofelt.com

Kino erleben - so gehts!

Mal wieder ins Kino gehen?

Zu empfehlen ist zunächst die App AbinsKino. Hier kann man über die Einstellungen gezielt nach OmU (Original mit Untertiteln) Versionen in Kinos im Umkreis suchen.

AbInsKino bei AppStore laden
AbInsKino bei Google Play laden

Aber auch wenn es keine OmU Versionen in den Kinos gibt, es gibt noch eine Möglichkeit, Untertitel zu haben:

Immer mehr Kinos bieten die Möglichkeit von Greta&Starks an. Greta ist eine App, mit der sich Untertitel synchron zum Film (der keine eingebetteten Untertitel hat) auf dem Handydisplay anzeigen lassen. Das Handy also die ganze Zeit in der Hand halten? Mitnichten. Mit einer simplen Schwanenhalshalterung für das Handy und das Fesatmachen am Getränkehalter lässt es sich ganz entspannt direkt im Sichtfeld zum Film platzieren und das Kinoerlebnis kann beginnen!

Die Datenbrille von Greta&Starks zum Anzeigen von Untertiteln ist auch bereits auf dem Markt! Untertitel von Kinofilmen lassen sich direkt in die Brille einblenden.

Mehr dazu: http://www.gretaundstarks.de/starks/datenbrille

Kommunikation

Bei Neurofibromatose Typ 2 ist erfahrungsgemäß mit einer Hörminderung bis hin zu einem vollständigen Hörverlust zu rechnen.

Der Zeitpunkt und das Ausmaß des Hörverlustes können individuell stark variieren. Bei einigen tritt der Hörverlust mit Beginn der Pubertät ein oder im Alter von 20 – 30 Jahren. Bei anderen wiederum setzt der Hörverlust später ein. In sehr wenigen Fällen stellt sich kein Hörverlust ein.

Durch die Akustikusneurinome selbst oder eine notwendige Operation an einem Akustikusneurinom kann der Hörnerv so weit beschädigt werden, dass eine schleichende Hörminderung oder plötzliche Ertaubung auf der betreffenden Seite eintreten kann. Bei einer vorliegenden NF2 werden i. d. R. verschiedene Stadien durchlaufen: Von Normalhörigkeit, über Schwerhörigkeit bis hin zur vollständigen Ertaubung.

Welche Möglichkeiten der Kommunikation bleiben derart Betroffenen? Welche anderen Möglichkeiten zur rehabilitativen Behandlung sind empfehlenswert?

Es ist ehr wichtig, bei drohender Schwerhörigkeit oder Ertaubung präventiv zu arbeiten. Das bedeutet, mit Sprachtherapie und Lippenabsehen zu beginnen, wenn das Gehör noch intakt ist.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass nach einer Ertaubung alles zu spät ist. Im Gegenteil!

Wer plötzlich sein Gehör verliert wird zunächst versuchen, Gesprochenes vom Mund abzusehen.

Meistens funktioniert es nicht, alle Gesprächspartner müssen zu Stift und Papier greifen. Das Absehen vom Mund ist von vielen Faktoren abhängig und muss erlernt werden. Es zu lernen gelingt nicht allen Ertaubten und stark Schwerhörigen, und auch die es gut können, verstehen nicht alle Gesprächspartner!

Faktoren für das Gelingen einer Kommunikation durch Absehen:

  • Das Mund Bild des Gegenübers muss gut zu sehen sein:
    • Das Licht muss für den Ertaubten immer von hinten kommen, damit das Gesicht des Gegenübers gut zu sehen ist.
    • Der Gesprächspartner darf keinen Vollbart tragen, keinen Kaugummi kauen, keine Zigarette rauchen.
    • Der Gesprächspartner muss die Zähne auseinander bekommen beim Sprechen, darf keine Endungen verschlucken, keinen Dialekt sprechen, nicht nuscheln (alles das kann man lernen).
    • Beide Gesprächspartner sollten Blickkontakt halten, sich aufmerksam aufeinander konzentrieren.
  • Sprechbegabung und Konzentrationsfähigkeit des Ertaubten sind wichtige Voraussetzungen.
  • Empathie (Fähigkeit zum Mitdenken; was könnte der andere jetzt sagen) ist auch hilfreich.
  • Nähe der Bekanntschaft (die Familienangehörigen kann ein Ertaubter meist am besten verstehen, weil er weiß, was und wie sie sprechen).
  • Gegenseitige Sympathie und Interesse aneinander fördert das Verstehen.

Auch bei optimalen Bedingungen wird aus dem Absehen vom Mund kein Ablesen, das heißt etwa bei abruptem Themenwechsel kann ein Ertaubter nicht mitkommen. Es wird auch immer eine enorme Anstrengung bleiben. Es wird immer Missverständnisse geben, so ist beispielsweise das Wörtchen „nicht“ kaum zu sehen und verändert den Sinn radikal. Ein komplizierter Satzbau oder Fremdwörter sollten nicht verwendet werden.

Und:

Das Absehen ist sehr anstrengend, bei mehreren hörenden Gesprächspartnern ohnehin unmöglich, wenn sie sich nicht alle immer dem Ertaubten zuwenden können. Blickkontakt ist notwendig, damit der hörende Sprecher Kontrolle hat, ob etwas verstanden wurde

Der Ertaubte darf nicht so tun, als hätte er verstanden, wenn er in Wirklichkeit den Faden verloren hat. Bei wichtigen Besprechungen sollte das Absehen nicht die Kommunikationsform der Wahl sein.

Hier hilft ein Schrift- oder Gebärdendolmetscher, worauf ein stark Hörgeschädigter beim Arzt oder bei Bewerbungsgesprächen Anspruch hat. (siehe "Das Recht auf Dolmetschen")

Ertaubten können neben dem Fingeralphabet die Gebärden der Gehörlosen helfen, die Kommunikation wesentlich zu erleichtern – insbesondere auch Gespräche von hörgeschädigten Menschen untereinander. Die Veranstaltung eines privaten Gebärdenkurses ist sehr hilfreich, um das soziale Umfeld zu motivieren, in der Familie, im Freundeskreis oder auch am Arbeitsplatz mit dem Betroffenen mittels Gebärden zu kommunizieren. Durch den häufigen, persönlichen Kontakt kann ein solcher Kurs zudem mehr als ‚nur’ ein Kurs sein. Das Fingeralphabet können Sie sich hier herunterladen.

In Bezug auf die Kommunikation wurden an anderer Stelle bereits auditorische Implantate genannt, die geeignet dazu sein können, den Kontakt zur hörenden Welt zu erhalten.

Auch das Internet bietet heute eine Möglichkeit der barrierefreien Kommunikation, und besonders wichtig ist natürlich das NF2-Forum als eMail-Verteiler unserer Selbsthilfegruppe . Wenn Sie in den Mailverteiler aufgenommen werden wollen, nehmen Sie bitte hier Kontakt mit uns auf:

Beim Finden bzw. Erlernen neuer Kommunikationswege sind in jedem Fall Geduld und Ausdauer wichtig. Humor im Umgang mit kritischen kommunikativen Situationen wie etwa Missverständnissen kann ebenfalls mehr als hilfreich sein.

Eine Zusammenstellung der wichtigsten Tipps für die Kommunikation mit Hörgeschädigten finden sie hier.

Hörschädigung bzw. Ertaubung ist sehr stark von Zukunftsängsten und der Unklarheit über berufliche Möglichkeiten geprägt. Das Ausmaß dessen ist abhängig davon, ob jemand noch zur Schule geht, sich in der Ausbildung befindet, bereits einen Beruf ausübt oder arbeitslos ist. (Drohende) Ertaubung ist aber ja kein endgültiger Zustand, von dem ausgehend die berufliche Zukunft geplant und angegangen werden könnte, sondern der weitere Verlauf ist ungewiss.

Ist der Einstieg in den Beruf schon schwierig, so besteht auch die Angst vor beruflichem Abstieg. Zudem bringt eine Hörschädigung es mit sich, dass bisweilen der Eindruck entsteht der/die Hörgeschädigte könne etwas nicht bewältigen oder sei einer Aufgabe nicht gewachsen - entweder weil die Auswirkungen der Hörschädigung nicht berücksichtigt werden oder weil vieles aufgrund der Hörschädigung scheinbar gar nicht gekonnt werden kann. So kommt es dazu, dass Hörgeschädigte schnell unterschätzt werden. Die Sorge um die berufliche Zukunft, beinhaltet auch die Sorge um die ökonomische Situation (der Familie), die Existenz.

Arbeit ist aber nicht nur Existenzsicherung, sondern es geht genauso darum, etwas zu tun, das den Kontakt zur Außenwelt erhält oder den Hörgeschädigten herausfordert. Arbeit verschafft Anerkennung, bringt ggf. sogar Geld ein und Interesse und Gedanken werden auf anderes gelenkt als nur auf uns selbst.

Als Ertaubter Im alten Beruf verbleiben zu können, kann eine sehr positive Erfahrung sein, die das Selbstbewusstsein stärkt. Aber auch Arbeitsplatzverlust infolge einer Ertaubung bedeutet nicht, dass Ende aller Arbeit. Gerade dadurch wird nicht selten schließlich eine erfüllendere und als sinnvoller empfundene Arbeit gefunden. Hier spielt auch die Hilfe für andere Menschen als Selbsthilfe eine sehr große Rolle.

Auch zu diesem Thema werden wieder zumindest einige Möglichkeiten an Strategien zur Konfliktlösung aufgezeigt

Gebärden lernen/Gebärdenkurse besuchen

  • Berufliche Vorsorge
  • Eventuell Umschulung
  • Erhalt/Erlangung berufl. Tätigkeit gegen Isolation
  • Grenzen im Beruf sich selbst und anderen bewusst machen

Mit Eintreten einer Hörschädigung verändert sich immer auch der Kontakt zu den Mitmenschen. Die Teilhabe am Leben anderer kann sich verringern. Auf Dauer kann sogar der Verlust des Kontaktes zu nahestehenden Menschen drohen, insbesondere die Trennung vom Partner oder der Partnerin.

Ängste und Unsicherheiten werden durch den Verlust von Freunden genährt, und es ist jetzt ungleich schwerer, neue Freunde zu finden. Nicht selten fühlen Hörgeschädigte sich sogar innerhalb der eigenen Familie ausgegrenzt. Die Familie kann also eine sehr wichtige Unterstützung für Hörgeschädigte darstellen, sie kann aber auch sehr viel zu Stress und Konflikten beitragen.

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS)
Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG)

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) wird hauptsächlich von Gehörlosen verwendet und hat eine eigenständige Grammatik, die auf visueller Wahrnehmung beruht. Auch Mimik und Körpersprache sind ein wesentlicher Teil der Grammatik.

Die Deutsche Gebärdensprache ist eine eigenständige und vollwertige Sprache mit regionalen Eigentümlichkeiten wie Dialekten, Idiomen usw. DGS ist ein wichtiger Bestandteil der Gehörlosengemeinschaft und deren Kultur.

Die Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) werden hauptsächlich von lautsprachorientierten Personen, d.h. meist von Schwerhörigen und Spät-Ertaubten verwendet. Anders als DGS, die eine eigenständige Sprache ist, ist LBG eine Kommunikationsform, die an der Lautsprache orientiert ist und mittels Gebärden das Gesprochene begleitend sichtbar macht. Die einzelnen Gebärden der LBG sind zumeist Gebärden aus der DGS.

Oft wird LBG nicht in ‚Reinform’ lautsprachbegleitend verwendet, sondern vielmehr lautsprachunterstützend (LUG), was heißen soll, dass nicht jedes gesprochene Wort gleichzeitig gebärdet wird, sondern nur diejenigen Wörter, die für das inhaltliche Verständnis wichtig sind, um so das Absehen beträchtlich zu erleichtern.

Fingeralphabet

Das Fingeralphabet entspricht den Buchstaben der Schrift und wird sowohl in der DGS als auch in der LBG verwendet. Die Buchstaben werden sichtbar mit einer Hand gebildet. Da es jedoch zu aufwändig wäre, sämtliche Aussagen per Fingeralphabet zu buchstabieren, wird es für Wörter eingesetzt, für die keine Gebärde bekannt ist (z.B. Fremdwörter, Ortsnamen, Personennamen).

Während in der Kommunikation mittels Hörhilfen, Absehen oder Schriftsprache letztlich kaum Barrierefreiheit erreicht werden kann, ist gerade das mit Hilfe von Gebärden oder der Gebärdensprache möglich. Sofern keine gravierende Sehschädigung besteht, ist der Zugang zu dieser Kommunikationsform unbehindert. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Verantwortung für ein Gelingen der Kommunikation auf beide Seiten - die gut hörende und die hörgeschädigte - gleichermaßen verteilt wird.

Das Fingeralphabet können Sie sich hier herunterladen.

Bundesweite angebotene Gebärdensprachkurse sind hier zu finden.

Hier noch ein Tipp, um spielerisch die Gebärdensprache zu üben:

Stadt-Land-Hand, das ultimative Gebärden-Kartenspiel für schlaue Köpfe.

Wer kennt eine Gebärde zum Meer... Klar doch...

Aber auch mit einer der aufgedeckten Handformen?

Wer es am schnellsten erkennt, der gewinnt.... Aber keine Angst, es gibt 30 verschiedene Kategorien, und da bist du dann sicher der Schnellste...

Wer als Erster aus den vorgegebenen Handformen eine passende Gebärde weiß, deckt diese mit seiner Hand zu und produziert die Gebärde.

Während Früh-Schwerhörige und Gehörlose von klein auf durch logopädischen Einsatz die gesprochene Sprache (Lautsprache) künstlich vermittelt bekommen, lernen NF2-Betroffene die Lautsprache auf natürlichem Weg, denn der Hörverlust tritt meist erst nach dem Lautspracherwerb auf.

Obwohl Letztere also das Sprechen beherrschen, kann es sein, dass mit Wegfall des Gehörs das Sprechvermögen nachlässt. Grund hierfür ist das durch den Hörverlust eingetretene Fehlen des wichtigsten Kontrollorgans über die eigene (Aus-) Sprache. Dies kann sich in zwei Richtungen auswirken: zum einen auf die Aufnahme von Sprache und zum anderen auf ihre Wiedergabe.

Eine logopädische Betreuung ist daher außerordentlich wichtig. Unsere Sprache besteht aus Einzellauten, die miteinander verbunden werden und zu Wörtern oder Sätzen zusammengefügt werden. Die Laute sind also die Grundeinheiten jeder Verständigung. Für die Bildung eines Lautes sind, populär gesprochen, drei Faktoren wichtig: die Luftführung, die Stimme und die Mundstellung.

Bei NF2-Betroffenen kann die Artikulation durch eine evtl. auftretende Stimmband- oder Gesichtslähmung (ein- oder beidseitig) infolge eines Tumors beeinträchtigt sein. Werden bei einer Operation die Stimmbänder verletzt oder gelähmt, ist eine richtige Stimmgebung nicht mehr möglich. Aber man kann durch gezieltes Training erreichen, dass ein gesund gebliebenes Stimmband zum Teil die Funktion des anderen mit übernimmt.

Fehler bei der Stimmbildung strengen in der Regel sehr an. Das führt dazu, dass der Betroffene immer leiser spricht oder sogar das Sprechen möglichst vermeidet, so das nötige „Stimmtraining“ immer weniger wird und sich die Stimme dadurch weiter verschlechtert.

Mit unserer Stimme unterscheiden wir aber nicht nur Laute voneinander, sondern wir geben dem Gesagten eine Bedeutung. Allein durch die unterschiedliche Betonung kann ein Satz verschiedene Bedeutungen bekommen. Wenn wir z.B. wütend sind, fangen wir leicht an zu schreien. Wenn wir aufgeregt sind, klettert die Stimme in die Höhe. Wenn wir etwas fragen, aber auch!

Wir erkennen am Tonfall Stimmungslagen: Wut, Ärger, Trauer oder Freude. Ob wir wollen oder nicht, wir teilen unsere Gefühle und Gedanken anderen mittels der Stimme mit. Von Geburt an taube Menschen können sich das nicht vorstellen, Spätertaubte müssen sich erinnern, wie sie eine Frage gehört haben. Schon allein die Vorstellung, wie eine Frage klingt, ist nach der Ertaubung schwer ins Gedächtnis zu rufen, wenn man als Hörender keine bewusste Erfahrung mit Intonation und Satzmelodie gemacht hat.

Noch viel schwieriger ist es, diesen Tonfall selbst wieder zu produzieren. Die Satzmelodie verändert sich also, wenn man sie nicht mehr bei anderen bewusst oder unbewusst wahrnimmt. Die Sprache wird „monoton“, d.h. sie verläuft nicht mehr in Höhen und Tiefen ähnlich einer Kurve, sondern eher in einer Linie, so dass es auf den Zuhörer „ermüdend“ wirkt. Die feinen Differenzen, die das Sprechen normalerweise auszeichnen und auch spannend machen, fallen in dieser Sprechweise weg.

Das Ziel der Sprechpflege ist es daher, besser von anderen verstanden zu werden, etwas dazu zu tun, dass auch andere müheloser, entspannter und besser mit dem Ertaubten kommunizieren können.

Wieder selbst telefonieren: Der Telefon-Dolmetschdienst Tess

Das Telefonieren war noch vor wenigen Jahren für schwer Hörgeschädigte unmöglich – das war eine große Hürde. Man musste immer einen Mitmenschen bitten anzurufen und wusste anschließend nicht genau, was gesprochen worden war.

Seit 2006 gibt es den Telefondolmetschdienst Tess, der Hörgeschädigten das Telefonieren ermöglicht. Es sind eigentlich zwei Dienste: TeSign für die (von Geburt) Gehörlosen, hier wird in Gebärdensprache übersetzt, und TeScript für die Ertaubten und stark Schwerhörigen, hier wird das Gesagte verschriftlicht.

Da Tess unter der Leitung der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten-Selbsthilfe arbeitet, sind der hohe Standard der Dolmetscher und ihre Verschwiegenheit garantiert. Die Finanzierung der Dienste ist langfristig durch einen gesetzlichen Auftrag gesichert.

Und wie funktioniert es?

Der ganze Anruf wird über das Internet abgewickelt, daher braucht man einen schnellen Internet-Anschluss. Dann kann man sich auf der Homepage von Tess anmelden. Dort wird genau beschrieben, wie man vorgehen muss, Wer es allein nicht schafft: Das sehr nette und geduldige Support-Team von Tess hilft bei allen technischen Problemen bei der Installation und im Betrieb.

Mehr Infos zu Tess und den monatlichen Kosten:

Bei beruflicher Nutzung sind die Gebühren etwas höher, werden aber bei Bedarf vom Integrationsamt bzw. dem Arbeitgeber getragen.

Tess-Kunden können auch von Guthörenden angerufen werden. Hierzu muss der hörgeschädigte Kunde online sein, der hörende Anrufer wählt die Servicenummer von TeScript 01805-837788 und sagt, wen es sprechen möchte. Kosten für die Anrufer aus dem Festnetz 0,14 Euro.

Tess bietet seine Dienste an allen Tagen der Woche von 8 bis 23 Uhr an. Manchmal muss man auf einen freien Dolmetscher ein bisschen warten, meistens klappt es sofort. Möglich sind alle Arten von Telefonaten, von der Terminvereinbarung bis zu Liebesschwüren.

Nicht möglich ist es, Tess zum „Ferndolmetschen“ zu nutzen, wenn beide Gesprächspartner sich in einem Raum aufhalten (wie beim Arztgespräch in der Praxis). Hierzu siehe das Angebot von VerbaVoice.

Seit einiger Zeit ist es für Hörgeschädigte mit guter Sprechkompetenz möglich, selbst mit dem Angerufenen zu sprechen. Das heißt bei TeScript „Voice carry over“ oder kurz VCO. Man benötigt ein Headset (Kopfhörer und Mikrofon) und muss bei Gesprächsbeginn VCO anmelden. Man spricht dann ins Mikro und bekommt die Antwort auf dem Bildschirm. Das Tempo bei solchen Gesprächen ist wie bei Anrufen zwischen Guthörenden, da die Schriftmittler bei TeScript sehr schnell tippen können.

Und als „Sahnehäubchen“ kann man Tess bald auch mit Mobiltelefon nutzen! Bei TeSign (Gebärdensprachdolmetschung) ist es schon möglich, für TeScript (Schriftmittlung) ist eine technische Lösung für Smartertaubtephones und iPad in Vorbereitung.

nora – so heißt die bundesweite Notruf-App, die voraussichtlich im Laufe des Jahres 2021verfügbar sein wird. Das NRW-Innenministerium ist die federführende Stelle.

Für die Nutzung der App wird eine vorherige Registrierung notwendig sein, um dem Missbrauch der App vorzubeugen und einen zuverlässigen Betrieb in den Leitstellen sicherzustellen. Dazu müssen der Name und eine gültige Handynummer angegeben werden. Außerdem kann man angeben, ob ein Sprachanruf möglich ist. Auch wenn diese Angabe freiwillig ist, sei sie für die Leitstellen sehr wichtig zu wissen, so das Innenministerium. Dann wisse man, in welchen Fällen man eher den Chat nutzen sollte. Weitere wichtige Informationen können für den Notfall abgespeichert werden.

Mithilfe von Liveuntertiteln in Skype können die Wörter gelesen werden, die während eines Audio- oder Videoanrufs gesprochen werden.

Über die Schaltfläche 'Mehr' können Untertitel aktiviert werden.

Zur dauerhaften Aktivierung von Untertiteln in Skype wählt man das Profilbild aus und geht dort auf Einstellungen. Auswahl Anrufe - Anrufuntertitel: dort gibt es zwei Optionen:

  • Untertitel für alle Aufrufe
  • Untertitel nur für andere Teilnehmer; um die Untertitel für sich selbst nicht anzeigen zu lassen.

Mehr Infos

Tipps für die Kommunikation mit Hörgeschädigten

  • Nähern Sie sich Hörbehinderten nicht von hinten. Sie haben meist kein Richtungsempfinden oder hören Sie nicht kommen. (Schreck)
  • Verständigen Sie sich mit einem Schwerhörigen, Ertaubten oder Gehörlosen zunächst darüber, ob er von Ihrem Mund absehen kann oder ob nur eine schriftliche Kommunikation bzw. besondere Kommunikationsformen (LBG, DGS, Körpersprache) möglich ist.
  • Vermeiden Sie Nebengeräusche
  • Nennen Sie dem Hörbehinderten, besonders in Gesellschaft, gleich das Thema, worüber gesprochen wird, damit er dem Gespräch von Beginn an folgen kann.
  • Sorgen Sie dafür, dass der Hörbehinderte in der Gesellschaft mitreden und mit lachen kann. Beziehen Sie ihn ins Gespräch ein und achten Sie darauf, dass er dem Thema folgen kann. Dadurch vermeiden Sie bei Hörbehinderten Gefühle von Einsamkeit und Isolation. Einsamkeit und Verlassenheit in der Gruppe tut mehr weh, als allein in einem Zimmer zu sein.
  • Beachten Sie, dass in einer Gesellschaft nicht alle Leute gleichzeitig und durcheinander sprechen sollten. Halten Sie eine Gesprächsdisziplin ein, bei der ein Sprecher nach dem anderen zu Wort kommt.
  • Wichtig fürs Lippenabsehen ist selbstverständlich, dass Sie stets den Blickkontakt beibehalten und für gute Lichtverhältnisse sorgen. Ihr Mund muss im Licht deutlich zu erkennen sein.
  • Sprechen Sie langsam, deutlich und ruhig und nie mit Zigarette oder Kaugummi im Mund. Schreien Sie nicht, da dies die Sprache nur verzerrt und zudem den Hörgeschädigten einschüchtert.
  • Hat ein Hörgeschädigter auch nach Wiederholung nicht verstanden, versuchen Sie, den Begriff anders zu umschreiben. Sprechen Sie in möglichst kurzen Sätzen und vermeiden Sie Verschachtelungen oder Fremdwörter
  • Lachen Sie den hörbehinderten Gesprächspartner nicht aus, wenn er falsche Antworten gibt oder falsch verstanden hat. Sagen Sie aber ruhig, was Sie als komisch empfunden haben.
  • Wenn der Hörbehinderte müde wird und nicht mehr dem Gespräch folgen kann, zeigen Sie dafür Verständnis. Hören und Mundablesen verlangen höchste Konzentration und führen schneller zur Ermüdung als beim Normalhörenden.

Für die Verständigung weiterhin nützlich ist das Fingeralphabet

Genauso wichtig ist es umgekehrt allerdings auch, zu wissen, wie man sich als Hörgeschädigter selber zu verhalten hat:

  • Weisen Sie Ihren Gesprächspartner auf Ihre Hörbehinderung hin, damit er weiß, dass er deutlich und zu Ihnen hingewendet sprechen muss. Erklären Sie ihm, dass es nicht notwendig ist, überlaut zu sprechen oder gar zu schreien.
  • Verstecken Sie Ihr Hörgerät nicht. Tragen Sie es immer und sichtbar. Wenn Sie merken, dass die Lautstärke nicht ausreicht, kontrollieren Sie erst, ob Ihr Hörgerät richtig eingestellt ist oder ob eine neue Batterie eingesetzt werden muss.
  • Achten Sie aufmerksam darauf, dass der Mund bzw. das Gesicht des Gesprächspartners sichtbar bleibt. Bitten Sie ihn notfalls, sich so zu wenden, dass das Gesicht im Licht deutlich bleibt.
  • Geben Sie ein Beispiel und sprechen Sie selbst ruhig und deutlich.
  • Bleiben Sie geduldig und bitten Sie den anderen freundlich um Wiederholung, wenn Sie nichts verstanden haben. Täuschen Sie nicht vor, verstanden zu haben, wenn dies nicht der Fall ist.
  • Genieren Sie sich nicht, zu bekennen, etwas falsch verstanden zu haben. Tragen Sie es mit Humor und sagen Sie Ihrem Partner, was Sie verstanden haben.
  • Versuchen Sie, sich in einer Gesellschaft neben einen Teilnehmer zu setzen, der deutlich spricht und Sie über das Gesprächsthema informiert.
  • Versuchen Sie, Ihre gute Laune zu bewahren, auch wenn Sie manchmal nicht mitreden können.
  • Wenn Anstrengung, Ermüdung oder das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, Sie bedrücken, so machen Sie Ihre Partner freundlich darauf aufmerksam. Laufen Sie nicht einfach weg. Das ruft Verwunderung hervor und bessert nichts.

Ausführlichere Infos von :

Dr. med. Roland Zeh

Kaiserbergklinik

Fachklinik für Hörstörungen, Tinnitus und Schwindel
Am Kaiserberg 8-10
61231 Bad Nauheim
Tel.: 06032 / 9192-22
Fax: 06032 / 9192-24

In vielen Situationen müssen Hörgeschädigte mit (fremden) Hörenden kommunizieren. Wenn sie zum Arzt gehen, zu Ämtern und anderen staatlichen Stellen müssen, oder auch bei der Arbeit oder der Ausbildung zusammen mit Hörenden.

Hörgeschädigte haben in diesen Situationen einen Rechtsanspruch darauf, das Gesagte sofort selbst zu verstehen

Bei (von Geburt an) Gehörlosen, die meist die Lautsprache nicht gut beherrschen, wird
das in der Regel durch einen Gebärdensprachdolmetscher sichergestellt.

Bei Ertaubten (die meist die Gebärdensprache nicht gut beherrschen) können professionelle Schriftmittler eingesetzt werden, es kann aber in manchen Fällen (z.B. in Ämtern) auch selbst geschrieben werden. Wenn Ertaubte Gebärden beherrschen, können sie auch Gebärdendolmetscher etwa zum Arzt mitnehmen.

Staatliche Stellen und Ämter

Für staatliche Stellen (Polizei, Behörden, Sozialberatung) gilt, dass die Behörde für die Informationsübermittlung sorgen muss.
Je nach persönlichen Bedürfnissen der Hörgeschädigten kann das ein Gebärdensprachdolmetscher sicher stellen; bei Ertaubten wird meist geschrieben, selbst einen Dolmetscher mitbringen darf der Hörgeschädigte nicht (außer er bezahlt ihn selbst).

Wer einen hörenden Angehörigen mitnimmt, darf sich nicht wundern, wenn alles an ihm vorbei geht. Es hängt davon ab, wie wichtig es dem Hörgeschädigten ist, selbst zu verstehen.

Gesundheitsbereich

Bei Arztbesuchen ist die Sache anders. Hier haben Hörgeschädigte ein Recht, ihren Dolmetscher mitzubringen, die Krankenkasse muss es bezahlen. Dafür muss der Betroffene einmal am Anfang einen Antrag bei seiner Krankenkasse stellen. Bei vollständig Ertaubten ist das nur eine Formalität, bei an Taubheit grenzend Schwerhörigen kann es länger dauern.
Wenn dieser Antrag genehmigt ist (Ertaubte haben darauf ein Recht!), muss sich der Hörgeschädigte für jeden Arztbesuch selbst einen für ihn passenden Dolmetscher suchen und ihn buchen.
Es ist weniger kompliziert als es sich liest, die Dolmetscher bringen alles mit, die Vermittlungsstellen helfen.

Ein großes Problem sind Visiten im Krankenhaus. Im Grunde gilt auch hier das Recht auf Dolmetscher, aber die Krankenkassen finanzieren es nicht und die Krankenhäuser auch nicht. Es wäre auch schwer zu realisieren, denn die Visiten haben keine festen Termine.
Aber auch hier muss man darauf bestehen, dass man alles versteht, es muss geschrieben werden.

Arbeitsleben

Im Arbeitsleben haben schwerst Hörgeschädigte einen Rechtsanspruch auf die Finanzierung von Dolmetschern (Gebärden- oder Schreibdolmetschern), wenn sie für ihre Arbeit kommunizieren müssen. Zum Beispiel bei Teambesprechungen oder Außenterminen.
Der Arbeitgeber muss beim Integrationsamt den Antrag stellen, entweder für einzelne Dolmetschtermine (z.B. Schulungen), oder aber auf ein persönliches Budget, das der Hörgeschädigte selbst verwalten kann. Das Budget muss in einem Verhältnis zum Einkommen stehen und der Hörgeschädigte muss eine wöchentliche Mindeststundenzahl von 15 Stunden arbeiten.

Berufsausbildung und Studium

In der Berufsausbildung, bei Bewerbungsgesprächen und bei der Arbeitsberatung bezahlt das Integrationsamt die für den Hörgeschädigten passenden Dolmetscher.

Im Studium gilt ebenfalls ein Rechtsanspruch auf Dolmetschung der eigenen Wahl. Dabei gibt es keine Einschränkung in der Wahl des Studienfachs oder der Hochschule – theoretisch.
Es ist jedoch von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich organisiert, am besten man informiert sich vorher beim Behindertenbeauftragten der jeweiligen Hochschule. Und auch bei der BHSA, der Organisation der hörgeschädigten Studenten und Absolventen

Kultur und Gesellschaft

Zunehmend werden auch bei Stadtführungen, Ausstellungen und anderen kulturellen Events besondere Führungen für Hörgeschädigte mit Gebärdensprachdolmetschern angeboten.

Auch Veranstaltungen werden immer öfter auch Hörgeschädigten zugänglich gemacht durch Gebärdendolmetschung oder Schriftmittler.

VerbaVoice ist ein Übersetzungsdienst für Hörgeschädigte mit Sitz in München, der über Mikrofon und Internet von überall mobil genutzt werden kann.

Die gesprochene Sprache wird wahlweise in Schrift oder in Gebärdensprache umgewandelt. Die Übertragung ist live. Hörgeschädigte Menschen können also mitlesen und damit aktiv am Geschehen teilnehmen.

Die Sprecher (Dozent, Kollege, Anwalt, usw.) sprechen in ein Mikrofon. Über das Internet bzw. Handynetz wird das Gesprochene zu einem Schriftdolmetscher gesendet. Der Dolmetscher produziert einen Text und schickt diesen über das System zurück auf den Bildschirm. All dies geschieht in schnellster Zeit sodass nur kleine Verzögerungen bemerkbar sind.

Das A & O bei VerbaVoice ist ein Gerät mit Internetzugang und ein Mikrofon, beispielsweise ein Laptop oder Tablet. Smartphone Bildschirme sind oft zu klein aber eine gute Alternative. Je nach Gerät wird einem nach Anmeldung bei VerbaVoice gezeigt wie man es handhabt.

VerbaVoice ersetzt einen persönlich anwesenden Dolmetscher. Die Voraussetzungen für die Nutzung von Ferndolmetschern von VerbaVoice sind genau wie bei den „Live-Dolmetschern“ vor Ort: man muss einen Kostenträger haben und man muss die Dolmetschzeit angeben.

Letzteres könnte die Nutzung dieses Service bei Arztgesprächen erschweren. Da man den gesamten Zeitraum anmelden muss und nie genau sagen kann, wann man in Arztpraxen drankommt, bzw. im Krankenhaus die Visite kommt, ist es in dieser Hinsicht noch nicht 100% praxistauglich.

Ein Erfahrungsbericht

Fabian: Ich nutze den Dienst von VerbaVoice derzeit nur beruflich, privat noch nicht, das kommt aber bestimmt bald.
Die Beauftragung klappt super, entweder per Mail oder auch WhatsApp, wenn man die Handy-Nr. des Ansprechpartners hat, als auch mit dem Auftragsformular im Internet. Das ist aber noch ausbaufähig.
Einmal reichte sogar ein Vorlauf von nur 4 Stunden, es sollten aber besser mehrere Arbeitstage sein.

Die Dolmetscher sind auch relativ flexibel, wenn sie nicht grade einen zeitgenauen Folgetermin haben. So ist es normalerweise kein Problem, wenn aus einer geplanten Stunde auch mal 1,5h werden.
Die Qualität kann ich für mich nur als gut bezeichnen, trotz des ganzen Fachchinesisch bleibt es verständlich, ich weiß ja worum es geht :-). Klar ist aber auch, dass ein Schriftdolmetscher das gesprochene Wort immer etwas hinterher hängt, so dass es dadurch zu einer kleinen Verzögerung kommt.

Wenn es Probleme gibt, und die gibt es leider immer mal wieder, liegt das aber ausschließlich an der Technik. Entweder ist das Netz nicht stabil genug oder, wie es jetzt grade beim letzten Meeting passiert ist, das externe Mikro (das am Laptop angeschlossen ist) überträgt kein Signal zum Server.

Wir konnten in dem Fall das Problem aber schnell kompensieren, indem ich mit dem iPhone App eine Verbindung aufgebaut habe. Der Dolmetscher hörte dann was gesagt wurde über das iPhone und ich konnte es in gewohnter Größe am Laptop mitlesen. War klasse!

Und was natürlich wichtig ist: Gesprächsdiziplin! Also nicht ins Wort fallen und durcheinander reden, sonst ist das Ganze nicht zu verschriftlichen. Meistens klappt es, und wenn es manchmal zu bunt wird muss mal auch mal laut STOP sagen und alle Beteiligten wieder drauf hinweisen. Dann geht es auch:-).

Auf Seminaren hatte ich VerbaVoice auch schon zweimal dieses Jahr über jeweils eine Woche im Einsatz und war mehr als zufrieden. Denn man kann auch mal etwas "nachlesen" wenn man mal kurz raus war.

Eine Herausforderung bleibt aber immer die technische Ausstattung: einmal das Netz, wie man angebunden ist und zum zweiten die Mikros. Letztere bekomme ich problemlos von VerbaVoice zugeschickt nur das Netz selbst macht manchmal Zicken. Aber mit zunehmender guter UMTS Netzabdeckung wird das bald auch in Kleinkleckersdorf bestens mittels iPhone&Co funktionieren. Und dann ist es auch für mich an der Zeit, den Dienst mal beim Arzt zu nutzen.

Mehr Infos zu VerbaVoice

Lippenablesen und Sprachpflege und Hörtraining für NF2-Patienten

(Von Angela Diehl, Hörgeschädigten-Sprachtherapeutin)

Eine Verbesserung der Lebensqualität, eine Hilfe zur Selbsthilfe, ein neuer Einstieg in die Kommunikation – das sind alles große Worte. Die Wünsche der NF2-Patienten sind jedoch viel einfacher zu beschreiben: Sie möchten besser verstehen und besser verstanden werden. Dazu können sie selbst eine ganze Menge tun. Leider ist der Weg dahin nicht ohne Anstrengung zu haben, auf der anderen Seite kann es aber sogar Spaß machen, die Kommunikationsfähigkeit erlebbar zu verbessern.

Das Problem: Die gestörte Kommunikationssituation

NF2-Betroffene sind generell von Ertaubung bedroht. Manche sind bereits vollständig taub, andere mehr oder weniger schwerhörig. Was das praktisch alles bedeutet, wissen die Betroffenen selbst am besten, können aber oft nicht gut genug damit umgehen. Ihr normal hörendes Umfeld hat keine Vorstellung davon, wie es ist, wenn man Sprache wenig oder gar nicht mehr versteht. Beides führt dazu, dass sich beide Seiten in der Kommunikationssituation ungewollt wechselseitig behindern. Um mit dem Umfeld anzufangen: Den wenigsten Menschen ist klar, wie sehr diese „unsichtbare Behinderung“ namens Hörverlust das Leben eines vormals hörenden Menschen verändert, wie die Schwierigkeiten der Kommunikation mit anderen alles, was bislang zu den gewöhnlichen Verrichtungen des Alltags und Berufslebens gehört hat, zu einem Hindernislauf machen und vor allem, wie sich sogar die Privatsphäre entwickelt, engere Bindungen entstehen, aber auch Kontakte die weniger werden oder ganz Abbrechen, weil die Kommunikation mühsamer geworden ist. Die geduldige Erläuterung der Situation eines spätertaubten oder schwerhörigen Menschen ist daher für seine Mitmenschen sehr wichtig und vernünftig. Die Beschreibung der konkreten Schwierigkeiten „öffnet“ auch dem uninformierten Gesprächspartner „die Augen“, macht ihm also klar, wo die Probleme liegen, wenn er sich beim Sprechen abwendet, so dass sein Mundbild nicht zu sehen ist, wenn er im dröhnenden Autoverkehr vor sich hin murmelt und wenn er seinen schwerhörigen Angehörigen von weitem und von hinten anruft.

Mit einer solchen Erklärung und der damit verbundenen Werbung um mehr Verständnis ist aber noch nicht alles geleistet. Manchmal führt ein Hinweis auf die Situation eines Hörgeschädigten sogar zu Reaktionen, die kontraproduktiv sind: Die wohlmeinend hilfreichen Mitmenschen werden z.B. unnötig laut und machen damit ein Verstehen eher schwieriger. Gut verständlich dagegen ist langsames und vor allem deutliches Sprechen, aber auch wiederum keine überdeutliche Artikulation. Es kann für die Hörgeschädigten sehr hilfreich sein, ihre Gesprächspartner zu "erziehen", ihnen also Verhaltensweisen nahezubringen, wie die Kommunikationsfähigkeit trotz Hörverlusts aufrechterhalten bleiben kann. Wer auf Verständnis trifft, kann seinen Mitmenschen viele Tipps dazu geben, wie unverständliche Gesprächsformen und Sprechgewohnheiten vermieden werden können. Eine ganz andere Sache ist die Entscheidung, rechtzeitig und vorbeugend ein Hörsprachtraining mit Lippenablesen in Angriff zu nehmen. Der Betroffene kann nämlich nicht nur sein Umfeld positiv beeinflussen, er hat es auch selbst in der Hand, seine Kommunikationsfähigkeit zu erweitern.

Man kann sehr viel tun, um die Verständigung, auf die es letztendlich ankommt, zu erleichtern und zu verbessern und sich damit auch das Leben in der sprechenden Umwelt um einiges leichter zu machen. Was man tun kann, soll deshalb in den folgenden drei Kapiteln erläutert werden. Nicht in Form von guten Ratschlägen – davon bekommt man ja sowieso meist genug. Stattdessen soll der Versuch gemacht werden, den Zusammenhang von Sprechen und Hören ein wenig zu verdeutlichen, sodass jeder für sich daraus die Schlüsse ziehen kann, die auf sein spezielles Verständigungsproblem zutreffen. Gezeigt werden soll auch, wie wichtig es ist, bei drohender Schwerhörigkeit oder Ertaubung präventiv zu arbeiten. Das bedeutet eben auch, mit Hörsprachtherapie und Lippenabsehen möglichst dann zu beginnen, wenn das Gehör noch intakt ist.

Erstes Kapitel:

Was kann eine Stimm- und Sprachpflege für den NF2-Patienten leisten?

Gut hörende Menschen lernen die Muttersprache durch Imitation. Kinder hören, was und wie die Mutter oder der Vater spricht, und sprechen das Gehörte nach. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass es selbstverständlich ist, als Kind die Muttersprache zu erlernen und zu sprechen, lange bevor man die erste Grammatikregel lernt. Bis auf die Leute, die sich beruflich mit Sprache befassen, weiß niemand, wie man ein [a] spricht - man spricht es, weil man es hört und man spricht es, wie man es hört. Wir lernen die Sprache jedoch nicht nur über das Hören, wir kontrollieren sie auch mit dem Gehör und wir passen unsere Sprache unserer Umgebung an. Wenn man einen stillen Raum betritt, senkt man automatisch seine Stimme, man spricht leiser oder flüstert sogar. Dieses Phänomen kennen die Meisten. Wenn man z.B. eine Kirche betritt, spricht man drinnen leiser als draußen vor dem Portal. Aber weniger bekannt ist, dass man auch tiefer spricht, dass man in diesen Situationen tatsächlich seine Stimme absenkt. Auf einer stark befahrenen Straße spricht man automatisch lauter. Wenn man sich durch Lärm bedingt selber nicht richtig hört, korrigiert man die Lautstärke entsprechend. Wenn nun aber diese Selbstkontrolle über das Gehör nicht mehr stattfinden kann, weil man sich nicht mehr hört, oder wenn die Kontrolle nur noch eingeschränkt stattfindet, weil man nicht mehr alles hört, dann verschlechtert sich in der Regel auch die Sprache. Es gibt also etwas wie eine gewohnheitsmäßige Verfestigung von Sprachmustern bei jedem Sprecher. Das ist Segen und Fluch zugleich: Es verweist auf das Moment der Übung, die mit jedem Sprechakt automatisch verbunden ist. Man muss demnach beim Sprechen nicht jedes Mal neu beginnen, sondern baut auf dem eigenen Erfahrungsschatz auf. Deshalb sind Sprachverbesserungen möglich und durch Übung auch haltbar zu machen. Das ist der Segen. Der Fluch ist das bleibende Handicap der Hörgeschädigten, die mangelnde automatische Selbstkontrolle: Einmal erworbene Sprechfehler, die nicht bemerkt werden, weil man sie gar nicht hört, verfestigen sich und sind, wenn sie nicht korrigiert werden, später nur schwer wieder rückgängig zu machen. Die einzige Möglichkeit für hörbehinderte SprecherInnen ist es daher, sich über die Sprache und über das eigene Sprechen Klarheit zu verschaffen, um den Hörverlust und damit auch den Kontrollverlust nach Möglichkeit kompensieren zu können.

Sprechprobleme bei Schwerhörigen oder Ertaubten

Die Veränderungen der Sprache, die entstehen können, wenn die auditive Kontrolle mangelhaft ist, sind vielfältig, lassen sich jedoch immer auf wenige wichtige Momente beim Sprechen, die jeder an sich selbst überprüfen kann zurückführen.

Luftführung und Zungenstellung

Diese beiden Artikulationsmomente sind besonders wichtig bei den stimmlosen Lauten wie zum Beispiel [f] und [s]. Man hört bei diesen Lauten nur die Reibung der Luft. Der Luftstrom wird geformt und je nach Zungen-, Zahn- und Lippenstellung verschieden an die Zähne geleitet und dort gebrochen. Dabei kommt es darauf an, dass alle beteiligten Sprechwerkzeuge (z.B. Zunge, Lippen, Kiefer) richtig zusammenarbeiten. Die Veränderungen, die dabei entstehen können, kann man selbst ausprobieren, wenn man ein [s] spricht und dabei nur ein wenig mit der Zunge spielt. Wird die Zunge auch nur ein bisschen nach hinten verschoben, ist ein „sch“ oder „ch“ zu hören. Wenn man es selbst nicht hört, muss eine zweite Person als hörende Testperson her. Viele Menschen, die eine leichte Altersschwerhörigkeit haben, können diese feinen Unterschiede nicht mehr wahrnehmen. Das [s] ist besonders problematisch. Bei Patienten, die im Hochtonbereich Hörprobleme haben, verschlechtert es sich häufig. Ein Beispiel dafür ist eine veränderte Zungenstellung: Wenn die Zungenspitze nur leicht an den vorderen Schneidezähnen anstößt, erklingt das [s] „gelispelt“. Oft verändert sich auch die Stärke des Luftstroms. Die Luftreibung wird schwach, so dass diese Laute im Verhältnis zu den stimmhaften Lauten zu leise gesprochen werden und so im Wort „untergehen“. Die Stellung der Zunge ist aber auch bei den stimmhaften Lauten sehr wichtig. Die Lautunterscheidung zwischen [o] und [ö], [u] und [ü] ist dafür ein gutes Beispiel. Wird die Zunge nicht genug oder nicht im richtigen Winkel angehoben, so klingen die Umlaute verwaschen oder verschwinden ganz. In den meisten Fällen finden solche Veränderungen relativ unmerklich statt. Die Sprechpartner, die täglich um einen sind, merken oft gar nicht, dass sich etwas verändert, weil man sich „einhört“ und den Freund oder Ehepartner nach wie vor versteht. Sie fragen allenfalls häufiger nach oder beschweren sich auch mal über „schlampige Aussprache“. Fremde Gesprächspartner dagegen haben unter Umständen große Schwierigkeiten, den Sprecher noch gut zu verstehen, geben aber in der Regel schon aus Höflichkeit keine Rückmeldung. Meist fällt es dem Schwerhörigen selbst auf, dass nicht nur er selbst oft nachfragen muss, weil er etwas nicht oder nicht gut verstanden hat, sondern dass auch die Gesprächspartner anscheinend Verständnisprobleme haben.

Die Stimmgebung

Die Stimmproduktion ist bei NF2-Betroffenen ein besonderes Problem. Viele von ihnen klagen über Stimmermüdung oder Heiserkeit. Wenn bei einer Operation die Stimmbänder verletzt oder gelähmt werden, ist eine richtige Stimmgebung gar nicht mehr ohne weiteres möglich. Aber man kann durch gezieltes Training Verbesserungen erzielen, ja sogar erreichen, dass ein gesund gebliebenes Stimmband zum Teil die Funktion des anderen mit übernimmt. Wie ein Sportler seine Muskeln trainieren kann und muss, so kann auch ein Sänger seine Stimmbänder trainieren. Nun sollen Hörgeschädigte ja keine Opern singen, aber sie können von den Erfahrungen der Profis durchaus profitieren. Eine weiche „angenehme“ Stimme ist nun einmal auch besser verständlich und vor allem auch für den Sprecher selber wohltuender als eine „kratzige“ Stimme mit hohen Luftanteilen. Fehler bei der Stimmbildung strengen in der Regel sehr an. Das führt dann auch dazu, dass man immer leiser spricht oder sogar das Sprechen möglichst vermeidet - und so das nötige „Stimmtraining“ immer weniger wird und sich die Stimme dadurch weiter verschlechtert – ein Teufelskreis, den es unbedingt zu vermeiden gilt.

Stimmlage und Tonhöhe

Mit der Stimme unterscheidet der Sprecher aber nicht nur Laute voneinander. Man gibt dem Gesagten eine Bedeutung. Das kennt auch jeder aus eigener Erfahrung, von sich und anderen: Wenn man wütend ist, fängt man leicht an zu schreien. Wenn man aufgeregt ist, klettert die Stimme automatisch in die Höhe, aber auch bei einer Frage. Menschen geben anderen durch ihre „Stimmung“ ihre Gefühle zu erkennen und sie erkennen selbst auch am Tonfall Stimmungslagen: Wut, Ärger, Trauer oder Freude. Ob man will oder nicht, Gefühle und Gedanken werden anderen mittels der Variationen mitgeteilt, die die menschliche Stimme bietet. Von Geburt an taube Menschen können sich das nicht vorstellen und können es deshalb auch nicht gut nachempfinden und in ihre Sprache aufnehmen, Spätertaubte müssen sich erinnern, wie es sich angehört hat, wenn ihnen zum Beispiel eine Frage gestellt wurde. Schon allein die Vorstellung, wie eine Frage klingt, ist nach der Ertaubung schwer ins Gedächtnis zu rufen, wenn man als (noch) Hörender keine bewusste Erfahrung mit Intonation und Satzmelodie gemacht hat. Noch viel schwieriger ist es, diesen Tonfall selbst wieder zu produzieren. Wenn man es nicht mehr hört, kann man ja auch nicht einfach die Beispielfrage imitieren, die der wohlmeinende Therapeut einem vorspricht. Die Aufforderung: „Heben Sie die Stimme an!“ ist für guthörende Menschen kein Problem. Auch wenn sie keinerlei Erfahrungen mit Musik und Tönen haben, können sie tiefe und hohe Töne produzieren, wenn man es ihnen vormacht. Für einen ertaubten Menschen ist das nur dann einigermaßen nachvollziehbar, wenn er noch als Hörender Erfahrungen mit der eigenen Stimme gemacht hat, also bewusst mit seiner Stimme umzugehen gelernt hat. Gerade deshalb ist eine präventive Sprach- und Stimmpflege so wichtig. Wer damit rechnen muss, dass eine Taubheit eintreten könnte, sollte rechtzeitig Vorsorge treffen, um die eigenen Sprachfertigkeiten zu sichern. Wort- und Satzbetonung Jeder gesprochene Satz hat eine Melodie, wie ein Lied. Dialekte unterscheiden sich nicht nur durch die Aussprache einzelner Wörter, sondern auch durch eine ganz eigene Satzmelodie. So erkennt zum Beispiel ein Deutscher einen Schweizer zuallererst daran, wie er „singt“, noch lange bevor er Differenzen bei den Einzellauten bemerkt. Diese Satzmelodie verändert sich, wenn man sie nicht mehr bei sich und anderen (bewusst oder unbewusst) wahrnimmt. Die Sprache wird „monoton“, d.h. sie verläuft nicht mehr in Höhen und Tiefen ähnlich einer Kurve, sondern eher in einer Linie — so dass sie auf den Zuhörer „ermüdend“ wirkt. Die feinen Differenzen, die das Sprechen auszeichnen, fallen in dieser Sprechweise weg. Dabei ist eine lebhafte Spreche wichtig für das Verstehen. Allein durch die unterschiedliche Betonung kann ein Satz verschiedene Bedeutungen bekommen, wie das folgende Beispiel mit den Hervorhebungen in der Schrift zeigt:

  • Hast du mich verstanden?
  • Hast du mich verstanden?
  • Hast du mich verstanden?

Wer sich mit Sprache auskennt, kann auch besser sprechen

Schwerhörige oder ertaubte SprecherInnen sind nicht oder nur begrenzt in der Lage, die Defizite, die eine geringe Stimmgebung, eine fehlerhafte Luftführung oder Zungenstellung, eine zu hohe oder zu tiefe Stimmlage oder eine mangelhafte Betonung in der Aussprache verursacht, allein zu korrigieren. Je früher sich ein Betroffener um professionelle Hilfe bemüht, desto besser. Das Ziel einer Sprachpflege ist es immer, dass die hörbehinderte Person besser von anderen verstanden wird. Dazu muss sie wissen, was sie selbst tun kann, damit andere müheloser, entspannter und besser mit ihr kommunizieren können. Sie schafft dadurch für seine GesprächspartnerInnen eine angenehme Atmosphäre, ein Gesprächsklima, in dem sich beide, SprecherIn und AnsprechpartnerIn, wohlfühlen können. Die andere Seite in diesem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis von Sprechen und Hören ist es, dass man als hörgeschädigte Person die Gesprächspartner besser verstehen können soll. Davon handelt des nächste Kapitel.

Zweites Kapitel:

Absehen oder Lippenablesen ist eine Kunst, die jeder erlernen kann

Kann man denn „von den Lippen ablesen“? So einfach ist es leider nicht. Man kann nicht von den Lippen lesen, als habe man ein Buch vor sich. Eigentlich ist das auch unschwer einzusehen. Unsere Sprache spielt sich ja nun einmal nicht nur auf den Lippen ab. Die erste und wichtigste Einsicht ist deshalb: Man kann nur dort etwas „absehen“, wo es etwas zum Absehen gibt.

Das richtige Umfeld herstellen

Das betrifft erstens die Verhältnisse, in denen sich der Sprecher und der Absehende befinden. Wenn der Sprecher oder die Sprecherin so positioniert ist, dass das Licht auf das Gesicht fällt, kann man die Gesichtszüge relativ genau erkennen. Sobald die Person ihren Standort wechselt und beispielsweise zum Fenster geht, ist das Gesicht im Schatten und man sieht den Mund nur noch sehr undeutlich. Ähnlich ist es, wenn der Sprecher zu weit entfernt steht oder einen von der Seite anspricht. Zweitens sind alle Umstände störend, die das Mundbild verdecken, wie z. B. ein Bart oder wenn jemand während des Sprechens raucht. Drittens sprechen viele Leute so, dass sie die „Zähne nicht auseinander bekommen“, sie zeigen Ihrem Gegenüber nicht, was sich hinter den Zähnen abspielt - und das ist eine ganze Menge.

Diese Umstände kann man für sich selbst verbessern, indem man seine Gesprächspartner „erzieht“. Wenn man ihnen erklärt, dass man darauf angewiesen ist, vom Mund abzusehen und dass deutliches Sprechen hilfreich ist, sind viele Gesprächspartner sogar dankbar für diesen Hinweis. Aber, und das wissen die meisten Schwerhörigen aus eigener Erfahrung, auch wenn die Einsicht vorhanden ist, haben die Bemühungen der so angesprochenen Gesprächsteilnehmer ihre Grenzen. Vor allem muss man damit rechnen, dass ein „schlampiger“ Sprecher sich in den seltensten Fällen wirklich umstellen kann.

Was bedeutet „Absehen“?

Aber - und darauf kommt es vor allem an - selbst wenn alle Bedingungen optimal sind und der Sprecher ein sehr gutes Mundbild hat: Man kann von den Lippen nicht „lesen“. In der wissenschaftlichen Literatur findet sich immer wieder die Behauptung, dass 9-12 Laute gut absehbar seien, und das wäre ja bei 26 Lauten schon eine ganze Menge. Aber das ist leider nicht ganz richtig. Im Zuge der langjährigen theoretischen und praktischen Erfahrung mit dem Absehen in unserer Institution hat sich herausgestellt, dass es tatsächlich keinen einzigen Laut gibt, den man eindeutig erkennen kann. Soviel zu den Grenzen des Absehens, die man sich und vor allem auch anderen bewusst machen sollte.

Nun aber zu den Chancen und Möglichkeiten, die das Erlernen bzw. Verbessern der Absehfähigkeit bietet. Wenn man die Mundbewegungen seiner Gesprächspartner verfolgt, kann man sehr viel erkennen. Man muss nur lernen, die Informationen, die einem geboten werden, richtig zu deuten. Damit ist die Theorie des Absehens angesprochen. Es geht um „Mundbildgleichheiten“ und die dadurch existierenden „Verwechslungsmöglichkeiten“ der Laute. Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass ein Mundbild verschiedenen Lauten zugeordnet werden kann. Wenn man sieht, dass sich der Mund schließt, dann kann das bedeuten, dass der Gesprächspartner ein [m] spricht. Es kann aber, wie bereits beschrieben, ebenso ein [b] oder ein [p] sein. Oder es kann sich um eine Sprechpause handeln - der andere schließt einfach den Mund und hält ihn für einen Moment. Wenn man diese Möglichkeiten kennt, kann man auch mit diesem Wissen umgehen. Man baut diese Erkenntnis in seine Absehpraxis ein, und dann sieht man das Wort „Mutter“ und weiß gleichzeitig, dass es sich vielleicht auch um „Butter“ handeln könnte.

An dieser Stelle gibt es häufig den Einwand: „Was soll denn die ganze Theorie! Es gibt doch so viele Verwechslungsmöglichkeiten, und bis ich überlegt habe, welche davon in der speziellen Gesprächssituation in Frage kommen, ist nicht nur das Wort, sondern schon der ganze Satz vorbei. Das dauert doch viel zu lange.“ Aber das stimmt so nicht. Man braucht sich nur einmal daran zu erinnern, wie man das Autofahren gelernt hat. Was musste man sich alles einprägen! Erst Schlüssel ins Schloss stecken, dann umdrehen, danach Gas geben (wo? der Hebel rechts oder links?) , anschließend Kupplung treten und Gang einlegen... Und heute? Die richtige Abfolge beim Starten ist einem zur Gewohnheit geworden. Man macht automatisch all die Schritte, die man sich zuvor mühsam merken musste und hat den Kopf frei für anderes.

Das Übungsziel: Absehfähigkeit

So ähnlich verhält es sich auch mit dem Absehen. Man lernt Schritt für Schritt die Theorie, und das Ziel ist es, dass man die Verwechslungen „im Schlaf“ beherrscht. Man sieht dann nicht mehr ein [b], sondern einen Vertreter der „bilabialen Reihe“, alle Möglichkeiten sind einem präsent, sind als mögliche Lösungen verfügbar. Man legt sich nicht vorab auf eine Bedeutung fest, und das bedeutet eben auch, dass man nicht mehr auf einem Laut „sitzenbleibt“ und verzweifelt nach einem Wort mit [b] sucht, wenn der Gesprächspartner über den „Mann“ spricht. Man ergänzt im Idealfall den richtigen Laut, das [m], entsprechend dem Zusammenhang, in dem das Wort steht. Natürlich genügt es für diese Fertigkeit, die „Kombinationsfähigkeit“ genannt wird, nicht, die Theorie zu erlernen. Man kann noch nicht die Sprache vom Mund absehen, wenn man die Sache theoretisch beherrscht. Man muss das Gelernte auch anwenden können, und das erfordert Geduld und sehr viel Übung. Ein Lippenablesekurs sollte so aufgebaut sein, dass ein Schritt auf dem anderen aufbaut, dass die gut absehbaren Laute zunächst im Vordergrund stehen und man sich nach und nach übend an die schlecht bis gar nicht absehbaren Laute herantastet. Das bedeutet aber auch, dass das Lippenabsehen ein längerer Weg ist. Manchmal stellt sich ein spürbarer Erfolg erst nach zwei bis drei Jahren ein. Und man sollte sich die Theorie auch immer mal wieder vergegenwärtigen, wenn man den Kurs abgeschlossen hat, sonst verlernt man vieles auch wieder. Aber der Erfolg gibt den eigenen Anstrengungen praktisch recht. Jeder, der Hörprobleme hat, sollte das Absehen lernen, denn es ist das Mittel, Defizite beim Hören zu kompensieren, wo mechanische Hörhilfen nicht mehr weiterhelfen können.

Hören und Absehen – eine hilfreiche Kombination

Die Grundlage für den Zusammenhang verdeutlicht das unten abgebildete Schaubild. Es zeigt den engen Zusammenhang von Hören und Absehen, was die Zuordnung der Laute zum sichtbaren Bild und zum hörbaren Ton betrifft. In der Waagerechten sind die Laute aufgeführt, die beim Hören zu verwechseln sind, in der Senkrechten stehen die Laute, die beim Absehen verwechselt werden:

B - D - G

P - T - K

M - N - NG

Abb.: Das magische Quadrat

(Hanik/Diehl/Dechant)

So kann ein Schwerhöriger z. B. ein [m] von einem [n], zwei Laute, die sich für ihn gleich anhören, dann sicher unterscheiden, wenn er auf das Mundbild achtet. Zum Abschluss noch ein kleiner Hinweis in Sachen praktische Nützlichkeit : Die theoretischen Kenntnisse über Absehschwierigkeiten und Hörprobleme sind auch für nicht betroffene Mitmenschen, die häufig Umgang mit ihren hörgeschädigten Freunden oder Bekannten oder die gar beruflich mit Hörgeschädigten zu tun haben wie Lehrer oder Erzieher, ein probates Hilfsmittel. Was Hörende im Umgang mit Hörbehinderten wissen sollten: Es gibt eben Wörter und Sätze, die es demjenigen, der zumindest zum Teil auf das Absehen angewiesen ist, unnötig schwer machen. Da hilft die Spiegelprobe: Vergleicht man den Satz „Setzen Sie sich!“ mit dem Satz „Nehmen Sie bitte Platz“, fällt ein deutlicher Unterschied auf. Der erste Satz ist fast nicht absehbar, denn die Lippen öffnen sich fast nicht. Dagegen bietet der zweite Satz dem Absehenden gute Anhaltspunkte, besonders das Schlüsselwort „Platz“ ist relativ gut sichtbar. Wer diese „Kleinigkeiten“ bewusst anwendet, erleichtert dem hörbehinderten Partner die Kommunikation sehr. So ein praktischer Hinweis ist manchmal mehr wert als viele Plädoyers für mehr Verständnis. Er räumt nämlich einfach eine Barriere aus dem Weg, und das ist ein weiterer Schritt zum Miteinander von Hörenden und Hörgeschädigten.

3. Kapitel:

Das Geheimnis eines nachhaltigen Hörtrainings

Ob schleichende Hörminderung oder plötzliche Ertaubung aufgrund einer Operation an einem Akustikusneurinom – für NF2-Patienten ist ein Hörverlust absehbar und daher schon im Voraus mit einer großen seelischen Belastung verbunden. Eine einmal eingetretene Zerstörung des Hörnervs ist endgültig, es gibt (bislang) keine Möglichkeit für einen Ersatz. Ein Hüftgelenk kann man ersetzen, den Hörnerv leider nicht. In manchen Fällen gelingt es, die fehlende Schallleitung durch ein Implantat zu ersetzen, aber ein vollgültiger Ersatz, eine völlige Wiederherstellung des alten Hörvermögens gelingt damit nicht. Aber die noch vorhandenen Hörreste oder auch das mit dem Hörgerät oder dem Implantat neu dazu gewonnenen Hörvermögen lassen sich trainieren und damit entscheidend verbessern. Jeder Schwerhörige hat eine ganz individuelle Hörwahrnehmung Ein Hörtraining ist von Anfang bis Ende eine sehr individuelle Angelegenheit. Es gibt – anders als beim Absehen – keine objektive, das heißt für alle Lernenden gültige, in der Sache begründete Vorgehensweise. Damit ist gemeint, dass der Aufbau eines Lernprogramms der ganz individuellen Hörschädigung angepasst werden muss. Der HNO-Arzt wird in der Regel eine Hörkurve des Betroffenen erstellen, die bereits Aufschluss gibt, wo bzw. in welchen Tonhöhenbereichen die Probleme liegen, aber das Sprachverstehen ist damit nur sehr unzureichend erfasst. Die gängigen Sprachverständnistests hingegen geben zwar Aufschluss darüber, was der Getestete alles nicht versteht, und können das in einer durchschnittlichen Größe ausdrücken, sie helfen aber nicht weiter, wenn es darum geht heraus zu finden, was wie gehört und warum dieses oder jenes nicht oder falsch gehört wurde. Das ist aber entscheidend, wenn es um die Verbesserung des Hörvermögens geht. Von der Wahrnehmung irgendeines Lauts oder einer Lautverbindung bis hin zum Erkennen eines gesprochenen Worts oder eines sprachlichen Zusammenhangs ist es nämlich ein weiter Weg, und einen großen Teil dieses Wegs legt der Hörende buchstäblich „im Kopf“ zurück: Er hört nicht einfach, und dann hat er eine Abbildung des Gehörten im Kopf – sondern sein Hören ist weitgehend ein individueller Verarbeitungsprozess, der auf Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Zuordnung und Verarbeitung des Gehörten beruht. Entscheidend dabei ist auch die Fähigkeit, nicht oder unzureichend Gehörtes sinnvoll zu ergänzen.

Das Hören beruht immer schon auf einem Lernprozess

Das gilt für alles Gehörte und umfasst viel mehr als nur Sprache. Für die Sprache allerdings gilt die Erfahrung, die ein Hörender im Laufe seines Lebens ansammelt, in ganz besonderer Weise. Schon ein Kleinkind hört die Stimme der Mutter aus vielen Sprechern heraus, ohne ein einziges Wort zu verstehen. Es achtet auf ihre Worte und darauf, wie sie die Worte spricht und ausspricht. Eine stark schwerhörige Tochter kann nur mit ihrer Mutter telefonieren, deren sprachliche Eigenart ihr vertraut ist. Die Beispiele sollen deutlich machen, dass Hören und Hinhören gelernt werden, also auch nach einem Hörverlust neu gelernt werden können.

Eine lückenhafte Hörwahrnehmung ...

Die bestmögliche Wahrnehmung steht also am Anfang einer Hörkette – aber was ist, wenn ein Hörverlust schon da eine undurchdringliche Barriere bildet? Wenn durch einen Hörverlust einfach bestimmte Frequenzen bei aller Konzentration nicht wahrgenommen werden können und auch die Verstärkung durch eine Hörhilfe ihre Grenzen hat? Es ist nämlich eine vollkommen falsche Vorstellung, dass ein Hörgeschädigter alles zu leise hört und es deshalb darauf ankäme, lediglich die Lautstärke zu erhöhen. Laute Geräusche und lautes Sprechen sind nämlich für die meisten Menschen mit Hörproblemen viel unangenehmer als für ihre Mitmenschen. Ihre Empfindlichkeitsschwelle liegt häufig niedriger und lautere Töne werden als schmerzhaft empfunden. Deshalb wird die Sprache auch nicht besser verstanden, wenn der Sprecher laut spricht.

Hörgeschädigte nehmen die Sprache lückenhaft wahr: Sie hören in einzelnen Frequenzbereichen gut, in anderen schlecht oder überhaupt nicht. Da aber die Sprachlaute keine Sinustöne sind, wie die Töne, die einem beim Hörtest angeboten werden, sondern eine Zusammensetzung aus verschiedenen Frequenzen bilden, ist die Sache kompliziert. Jeder Laut hat bestimmte charakteristische Frequenzspitzen, und wenn der Frequenzausfall des Betroffenen in diesem Bereich liegt, kann er den Laut nicht identifizieren. Dennoch hört er unter Umständen etwas: die Unter- oder Obertöne, die sich um die Spitzen herum gruppieren, und die auch für ganz andere Laute charakteristisch sind. Hier setzt die Tätigkeit einer individuellen Hörtherapie an. Der Therapeut kann herausfinden und festhalten, was aktuell gehört wird, also wie der momentane Stand seines Patienten ist, wenn er mit dem Hörtraining beginnt. Diesen Stand genau zu ermitteln ist der Ausgangspunkt eines sinnvollen Übungsprogramms.

...kann überbrückt werden

Die Praxis Hanik in München hat zu diesem Zweck eine spezielle Hör-Lautuntersuchung entwickelt, in der nicht nur festgehalten wird, welche Laute und Lautgruppen der Patient hört, sondern wie er sie hört und mit welchen Lauten sie manchmal oder häufig oder immer verwechselt werden. Das erlaubt den Therapeuten eine genaue Diagnose über die spezielle Hörfähigkeit dieses Hörers im Allgemeinen und einzelner Laute im Besonderen zu stellen. So kann zusammen mit dem Patienten ein an ihn angepasster Hörübungsplan erstellt werden, Fortschritte können dokumentiert und mit dem Anfangsstand verglichen werden und vor allem wichtige Lautverwechslungen lassen sich in Angriff nehmen, um ein besseres Differenzierungsvermögen zu erreichen. Eine solche gezielte Übung ist in zweierlei Hinsicht hilfreich: Sie schult ein Unterscheidungshören, das zu einem tatsächlichen Hörerfolg führen kann, wenn der Patient beispielsweise mit ziemlicher Sicherheit ein [i] von einem [ü] unterscheiden lernt – aber auch wenn eine Unterscheidung nicht gelingt oder nur sehr bedingt, hat der Patient etwas ganz Entscheidendes gelernt: Er weiß jetzt, dass er ständig mit dieser Hör-Verwechslung rechnen muss, und kann sich darauf einstellen. So versteht er in der abendlichen Situation, dass sein Sohn schon im Bett liegt (und nicht lügt).

Der erste Schritt zu einer entspannteren Kommunikation

Für NF2-Betroffene gilt in besonderer Weise, was für alle Hörgeschädigten gilt: Eine Hörminderung, selbst ein geringes Restgehör, lässt sich mit Erfolg trainieren und damit deutlich verbessern. So kann zu einer gut ausgebildeten Absehfähigkeit ein verbessertes Hörvermögen hilfreich hinzutreten, und beides zusammen kann und sollte sich wechselseitig ergänzen und befördern. Die Kombinationsfähigkeit, die beim Absehen genauso wie beim Umgang mit den eigenen Hörverwechslungen erworben wird, ist dabei das A und O für ein besseres Verstehen der lautlichen Zusammenhänge und der damit ausgedrückten Bedeutungsinhalte. Dafür ist eine kombinierte Hörsprachtherapie ein Angebot. Sie ist individuell ausgerichtet und bietet dem Betroffenen Hilfe zur Selbsthilfe. Nicht in dem Sinn, dass sich der NF2-Betroffene eben selbst anstrengen soll, wenn er etwas verstehen will, sondern als gemeinsames Herausfinden eigener Stärken, die das Leben erleichtern, wenn sie bewusst eingesetzt werden. Außerdem ist eine so aufgebaute Hörsprachtherapie überhaupt keine trockene Angelegenheit. Es macht durchaus auch Spaß, die eigenen „Absehrätsel“ zu lösen und neue Höraufgaben erfolgreich zu bewältigen. Was aber wirklich zählt, ist neben dem messbaren Erfolg das eigene Erfolgserlebnis in der Kommunikation.

Kontakt:

Praxis Roland Hanik

Fürstenriederstraße 35

80686 München

Telefon: 089-561696

Fax: 089-584469

Bildtelefon: 089-56822780

www.praxis-fuer-hoergeschaedigte.de

info@praxis-fuer-hoergeschaedigte.de

Das Leben meistern

Behinderung ist kein individuelles Problem. Vielmehr sind es ungeeignete Bedingungen, die einen Menschen mit Handicap behindern.

Vielfältige moderne technische Entwicklungen und das Internet erlauben es heute, auch bei einer Ertaubung ein selbstbestimmtes Leben zu führen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Viele kommunikative Barrieren konnten endlich beseitigt werden.

Die alljährlichen überregionalen Treffen, Seminare und andere Zusammenkünfte der NF2-Selbsthilfegruppe werden z.T. vollständig ohne Beteiligung Hörender organisiert und durchgeführt.

Auch in der Medizintechnik haben bahnbrechende Entwicklungen das Leben Gehörloser inzwischen deutlich erleichtert, dennoch gibt es immer noch Hürden zu nehmen.

Forschung und Entwicklung schreiten zügig voran, so dass für die Zukunft noch viele große Verbesserungen zu erwarten sind.

Sobald NF2-Patienten mit ihrer drohenden Ertaubung konfrontiert werden, beginnt die psychische Verarbeitung. Man versucht sich vorzustellen, wie es sein wird, nichts mehr zu hören. Fragt sich bang, wie man damit zurechtkommen wird.

Meist besteht bei NF2 eine Chance, gehörerhaltend zu operieren. Die Ungewissheit kann zu einer großen Herausforderung werden, eine drohende Ertaubung eine Trauer auslösen, die man zulassen muss, um sich auf den kommenden Verlust vorzubereiten.

Mit zunehmender Schwerhörigkeit kommt die Angst vor Verschlechterung, Hörstürzen. Es entstehen zypische Problemsituationen, denen stark Schwerhörige und Ertaubte ausgesetzt sind: Man versteht oft nicht mehr, was gesprochen wird, fühlt sich ausgeschlossen, wie unter einer Glasglocke.

Besonders am Anfang scheint man plötzlich völlig hilflos und auf das Wohlwollen seiner Angehörigen angewiesen zu sein. Man fühlt sich nicht mehr als selbstständiges Subjekt, sondern als abhängiges Objekt.

Aus häufigen Missverständnisse und alltäglichen kleinen Niederlagen kann ein Verlust an Selbstvertrauen führen. Das kann so weit gehen, dass Betroffene sich in Resignation zurückziehen und 'stur' erscheinen.

Dabei schwankt die Stimmung sehr oft stark zwischen Wut und Enttäuschung über das Nicht-Verstehen und Ausgeschlossensein auf der einen Seite, aber auf der anderen auch Freude über Dinge, die noch möglich sind.

Die positive Seite der Situation beginnt damit, neue Grenzen auszuloten: Was kann ich noch? Neue Freude zu entdecken an kleinen Dingen, die man vorher als "Selbstverständlichkeiten" gar nicht beachtet hat. Gleichzeitig lernt man (mehr oder weniger schnell) neue Wege der Kommunikation. Dazu gibt es viele Möglichkeiten von Lippenlesen, Schreiben, Fingern (mit dem Fingeralphabet) bis zu Gebärden. Oder eine Kombination von allem.

In etwas größerem zeitlichen Abstand wird mancher feststellen, dass die Ertaubung die eigene Persönlichkeit zum Positiven verändert hat. Man wird stärker und, wenn man trotzdem Ziele erreichen kann, selbstbewusster. Man erfährt Respekt dafür, dass man sein Leben trotzdem meistert, vor allem von Mitmenschen, die sich den Ertaubten mit Empathie und Offenheit zuwenden.

Man lernt gleichzeitig, Menschen zu ignorieren, die dieses Einfühlungsvermögen nicht haben. Vor allem lernt man, sich nicht die Schuld für dieses Unvermögen der anderen zu geben. Leider sind darunter auch oft Ärzte, frühere Freunde oder Verwandte.

Wichtig ist einerseit, Strategien zu entwickeln, mit solchen unerfreulichen Situationen umzugehen, andererseits zu erkennen, dass eine gesunde Auswahl der Menschen im direkten Umfeld (wie es im übrigen für alle Menschen, auch nicht Ertaubte gilt) zu mehr Glück und Zufriedenheit führt. Anstatt Zeit mit Gesellschaft zu vergeuden, die nicht gut tut, sollte man echte Freunde und Mitstreiter finden, bei denen man sich angenommen und geliebt fühlt, wie man ist.

Ist so eine Auswahl nicht möglich, z.B. bei den Kollegen im Beruf, wirkt es oft Wunder, wenn man die anderen aktiv anspricht und sie über die eigene Situation aufklärt.

Authentisch und selbstbewusst sein ist meist die beste Strategie, um anderen die Chance zu geben, die nicht verständliche Situation auch von der anderen Seite kennenzulernen und das eigene Verhalten entsprechend zu überdenken.

Die wohl gravierendste Folge der NF2 ist Hörminderung bis hin zur vollständigen Ertaubung. Bei leichten Fällen kann sie mitunter vermieden , bei schwereren zumeist nur hinausgezögert werden. Der Hörverlust hat schwer wiegende Folgen, die das Leben radikal beeinflussen. Der Umgang mit dieser Situation ist von Mensch zu Mensch verschieden. Betroffen sind darüber hinaus nicht nur die selbst Betroffenen, sondern auch deren Umfeld, also Angehörige, Freunde, Kollegen und die übrigen Mitmenschen.

"Leben mit einer (drohenden) Ertaubung" bedeutet, in eine Krise gestürzt zu sein, die einen ganz individuellen Trauerprozess auslöst. Trauer ist ein Prozess, der sich über Monate oder auch Jahre erstrecken kann und vielleicht sogar nie abgeschlossen sein wird. Trauer ist nicht nur eine Gemütsverfassung, die sich irgendwann wieder ändert. Ich trauere nicht nur, wenn mir traurig zumute ist, sondern Trauer ist viel umfassender. Der Trauerprozess wird in verschiedenen Phasen durchlebt:

  • Verdrängung
  • Emotionales Chaos
  • Trauer um das Verlorengegangene
  • Erkennen und Anerkennen der durch den Hörverlust gegebenen Grenzen
  • Versöhnung mit dem Schicksal

Der Trauerprozess beschränkt sich also nicht nur auf die Phasen, in denen ein Mensch weint. Trauer ist nicht nur mit Depression verbunden und der Prozess des Trauerns beginnt bereits mit dem Wissen, einen Tumor zu haben, durch den man früher oder später ertauben wird.

Trauer ist das Gefühl, das uns hilft, Krisen wie z.B. eine eingetretene Hörschädigung in unser Leben aufzunehmen, mit ihr leben zu lernen, und Verlorengegangenes loszulassen. Dass dies nicht leicht ist, das werden wohl alle Betroffenen aus eigener Erfahrung bestätigen können. Es besteht zudem wie in jedem Trauerprozess die Gefahr, nicht mehr weiter zu kommen, nicht mehr weiter zu können und in tiefer Verzweiflung zu versinken. Trauer ist dann keine Hilfe mehr.

Krisen treten häufig unvermittelt ein. Es gibt daher keine Möglichkeit, sich auf eine neue Situation und deren Folgen vorzubereiten. Glücklicherweise ist die Medizin heute so weit, dass Spezialisten den NF2-Betroffenen häufig drohende Beeinträchtigungen wenigstens vorher ankündigen können. Das wiederum eröffnet die Chance, sich auf eine bestimmte Situation einstellen zu können.

Diese Chance können Menschen aber nur als solche wahrnehmen, wenn sie sich ihrer bewusst sind. Und das wiederum ist wichtig, um den Auswirkungen einer Hörschädigung entgegenzuwirken, bevor es etwa zum Scheitern von Beziehungen zu anderen Menschen kommt. Aber selbst das ist keine Garantie dafür, dass alles gelingen wird. Ganz im Gegenteil: Vieles wird sehr schwer werden und manches scheitern.

Die NF2 gibt uns also die Möglichkeit, uns ein gewisses Krisenmanagement anzueignen. So oft wir in Situationen geraten werden, denen wir mehr oder minder ohnmächtig ausgeliefert sind, so wichtig und hilfreich ist es, gelernt zu haben, mit Krisensituationen umzugehen, um Ohnmacht in Handlungsfähigkeit zu verwandeln und so schnell und gut wie möglich wieder Frau oder Herr der eigenen Lage zu werden.

Kein Betroffener weiß, wie lange er noch hören können wird. Er weiß nicht einmal, ob er überhaupt ertauben muss. Der medizinische Fortschritt soll doch so rasant sein. Das könnte ja auch bedeuten, dass hörerhaltende OP’s noch vor einer Ertaubung Standard werden. Auch den Hoffnungen in Bezug auf auditorische Neuroimplantate wie CI oder ABI sind keine Grenzen gesetzt. So rasant aber der medizinische Fortschritt auch ist, er erzeugt auch viel Unsicherheit. Vielleicht sagt ein Chirurg, er könne hörerhaltend operieren, ein anderer meint, das sei nicht mehr möglich. Was tun? Wer hat Recht?

Zu bedenken ist auch, dass schon die Folgen einer Schwerhörigkeit gravierend sein können. Nicht mehr ‚normal’ oder womöglich gar nichts mehr hören zu können - von Ohrgeräuschen abgesehen. Verdrängen kann ein Mensch die bevorstehende Katastrophe entweder, weil die ganze Situation sein Vorstellungsvermögen übersteigt oder, weil der Gedanke an die Katastrophe ihn zu erdrücken scheint Dazu bereit zu sein, der Katastrophe ins Gesicht zu sehen, erfordert sehr viel Mut.

Nun gibt es jedoch nicht nur das, was verloren gegangen ist, sondern vielmehr bleibt ja auch vieles, verändert sich, will neu entdeckt, gesehen oder erfahren werden.

Und was ist mit den Angehörigen? Für sie gilt im Grunde das Gleiche – mit dem Unterschied, ‚nur’ betroffen und nicht selbst-betroffen zu sein. Angehörige haben im Grunde die Möglichkeit, sich der Situation mehr oder minder zu entziehen.

Am Ende des Trauerprozesses steht vielleicht die Freude darüber, im Verlust auch einen Sinn sehen zu können, ohne mehr von den Ketten der Depression gefesselt zu sein.

ACT Wengenroth

Die psychische Bewältigung von Schicksalschlägen: Akzeptanz und Commitment-Therapie
(sehr frei übersetzt etwa: Akzeptieren und entschlossen das Beste draus machen)

Vortrag von Matthias Wengenroth auf einem Seminar der NF2-SHG in Düsseldorf 2011

Schicksalsschläge treffen jeden Menschen irgendwann. Darum ist die Acceptance and Commitment Therapie nicht nur für NF2-Betroffene interessant. Zweifelsohne müssen sich NF2-Betroffene jedoch sehr früh und häufig mit Schicksalsschlägen auseinandersetzen. Die Schicksalsschläge sind hier sehr vielfältig und groß. Die Gewissheit eine chronische Erkrankung zu haben, die einen von nun an für immer begleiten wird ist wohl einer der wesentlichen Schicksalsschläge ebenso wie der stetige Hörverlust und die dadurch bedingte Isolation. Teilweise kommt es auch zu Sehschädigungen oder Lähmungen. Nicht zu vergessen seien die ständigen Angst machenden Operationen, die Angst um Kinder, die es geerbt haben könnten oder gar geerbt haben oder ein unerfüllter Kinderwunsch aus Angst, die NF2 an die Kinder zu vererben, welche ebenfalls für enormen psychischen Druck sorgen können.

Die NF2-Selbsthilfegruppe hat daher im November 2011 ein Seminar speziell hinsichtlich der Bewältigung und des Umgangs mit diesem psychischen Druck bedingt durch die NF2 veranstaltet. Hierzu waren mehrere Psychologen eingeladen, unter anderem Herr Wengenroth, der zur „Acceptance and Commitment-Therapie“ ein Buch geschrieben hat und für uns einen Vortrag hielt.

Herr Wengenroth sprach zunächst von Monstern und unterteilte diese in äußere und innere Monster. Das äußere Monster ist die Krankheit und ihre körperlichen, medizinischen und sozialen Folgen. Hinzu kommen die inneren Monster. Diese sind schwierige Gedanken (Warum ich?, ich bin eine Belastung für andere, ich halte das nicht aus, ich werde mich nie daran gewöhnen, …), schwierige Gefühle (Sorge, Angst, Panik, Ungehaltensein, Wut, Traurigkeit, …) und schwierige körperliche Empfindungen (Schmerzen, Missempfindungen, Unruhe, …). Der Mensch neigt dazu Leid zu vermeiden oder zu bekämpfen, aber manchmal machen unsere Versuche das Leid zu bekämpfen alles nur noch schlimmer, indem zu dem ursprünglichen krankheitsbedingten Leid noch das selbstgemachte Leid hinzu kommt, so das Fazit des ersten Teils.

Als Grundlage für den zweiten Teil des Vortrags diente Herrn Wengenroth das Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr:

Gott gebe mir die Gelassenheit, zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann,

die Kraft und den Mut zu ändern, was ich ändern kann,

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!

Etwas zu akzeptieren was man nicht ändern kann (z. B. die Ertaubung) ist leichter gesagt, als getan. Daher gilt es zunächst zu klären: Wie genau sieht mein Kampf aus? Was habe ich bisher erreicht? Welchen Preis habe ich gezahlt? Bin ich bereit den (schädlichen) Kampf aufzugeben? Hinsichtlich der Ertaubung kann man diese Fragen beispielhaft so beantworten: Mein Kampf sieht so aus, dass ich mich zurückziehe, dass ich einfach nicht mehr rede und mich nicht mehr in kommunikative Situationen begebe. Erreicht habe ich dadurch, dass ich nicht mehr hören können muss. Der Preis den ich dafür zahlen musste sind meine sozialen Kontakte. Ich bin allein. Möchte ich diesen Kampf aufgeben? Wenn ich ein kommunikativer Mensch bin, werde ich den Kampf sicher gern aufgeben wollen.

Ein ganz entscheidender Punkt auf dem Weg diesen Kampf aufzugeben ist es, sich selbst Mitgefühl entgegen zu bringen – sich selbst ein guter Freund zu sein. Das eigene Leid wahrnehmen und es als solches anerkennen, dem Leid Raum geben zu existieren und darauf mit Freundlichkeit, Wärme und Hilfsbereitschaft reagieren, so wie ein guter Freund, der aufrichtig Anteil nimmt.

Oft wird Selbstmitgefühl mit Selbstmitleid verwechselt, deswegen haben wir den Unterschied genau betrachtet: Eine Person im Selbstmitleid sieht nur sich und ihr eigenes Leid (trennt von anderen), sie bekämpft das eigene Leid und möchte SOFORT eine Lösung finden, andere Leute sollen ihr helfen. Eine Person die dagegen Selbstmitgefühl zeigt, sieht dass sie selber leidet, aber dass auch alle anderen Menschen im Laufe des Lebens Leid erleben (verbindet mit anderen) und kann ihr eigenes Leid akzeptieren und selbständig nach langfristigen Lösungen suchen.

Aber wie können schwierige Gedanken und Gefühle akzeptiert werden? Hilfreich kann es sein auf Abstand zu gehen und die Gedanken und Gefühle zu hinterfragen. Schwierige Gedanken und Gefühle können da sein, aber man sollte sie nicht automatisch als Wahrheit oder Realität anerkennen oder automatisch so handeln wie die Gefühle oder Gedanken es nahelegen.

Fazit des zweiten Teils: Glaub nicht alles was du denkst!

Im dritten Teil des Vortrages haben wir uns unsere Werte und Ziele genauer betrachtet. Die Krankheit kann es mit sich bringen, dass sich der Handlungsspielraum einengt und dass manche Ziele aufgegeben werden müssen. Sehr wichtig ist es dann seine Werte nicht aufzugeben, sondern sich neu auf sie zu besinnen und nach neuen Möglichkeiten zu suchen diesen Werten in seinem Leben Geltung zu verschaffen – sich also neue Ziele zu setzen die noch zu erreichen sind. Werte sind keine Ziele. Ein Wert kann es sein, ein guter Freund zu sein. Meine Ziele könnten dann lauten: meine Freundin mal wieder treffen, meine Freunde zum Essen einladen, …

Um seine eigenen Werte zu erkennen muss man in sich horchen: Was bewegt mich ganz tief in meinem Herzen, Worüber würde ich mich freuen wenn zwei Menschen über mich reden würden? Was würde ich tun wenn ich nur noch einen Monat zu leben hätte? Als Orientierung kann der Wertekompass dienen. Er umfasst die Bereiche: Partnerschaft, Familie, Freundschaft, Arbeit, Ausbildung/Lernen, Freizeit/Erholung, Spiritualität/Religion, Gesellschaftliches Engagement, Gesundheit/körperliches Wohlbefinden.

Werte bleiben, aber ein Teil der Ziele muss ich ggf. ändern. Eine große Herausforderung für Menschen mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung ist es, herauszufinden, was das Verlorene einem bedeutet hat, welchen Wert es für einen hatte und dann nach Möglichkeiten zu suchen, diesem Wert auf andere Art und Weise in seinem Leben Geltung zu verschaffen. Wenn ein Dolmetscher ertaubt etwa kann der Wert für ihn sein zu vermitteln, zu helfen, die Sprachbarrieren zwischen verschiedenen Kulturen und überwinden. Diesem Wert kann er zum Beispiel neue Geltung verschaffen indem er nun die Gebärdensprache erlernt und hilft, die Sprachbarriere zwischen der Kultur der Gehörlosen und der der Hörenden zu überwinden. Dieser Prozess, ein neues Ziel zu finden, welches dem Wert neu Geltung verschafft ist ein schwieriger und langwieriger Prozess bei dem der einzelne oft Hilfe braucht, aber die Mühe lohnt sich!

Mit entschlossenem Handeln (Commitment) kann es gelingen diese neuen Ziele zu erreichen. Auch hier ist es ratsam, mit hinderlichen Gedanken zu spielen:

STATT: Ich müsste mal wieder schwimmen gehen ABER hab keine Lust.

SO: Ich habe keine Lust schwimmen zu gehen UND ich gehe schwimmen!

Für ein erfülltes Leben gibt es kein Patentrezept, aber diese wenigen Tipps als Zusammenfassung können das Leben erleichtern:

Kämpfe nicht gegen deine Gefühle, Gedanken und körperlichen Reaktionen, sondern sei bereit, zu spüren, was auch immer du spürst. Erlaube all deinen Gefühlen und Gedanken zu kommen, da zu sein und wieder zu gehen, wenn es an der Zeit ist.
Gehe gut mit dir um, fühle mit dir mit wie mit einem guten Freund.
Glaube nicht alles, was du denkst.
Finde heraus, was dir wichtig ist im Leben.
Mache dich auf den Weg, es umzusetzen

Matthias Wengenroth
Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut

https://www.daslebenannehmen.de/

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Hilfe und Unterstützung durch einen Assistenzhund

Was ist ein Assistenzhund?
Assistenzhunde können je nach Bedürfnis des Menschen ausgebildet werden, um den Alltag zu erleichtern, Hilfe zu leisten, zu unterstützen und ein guter Freund an der Seite des Betroffenen zu sein.

Zu den Assistenzhunden gehören u.a.:

  • Blindenhunde
  • Behindertenbegleithunde
  • ignalhunde (für Gehörlose) auch Gehörlosenhund oder Taubstummenhund genannt

Was können Signalhunde?

  • Signalhunde unterstützen Gehörlose oder Schwerhörige vor allem im Alltag. Sie werden darauf ausgebildet auf wichtige Geräusche zu reagieren, wie zum Beispiel das Klingeln der Haustür oder des Weckers. Durch Anstupsen signalisiert er seinem Besitzer zum Beispiel die Geräuschquelle und führt ihn dorthin
  • Ein Signalhund zeigt auch an, wenn sein Besitzer mit Namen angesprochen wird oder wenn dem Besitzer unbemerkt ein Gegenstand heruntergefallen ist.
  • Im Straßenverkehr weist er u.a. auf Autohupen hin.
  • Ebenfalls werden Signalhunde zum öffnen von Türen ausgebildet, in Notsituationen Hilfe zu holen, klingelnde Telefon zu bringen, Wäsche aus der Waschmaschine zu ziehen, Wäschekorb ziehen, Kleidungsstücke ausziehen helfen u.v.m.

Die Kommandos für Signalhunde werden nicht mit üblichen Hörzeichen (Sitz, Platz, Hier, ...), sondern mit Sichtzeichen wie Handhaltung, Kopfbewegung und bestimmte Hörzeichen verknüpft.

Was kostet die Ausbildung?

Die Ausbildung zum Signalhund ist in Deutschland und Österreich noch recht selten und kostet bei einzelnen Hundeschulen zwischen 10.000 Euro und 17.000 Euro. Anders als beim Blindenführhund werden die Kosten nicht von den Krankenkassen oder staatlicher Sozialeinrichtungen übernommen.

Ausgebildete Signalhunde nach dem internationalen Ausbildungsstandard werden offiziell Weltweit anerkannt und somit erhalten sie die Berechtigung für einen Zugang in öffentlichen Gebäuden wie Lebensmittelgeschäfte, Theater, Kino, Arbeitsplatz, Züge, U-Bahnen, Krankenhäuser. In Österreich wird der Signalhund im Österreichischen Behindertenpass eingetragen.

Weitere Informationen finden Sie u.a. auf dieser Homepage: http://www.teamwaerts.com/

Erfahrungsbericht von Sabine Schmidt-Brücken ( Haustier: Katze)

Erfahrungsbericht von Stephanie Ernst (Haustier: Hund)

Tomaten essen gegen NF2-Tumoren

Dass Avastin gegen das Wachstum vieler Krebsarten wirkt und auch NF2- Akustikusneurinome zum Schrumpfen bringt, ist heute nicht mehr umstritten.

Die Wirkung beruht darauf, dass Avastin die Bildung von Blutgefäßen in diesen Tumoren verhindert, so dass sie weniger Nahrung bekommen und nicht wachsen können oder sogar schrumpfen. Dieses Prinzip nennt man Anti-Angiogenese.

Erwachsene Menschen bilden in gesundem Gewebe nur zu bestimmten Zwecken Blutgefäße, etwa bei der Wundheilung und Frauen bei der Menstruation, und wenn dieser Zweck erfüllt ist, wird die Angiogenese eingestellt. Wenn gesunde Menschen Tumorzellen haben (das kommt vor), können die sich nicht entwickeln, da sie nicht ernährt werden. Bei Betroffenen von NF2 und anderen Tumorerkrankungen, vor allem auch Krebs, ist diese Balance gestört. In den Tumoren werden Blutgefäße gebildet und so können sie wachsen.

Wenn Tumoren erstmal schnell wachsen, hilft nur noch Avastin oder ein ähnlich wirkendes Medikament, um das Wachstum einzudämmen. Aber vorbeugend und bei NF2 in Wachstumspausen kann man die Bildung von Blutgefäßen auch mit bestimmten Nahrungsmitteln hemmen.

Anti-Angiogenese kann man durch Ernährung unterstützen!

Dazu gibt es einen Film im Internet, in dem ein amerikanischer Arzt sehr verständlich die Vorbeugung gegen Krebs durch eine anti-angiogenetische Diät erklärt und der in vielen Sprachen untertitelt werden kann, auch in Deutsch:

http://www.ted.com/talks/william_li.html

Bestimmte Nahrungsmittel wirken anti-angiogenetisch, Tomaten zählen dazu, Grapefruit und Erdbeeren, das Gewürz Kurkuma, Rotwein, Tee. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass eine solche Ernährung auch positiven Einfluss auf NF2 haben wird, da auch NF2-Tumoren Blutgefäße zum Wachsen brauchen.

Hier eine Liste mit Nahrungsmitteln, die Angiogenese hemmen:

  • Tomaten
  • Leinsamen
  • Knoblauch
  • Kürbis
  • Grüner Tee
  • Soja
  • Zitronen
  • Earl Grey Tee
  • Kurkuma
  • Orangen
  • Granatapfel
  • Muskatnuss
  • Grapefruit
  • Rotwein
  • Rote Weintrauben
  • Erdbeeren
  • Thunfisch
  • Petersilie

Davon allein kann man nicht leben, aber jeder kann bewusst möglichst viel davon zu sich nehmen, eine einfache „Chemotherapie“ 🙂 (Dr. Li) beim Essen.

Leben auf kalten Füßen

Polyneuropathie als Symptom der NF2

Dass Polyneuropathie (PNP) zu den Symptomen von NF2 gehören kann, weiß man seit etwa 20 Jahren. Nicht alle NF2-Betroffenen haben es, aber sehr viele.

PNP ist eine bekannte Begleiterscheinung von Diabetes Typ 2, auch von starkem Alkoholkonsum. Und dann auch von verschiedenen genetischen neurologischen Erkrankungen, unter anderen auch NF2.

Die PNP bewirkt eine Schädigung der Nerven, zunächst vor allem in den Füßen und Beinen. Die Funktion der Blutgefäße ist gestört, die Durchblutung wird schlecht (kalte Füße und Beine), im weiteren Verlauf kommen Taubheitsgefühle und Muskellähmungen dazu. Es führt auch dazu, dass kleinste Wunden äußerst langsam heilen.

Das erste Symptom der PNP sind kalte Füße. Das scheint vor allem bei Frauen zunächst nichts Besonderes zu sein, aber es steigert sich. Schließlich sind die Füße und Beine auch im Sommer kalt, einfach immer. Es ist unangenehm und kann sogar Schmerzen verursachen.

In der zweiten Phase kommen Taubheitsgefühle dazu, die Füße fühlen sich an wie mit Leder überzogen und sie werden schwächer. Zwischen kalt und nass kann der Betroffene nicht mehr unterscheiden.

Die Polyneuropathie kann man diagnostizieren, dabei werden Nadeln an verschiedenen Stellen in die Wade platziert (etwas unangenehm) und dann werden die Nervenströme gemessen.

Was kann man als Betroffener dagegen tun?

Hier einige Tipps:

  • Sport treiben oder Gymnastik, um den Kreislauf und die Durchblutung anzuregen.
  • Socken ohne enge Bündchen tragen (um die Durchblutung nicht zu behindern),
  • Füße mit durchblutungsförderndem Arnikaöl massieren
  • Wärmflasche (ca. 60-65°) ins Bett mitnehmen oder ein Fußbad (mit durchblutungsförderndem Öl oder Salz) nehmen vor dem Schlafengehen
  • mit dem Rauchen aufhören, nicht zu viel Alkohol trinken (der wärmt die Füße zunächst, aber auf die Dauer verstärkt er das Problem)
  • Verletzungen wie Blasen und aufgeriebene Stellen an den Füßen möglichst vermeiden: bequeme, nicht drückende oder scheuernde Schuhe tragen, nicht barfuß laufen.

Die Schwäche der Füße führt auf die Dauer dazu, dass Betroffene nur noch mit Einlagen, Orthesen oder Schienen laufen können. Die sollten sehr gut angepasst sein, damit sie nicht scheuern.

Tipps zum Umgang mit trockenen Augen

Fast jeder NF2-Betroffene kennt es: die Augen brennen und sind lichtempfindlich. Der Grund ist die Verletzung des Facialisnervens, die verschieden stark sein kann und meist einen unvollständigen Lidschluss zur Folge hat, dazu eine verminderte Tränenproduktion. Ein anderer Artikel dieser Webseite behandelt dieses Symptom, dazu geht es hier (Unter "Die Sonderstellung des Auges").

Augentrockenheit ist nicht nur unangenehm, sie ist auch gefährlich! Die Hornhaut vergisst nichts, jeder Kratzer und jede Schädigung bleibt. Daher ist es wichtig, von Anfang an die Augen zu pflegen und zu schützen:

Zunächst muss man die Augen mit künstlichen Tränen versorgen – wie oft, das sagen die Augen einem selbst, man hat ein Gefühl dafür. Von diesen Tränenersatzmitteln gibt es sehr viele verschiedene, meist steigert sich das Problem der Augentrockenheit mit den Jahren und man muss gehaltvollere Tränentropfen benutzen und öfter tropfen.

Bei unvollständigem Lidschluss kann ein Augenchirurg helfen, der ein Gewicht ins Augenlid einnäht (eine kleine Operation), heute sollte es eine Platinkette sein (starre Goldgewichte kommen manchmal nach wenigen Jahren durch die Haut).

Damit hilft die Schwerkraft, das Lid zu schließen, und dass das funktioniert liegt daran, dass für das Öffnen der Augen ein anderer Nerv zuständig ist.

Zu beachten ist, dass das nur im Stehen und Sitzen funktioniert. Sobald man sich hinlegt, muss man das Auge anders schützen.

Man nimmt dafür Salben, die Panthenol enthalten, und am besten ein Augenpflaster (Uhrglasverband) darüber.

Wenn man nach draußen geht, kann es sein, dass man die Augen vor der Sonne und dem Wind schützen muss. Eine normale Sonnenbrille hilft, im Extremfall kann man eine Gletschersonnenbrille nehmen, die sehr dunkel ist und den Wind abhält.

Winter

Im Winter ist das Problem der Augentrockenheit viel stärker zu spüren als im Sommer. Im Winter ist die Luft kalt und trocken, und wenn sie beim Lüften in die beheizte Wohnung strömt, wird die Trockenheit in der Wohnung oder im Büro unangenehm.

Hier hilft nur, die Luft künstlich zu befeuchten. Das ist gar nicht schwer, man kann zum Beispiel dekoratives Zyperngras in alle Zimmer stellen, es verbraucht viel Wasser und sieht auch noch gut aus.

Oder man kauft einen Luftbefeuchter, die einfachste Lösung,

Ein wirkungsvoller Trick ist auch, überall nasse Handtücher aufzuhängen, die man dann jeden Tag (oder nach Bedarf) gießen muss.

Die Erleichterung durch die höhere Luftfeuchtigkeit spürt man sofort.

Wenn man trotzdem eine Bindehaut- oder gar Hornhautentzündung bekommt, sollte man seinen Augenarzt aufsuchen. Die Augen von NF2-Betroffenen sind sehr empfindlich, weil sie über Jahre durch die Trockenheit gestresst sind. Auch bei bester Pflege kann man die natürliche Tränensekretion nicht perfekt ersetzen.

Zu den Kosten

Während die Kosten der Tränenersatzmittel und Salben meist leider nicht von der Kasse erstattet werden, werden die Uhrglas-Pflaster übernommen.

Weitere Augenprobleme bei NF2 sind

Grauer Star (Katarakt)

Tumoren am Sehnerv (seltener)

New Headline - bold Texts go Brand color!

Es gibt NF2-betroffene Kinder, die schon früh eine gravierende Hörschädigung erleiden. Oder sonstige schwere Schädigungen, die einen "normalen" Schulbesuch sehr erschweren oder unmöglich machen.

Hier schildert eine Mutter ihre Erfahrungen:

Inklusion Schule

geschrieben aus der Sicht einer Mutter

Es gibt sie tatsächlich, eine Schule, die versucht dem Gedanken der Inklusion weitestgehend zu folgen:

Unser Sohn, seit mehreren Jahren HG-Träger, ging bis zu den Sommerferien 2013 auf das Gymnasium in der Nähe. Dies ist eine Regelschule, die keine Erfahrung mit beeinträchtigen Schülern - insbesondere mit schwerhörigen Kindern - hat. Für viele Jahre war dies auch eine akzeptable Lösung. Die Lehrer gingen auf unsere Vorschläge zum Thema Nachteilsausgleich ein. Aber so wirklich beschäftigt mit der Problematik wurde sich nicht, dazu fehlte die Zeit, die personelle Ausstattung und ein Stück weit die Bereitschaft einzelner Lehrer. Wobei die meisten Lehrer sich sehr um unser Kind bemühten, keine Frage! Als seine gesundheitliche Situation sich verschlechterte war klar, eine andere Schule will gefunden werden.

Nach vier Tagen Hospitation stand für unser Kind fest: diese neue Schule soll es werden und bis heute hat er seine alleinige Entscheidung nicht bereut.

Allein das Gespräch vor dem Wechsel an die neue Schule war für uns eine neue Erfahrung: 4 Lehrer und die Integrationsfachkraft saßen im Raum, redeten wenig mit uns Eltern, sondern sprachen den wechselwilligen Schüler mit Hilfe FM-Anlage, Handmikrofon und vielen Wiederholungen an – wir hätten auch zu Hause bleiben können. Bereits hier zeigt sich schon die Bereitschaft zur Inklusion. Diese beginnt in meinen Augen in den Köpfen und in der Haltung der Menschen/Lehrern.

An seiner neuen Schule wird versucht zu erkennen: „Was kann der einzelne Schüler auf seine Art und Weise leisten?“ und „ Womit können wir ihn am besten unterstützen, so dass er seine Leistung auch bringen und nicht zuletzt zeigen kann?“ Angesprochen wird hier das Konzept „Empowerment“. Durch diese Haltung und Forderung (nicht Überforderung!) hat mein Kind wieder Spaß am Lernen erhalten und freut sich, zu zeigen, was in ihm steckt. Er sammelt positive Erfahrungen, lernt Eigenverantwortlichkeit und wird in seinem Selbstbewusstsein bestärkt. Wichtige Punkte für ein späteres Leben als Erwachsener.

Da die Schule seit mehreren Jahrzehnten einem integrativen Ansatz folgt, hat sie natürlich schon Erfahrungen gesammelt, wird extern u. a. von einer Landesgehörlosenschule unterstützt und ist technisch sehr gut auf die Belange von - in unserem Beispiel hör- beeinträchtigen Kindern eingestellt.

Angefangen wird bei Akustikdecken in vielen Räumen, über ein ausreichende Versorgung mit Lichtquellen in den Klassenzimmern und nicht zuletzt: ein sogenannter „KB-Bereich“ (körperbehinderter Bereich), sicherlich gesetzlich vorgeschrieben, in denen die Kinder sich nicht nur während der Pausen, sondern auch während der Unterrichtszeit zurückziehen dürfen. Entweder um gestellte Aufgaben zu erledigen oder neue Kräfte zu sammeln, um sich wieder besser konzentrieren zu können.

Durch aber eben auch diesen integrativen Ansatz darf die Schule beeinträchtigte Kinder stärker bewerten, so dass kleinere Klassen und Kurse angeboten werden können. Dieser Umstand kommt natürlich allen Kindern und auch den Lehrern zugute.

Der gesetzlich festgeschriebene, aber leider nirgendwo im einzelnen erklärte Nachteilsausgleich wird hier großzügig ausgelegt, ohne dass wir Eltern etwas für unser Kind „einfordern“ mussten – es wird geschaut, überlegt und dann ausprobiert, was passt.

Anstatt Schulsport gibt es benotete Einzel-Physiotherapie (2x/Woche). Die Übungen sind auf das Kind zugeschnitten und verbessern dessen Körperbeherrschung.

Weiterhin werden zusätzliche Einzelunterrichtsstunden bei einigen Lehrern angeboten. Soll verpasster Stoff nachgearbeitet werden? Stehen soziale Themen an? Muss etwas außer der Reihe besprochen werden? Gerade in diesen Stunden kann unser Kind zeigen, dass es auch mitarbeiten kann, dass ohne Hörschädigung seine mündliche Beteiligung am Unterricht besser wäre. Eben, dass der Lehrer den Willen zu Lernen erkennt.

Die mündliche Mitarbeit unseres Sohnes wird weitestgehend nicht benotet. Stattdessen hält er Referate, und bearbeitet zusätzliche Aufgaben zu Hause. So erhalten die Lehrer genügend Eindrücke, um die Benotung zu rechtfertigen. Dies ist natürlich mit erhöhtem Zeitaufwand verbunden, Zeit, die er eigentlich zur Erholung gut gebrauchen könnte. Während des Unterrichtes hat unser Kind jederzeit die Möglichkeit zu sagen, „ich brauche Ruhe und ziehe mich zurück“. Die Geschichtslehrerin bietet ihm sogar an, sich den jeweiligen Unterrichtstoff im KB-Bereich alleine zu erarbeiten und hinterher „drüber zu schauen“.

Werden Arbeiten, HÜ‘s oder Tests geschrieben war es von Beginn an selbstverständlich, dass unser Kind, obwohl lautsprachlich aufgewachsen und mit einem großen Wortschatz ausgestattet, mehr Zeit zur Bearbeitung der Aufgaben erhält. Dies wurde noch nicht einmal in Frage gestellt, obwohl der Ursprung dieses Ausgleiches der fehlende Wortschatz von frühertaubten Kindern ist.

Es werden immer neue Ideen gesucht. Noch nicht ausprobiert haben wir die Möglichkeit, das Tafelbild mit einem von der Schule gestelltem IPAD zu fotografieren, da schreiben und Lippen absehen nicht gleichzeitig möglich sind.

Vor den Weihnachtsferien hielt unser Sohn ein Referat über die Schwerhörigkeit im Allgemeinen und über „seine Hörschädigung“, nicht über NF2. Unterstützt wurde er in technischer Weise von der Förderlehrerin der LGS. Neben den vielen theoretischen Grundlagen, wurden den Kommilitonen die Ohren vertäubt, es gab Hörbeispiele von CD, Hörtaktiken wurden vorgestellt und „was passiert eigentlich, wenn der Lehrer weiterspricht, aber sich zur Tafel wendet, um anzuschreiben?“

Dies alles soll helfen, die Mitschüler zu sensibilisieren. Denn auch die Mithilfe der Kursteilnehmer ist wichtig: kein zusätzliches Rascheln oder Wispern während des Unterrichtes, benutzen der Handmikrofone. Vielleicht ist es sogar möglich, die Bereitschaft eigene Mitschriften weiterzugeben zu wecken? Auch dies würde helfen.

Bestimmt habe ich nun den einen oder anderen Punkt schlichtweg vergessen zu erwähnen. Wichtig ist aber, dass mein Sohn im letzten Jahr durch den Schulwechsel wieder eine neue Perspektive erhalten hat. Wichtig ist, dass er, dem Gedanken der Inklusion folgend, nicht nur mit „normalen“ Maßstäben gemessen wird, sondern dass er so sein darf wie er ist.

Das Recht der Schwerbehinderten

Das Schwerbehindertenrecht ist sehr vielfältig. Es ist Sozialrecht, Arbeitsrecht, Recht auf Rehabilitation, für alle Lebenssituationen der einzelnen Betroffenen.

Einen sehr guten Überblick über alle Bereiche bietet der "Ratgeber für Menschen mit Behinderung" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2011. Man kann diese Publikation kostenlos bestellen und auch (als pdf-Datei) am Bildschirm lesen.

Am Anfang steht die Anerkennung als Schwerbehinderter durch das zuständige Integrationsamt (das hieß früher Versorgungsamt). Diese Ämter haben Internetseiten, wo Sie Adresse, Kontakt-Daten und auch Formulare und wichtige Informationen finden.

Das Integrationsamt stellt einen Schwerbehindertenausweis aus, auf dem Merkzeichen und der zugeteilte Grad der Schwerbehinderung in Prozent (GdB) stehen.

Wir wollen uns hier auf die Darstellung der Merkzeichen im Behindertenausweis beschränken und die wichtigsten Vergünstigungen anführen, die man dafür bekommt.

Der Grad der Schwerbehinderung (GdB) berücksichtigt auch die Kombination der Behinderungen, deshalb gehen wir hier nicht weiter darauf ein.

Immer gilt der Vorbehalt, dass vieles Länderrecht ist – die nördlichen Bundesländer sind in der Regel gebefreudiger mit den Vergünstigungen und auch in der Zuteilung der Merkzeichen.

Die Merkzeichen:

G (gehbehindert)

Das Merkzeichen „G“ können NF2-Betroffene z.B. nach den ersten AN-Operationen erhalten, wenn nachweisbar anschließend das Gleichgewicht gestört ist.

RF (Rundfunkgebührenbefreiung)

RF erhalten NF2-Betroffene, die so hochgradig schwerhörig (oder ertaubt) sind, dass sie nicht mehr Radio hören können. Die Befreiung von den Rundfunkgebühren wird für so lange gewährt, wie der Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen RF gilt. Eine Neuregelung ist angedacht (eine geringe Rundfunkgebühr für alle, die bisher befreit waren), aber noch nicht umgesetzt.

Gl (gehörlos)

Dieses Merkzeichen erhalten (von Geburt an) Gehörlose und stark Schwerhörige, wenn sie Sprachstörungen haben. Ertaubte erhalten es, wenn sie vollständig ertaubt sind. An Taubheit grenzend Schwerhörige und hochgradig Schwerhörige bekommen es in einigen Bundesländern, es ist verschieden.

aG (außergewöhnlich Gehbehindert)

Das Merkzeichen aG erhalten Betroffene, wenn sie ohne Hilfsmittel nicht mehr als 150 Meter laufen können. Das Merkzeichen aG zieht viele Vergünstigungen nach sich.

H (hilflos)

Bekommen Betroffene, wenn sie geistig verwirrt sind oder so schlecht sehen können, dass sie sich auf der Straße schwer allein orientieren können.

B (Berechtigung zu einer Begleitperson)

Bedeutet, dass man in staatlichen oder halbstaatlichen, vor allem auch kommunalen Einrichtungen wie Museen, öffentlichem Personenverkehr (Nahverkehr und Deutsche Bahn), Schwimmbädern, öffentlichen Veranstaltungen/ Einrichtungen etc. eine Begleitperson kostenlos mitnehmen darf.

In allen Einrichtungen, die von privaten Unternehmen geführt werden, liegt es im Ermessen des Betreibers, ob die Begleitperson bezahlen muss oder nicht. Daher gibt es auch in Flugzeugen keine kostenlosen Tickets für Begleitung.

Die Vergünstigungen

Die Vergünstigungen sind an Bedingungen geknüpft, das ist entweder ein bestimmter Grad der Behinderung oder aber ein Merkzeichen.

Bahn und Nahverkehr

Schwerbehinderte ab einem GdB von 70% erhalten bei der Deutschen Bahn deren Bahncard 50 und Bahncard 25 deutlich verbilligt, so wie auch Rentner bei voller Erwerbsminderung.

Sitzplatzreservierungen sind kostenlos.

Ein spezieller Handicap Service hilft beim Ein-, Aus- und Umsteigen.

http://www.bahn.de/p/view/mdb/pv/pdf/diverse/handicap/MDB90625-mobilitaetsbroschuere_2011-s105_bf.pdf)

Wer das Merkzeichen B im Ausweis hat, kann in der Bahn und im Öffentlichen Nahverkehr, also in der allen Bahnen, in Bussen, U-Bahnen, öffentlichen Fähren etc. eine Begleitperson kostenlos mitnehmen.

Im öffentlichen Nahverkehr erhalten Personen ab einem GdB von 70% ein kostenpflichtiges „Beiblatt mit Werkmarke“. Das „Beiblatt mit Werkmarke“ kostet zwischen 60 und 120€ im Jahr, man muss es beim zuständigen Integrationsamt (Versorgungsamt) selbst beantragen.

Dieses „Beiblatt mit Wertmarke“ berechtigt zu der unentgeltlichen Beförderung bundesweit in allen Nahverkehrszügen 2. Klasse, ebenso Bussen des Nahverkehrs, Stadtbahnen, U-Bahnen, Straßenbahnen, S-Bahnen und Zügen von Nichtbundeseigenen Eisenbahnen. In Fernverkehrszügen gilt keine unentgeltliche Beförderung.

Außergewöhnlich Gehbehinderte (Merkzeichen aG) können je nach der Regelung ihres Landes Taxis oder Fahrdienste nutzen, Bei Fahrten zum Arzt oder ins Krankenhaus bezahlt die Krankenkasse einen Krankenwagen (Fernfahrten nur bei Nachweis der Notwendigkeit).

Hilflose Personen (Merkzeichen „H“) bekommen das „Beiblatt mit Wertmarke“ für den Nahverkehr kostenlos.

Befreiung von der Rundfunk-und Fernsehgebühr

Wer RF zuerkannt hat (das haben alle schwer Hörbehinderten), bekommt die Rundfunkgebühren erlassen. Zudem bietet die Telekom Behindertentarife an, die man jedoch prüfen sollte, manchmal ist ein privater Anbieter ohne Behindertentarif günstiger.

Freibetrag

Bei der Einkommensteuer bekommen Behinderte je nach GdB einen Freibetrag, dies gilt auch für behinderte Angehörige. Zudem können sie bestimmte Mehrkosten von der Steuer absetzen.

Allgemein:

Wichtig ist, dass man immer das Kleingedruckte bei öffentlichen Einrichtungen/ Veranstaltungen lesen oder gezielt nachfragen sollte. An den Kassen wird nicht immer darauf hingewiesen, dass Schwerbehinderte Vergünstigungen erhalten.

Recht auf Gebärdensprachdolmetscher und andere Kommunikationshilfen

Erst im Jahr 2001 wurde für schwer Hörgeschädigte, Gehörlose und Ertaubte das Recht auf Dolmetschen in bestimmten Situationen anerkannt. Je nach Bedarf des Betroffenen kann das als Gebärdendolmetschung oder Schriftmittlung erfolgen.

Diese Situationen sind:

  • Arztbesuche (in Praxen oder im Krankenhaus)
  • Sozialberatung
  • Umgang mit Behörden, der Polizei und Gerichten
  • Im Arbeitsleben (bei Notwendigkeit von Kommunikation)

In diesen Fällen werden die Dolmetscher bezahlt, bei Arzt von der Krankenkasse, bei staatlichen Stellen von den Behörden und Einrichtungen selbst, im Arbeitsleben vom Integrationsamt.

Wichtig: Hörgeschädigte haben das Recht, in oben genannten Situationen alles zu verstehen. Wenn kein Dolmetscher vorhanden ist, können wir darauf bestehen, dass geschrieben werden muss.

Bei Arztbesuchen muss der Betroffene selbst nach dem passenden Dolmetscher suchen und ihn mitnehmen. Die Kosten erstattet die Krankenkasse (nach einmaliger Beantragung).

Hier finden Sie die Internetseite der Arbeitsagentur speziell für Menschen mit Behinderung. Diese Seite (sie heißt auch ABC Online-Handbuch) ist sehr umfassend und informativ. Alle Fragen rund um Ausbildung, Arbeitsleben, Arbeitssuche werden dort ausführlich beantwortet. Weil es so umfassend ist, muss man selbst einen Suchbegriff eingeben und erhält dann eine große Menge an ausgewählten Informationen.

Nicht damit zu verwechseln ist das Fachlexikon "ABC Behinderung und Beruf" der Integrationsämter. Auch dies ist online veröffentlicht.

Das Internet-Angebot der Integrationsämter beschreibt deren Aufgaben und führt zu den einzelnen Integrationsämtern und Integrationsfachdiensten in Deutschland, die ihrerseits wieder eigene Seiten im Internet haben. Die Integrationsämter sind bei allen Problemen um einen bestehenden Arbeitsplatz zuständig, die Integrationsfachdienste vermitteln daneben auch in ein Arbeitsverhältnis, sie sind für besonders schwer betroffene Menschen mit Behinderung zuständig.

Rente und Rehabilitation

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (früherer Name: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) hat zwei wichtige Aufgaben für Behinderte zu erfüllen:

  1. Zahlung von Rente im Fall der Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung
  2. Rehabilitationsmaßnahmen bei Menschen, die im Erwerbsleben stehen.

Mehr zu diesem Thema finden Sie unter www.deutsche-rentenversicherung.de

Dort finden sich Informationen, Bestellmöglichkeit für Publikationen sowie die Möglichkeit zum Download von Formularen zur Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen und Rente.

Krankenversicherung

Auch das Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen ist in einem eigenen Sozialgesetzbuch festgelegt (SGB 5) http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/

Ansonsten informieren die einzelnen Krankenversicherungen auf ihren eigenen Internetseiten, auf denen man auch Publikationen bestellen kann, Formulare und Broschüren als Download angeboten sind.

Sicherung des Lebensunterhalts: ALG II

www.arbeitsmarktreform.de informiert zu allen Fragen um die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV). Es ist eine Seite des zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Nicht staatlich und sehr informativ ist die Seite: www.hartz-iv-antrag.de.

Sozial- und Eingliederungshilfe

http://www.studentenwerke.de/main/default.asp?id=06201 informiert über die Finanzierung des Lebensunterhalts für behinderte StudentInnen.

Für schwerstbetroffene NF2-Erkrankte, die keine Arbeit aufnehmen können und in ihren Familien leben, gibt es besondere Hilfen, über die eine Broschüre des Bundesverbands für Körper- und Mehrfachbehinderte(BVKMe.V.) informiert.www.bvkm.de/recht/rechtsratgeber/mein_kind_ist_behindert.pdf

NF2-Betroffene werden sehr oft stark schwerhörig oder vollständig taub. Da sie in ihrer Kindheit hören konnten und die Lautsprache gelernt haben, gehören sie nicht zu den "Gehörlosen" (von Geburt an tauben Menschen). Schwerhörige und Spätertaubte sind im Deutschen Schwerhörigenbund organisiert, dessen Webseite ist unter:

http://www.schwerhoerigen-netz.de/MAIN/referate.asp?page=07

zu finden.

Für Gehörlose, aber auch für ertaubte und hochgradig schwerhörige Menschen gibt es das sehr gute Portal www.taubenschlag.de. Wer in die Welt der Gehörlosen hineinschnuppern will, über technische Hilfen oder Dolmetschvermittlungen und vieles mehr informiert werden möchte, ist hier richtig.

Viele NF2-Betroffene haben große Angst davor, als ein Pflegefall ohne eigene Handlungsfähigkeit zu enden. Zumal OP Folgen nie im Voraus zu berechnen sind. Es empfiehlt sich daher das Abschließen einer Patientenverfügung (am Besten im Zusammenhang mit einer Vorsorgevollmacht).

Mit einer Patientenverfügung weist der Patient im Falle seiner Entscheidungsunfähigkeit den behandelnden Arzt an, bestimmte Behandlungen nach seinen persönlichen Vorstellungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Dies kann bedeuten, dass der Patient in bestimmten Krankheitssituationen (wie Ausfall lebenswichtiger Funktionen mit absehbarer Todesfolge) keine weitere Behandlung wünscht, die sein Leben künstlich nur verlängern würde. Es kann ebenso auch der Wunsch geäußert werden, in diesen Fällen auch dann schmerzlindernde Medikamente zu geben, wenn diese als Nebenwirkung den Todeseintritt beschleunigen können. Bei der Patientenverfügung handelt es sich im Gegensatz zu einem Testament also um eine Willensäußerung, die VOR und nicht nach dem Tode erst Berücksichtigung finden soll. AKTIVE Sterbehilfe ist allerdings auch weiterhin gesetzlich verboten und an dieser Stelle nicht gemeint.

Eine Patientenverfügung kommt nur dann zur Anwendung, wenn der Patient in der konkreten Situation nicht mehr selber einwilligungsfähig ist. In diesen Fällen kann einzig die Verfügung dem Arzt noch einen Hinweis auf den mutmaßlichen Willen des Patienten geben. Zur Durchsetzung der Patientenverfügung kann es auch sinnvoll sein, zuvor mittels einer Vorsorgevollmacht eine Person Ihres Vertrauens zu beauftragen, Ihre Interessen zu vertreten. Wollen Sie nur die Durchsetzung der Patientenverfügung sichergestellt wissen, beschränken Sie Ihre Vollmacht darauf. Es kann jedoch ratsam sein, eine umfassende Vollmacht zu erteilen, weil Sie so dafür Sorge tragen, dass alle notwendigen Angelegenheiten geregelt werden können. Eine Patientenverfügung sollte schriftlich vorliegen, vorzugsweise kombiniert mit der Vorsorgevollmacht. Sie kann handschriftlich verfasst werden, das ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. Auf der Verfügung sollten zwei Personen den Willen des Verfassers mit ihrer Unterschrift bezeugen. Die Beurkundung oder Beglaubigung durch einen Notar ist möglich, jedoch nur dann erforderlich, wenn in der Verfügung auch die Vermögensverhältnisse geregelt werden.

Patientenverfügungen sind verbindlich, wenn der Wille des Patienten für die konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Außerdem muss ersichtlich sein, dass der Verfügende nicht erkennbar von der Verfügung abgerückt ist und die Verfügung im Zustand der Entscheidungsfähigkeit verfasst wurde (dies sollte nach Möglichkeit der Hausarzt bestätigen). Eine gegen den in einer Patientenverfügung erklärten Willen des Patienten durchgeführte Behandlung ist eine rechtswidrige Handlung. Dies gilt auch dann, wenn die begehrte Unterlassung zum Tode des Patienten führen würde. Die Missachtung des Patientenwillens kann auch als Körperverletzung strafbar sein. Der Arzt kann sich nicht auf sein Gewissen oder Berufsethos berufen um seine Handlung zu rechtfertigen. Er kann nur die Behandlung in andere Hände übergeben und so seinem Gewissen entsprechen.

Im Fall, dass der Wille des Patienten nicht eindeutig festgestellt werden kann, hat der Betreuer bzw. der Bevollmächtigte nach dem mutmaßlichem Willen zu entscheiden, ob eine Behandlung abgebrochen oder fortgesetzt wird, und zwar unabhängig davon, in welchem Stadium sich die Krankheit befindet.

Es ist einfach, eine rechtsgültige und vollständige Patientenverfügung mit Vorsorgevollmacht zu erstellen, Formulare finden Sie auf der Internetseite des Bundesjustizministeriums. Es ist jedoch ratsam, noch eine handschriftliche Bestätigung des freien Willens dazu zu legen, alles unterschrieben auch von zwei Zeugen.

Rechtliche Grundlagen

Ein praktisches Problem der rechtlich wirksamen Patientenverfügung liegt aber darin, dass sie bei einem Notfall oft nicht vorliegt und in der Eile der Notsituation auch nicht ermittelt werden kann. Deswegen werden Wiederbelebungsmaßnahmen häufig auch dann durchgeführt, wenn der Betroffene dem widersprochen hatte. Allerdings ist beim Verbot der Wiederbelebung darauf zu achten, ob der Verfügende diese nicht nur für den Fall seines Siechtums verboten hat und keine Einwände gegen notärztliche Maßnahmen bei einem Unfall oder plötzlichen Anfall erhoben hat.

Weil das Recht der Patientenverfügung kompliziert ist und diese sehr genau sein muss um Wirkung zu entfalten, empfiehlt es sich, sie zusammen mit einem Rechtsanwalt, Arzt oder Notar zu entwerfen, der Erfahrung damit hat oder sich an eine Patientenberatungsstelle zu wenden. Auch diese sind gern bei der Erstellung der Verfügung behilflich. Von standardisierten Vorlagen, in denen nur angekreuzt werden muss, ist daher abzuraten.

Vorsorgevollmacht / Betreuungsverfügung

Die Patientenverfügung ist von der Vorsorgevollmacht zu unterscheiden, die nicht den eigenen Willen zum Ausdruck bringt, sondern einen Dritten (in der Regel eine Vertrauensperson) ermächtigt, an der Stelle des einwilligungsunfähigen Patienten zu entscheiden - z.B. in Fällen, die die Patientenverfügung nicht regelt. Die bevollmächtigte Person wird durch stattliche Organe nicht kontrolliert.

Wird keine gesonderte Vorsorgevollmacht erstellt, so muss in dem Fall, dass der Patient nicht mehr allein dazu fähig ist, seinen Willen zu äußern bzw. Entscheidungen zu treffen, ein gesetzlicher Vertreter / Vormund bestimmt werden. Kann der Verfügende keine Vertrauensperson benennen, so kann er allerdings mit der Betreuungsverfügung dem Vormundschaftsgericht einen Vorschlag für die Auswahl des einzusetzenden Betreuers machen. Ist dem Vormundschaftsgericht keine vorgeschlagene Person bekannt, so wird eine dem Patienten fremde Person benannt, die in der Regel nach eigenem Ermessen entscheiden, was nicht dem Willen des Patienten entsprechen muss. Für den Fall einer späteren rechtlichen Betreuung kann in der Betreuungsverfügung festgelegt werden, was der künftige Betreuer in rechtlichen wie auch in persönlichen Dingen zu tun hat. Dieser Betreuer unterliegt allein der Kontrolle des Vormundschaftsgerichtes. Das heißt also: der Verfügende kann auch anstelle der Vorsorgevollmacht eine Betreuungsverfügung erstellen, um zu gewährleisten, dass die bevollmächtigte Person durch das Vormundschaftsgericht kontrolliert wird.

Die Betreuungsverfügung kann auch auf die Patientenverfügung verweisen, um auch den Betreuer an diese zu binden. In manchen Bundesländern kann die Betreuungsverfügung auch direkt beim Vormundschaftsgericht hinterlegt werden.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ist es immer noch möglich, dass der Arzt die Patientenverfügung eines schwerstkranken Angehörigen nicht akzeptiert, weil sie nicht der aktuellen Rechtslage entspricht. Oder aber die Bank verweigert die dringend benötigte Verfügung über das Konto eines Pflegebedürftigen, weil keine rechtsgültige Bankvollmacht vorliegt. Gesetzliche Regelungen haben in diesen Fällen dann plötzlich Vorrang vor dem tatsächlichen Willen des Patienten!

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht sollten sinnvollerweise gemeinsam erstellt werden. In der Vorsorgevollmacht sollte dann darauf verwiesen werden, dass der Bevollmächtigte an die Patientenverfügung gebunden ist und den darin geäußerten Willen gegenüber Ärzten und Pflegepersonal durchzusetzen hat.

Eine englische Internetseite mit Informationen rund um NF2 (mit Übersetzer-Button) www.nf2is.org

Neuste Informationen aus der Forschung: www.advocure.org (vierteljährlicher Newsletter)

Weitere Seiten mit Informationen und regelmäßiger Veranstaltungen von Webinare: http://www.nfnetwork.org/

children tumor foundation: www.ctf.org

Facebookgruppen "nf2 gruppe" und "nf2 just us":

  • Just us (internationale Gruppe ausschließlich für NF2 Betroffene selbst)
  • NF2 Gruppe (Social media Ergänzung zum bestehenden NF2-Forum)

Das deutsche E-Mail Forum der bundesweiten Selbsthilfegruppe: http://de.groups.yahoo.com/group/NF2-Forum/

Three overlapping circles of different sizes and colors: large dark red, medium light green, and small pale pink on a white background.

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