Forschungsprojekte
Neurofibromatose ist eine von über 8000 bekannten seltenen Erkrankungen. Für Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung von Therapie und Heilung fehlen aufgrund dieser enormen Vielzahl oft nicht nur die notwendigen personellen und finanziellen Mittel. Es müssen auch Wissenschaftler gewonnen werden, die bereit sind, sich für die Erforschung der Neurofibromatose persönlich zu engagieren.
Von Gründung an ist es für den Bundesverband Neurofibromatose eines der zentralen Themen, Forschung zu unterstützen, Aufklärungsarbeit zu leisten und finanzielle Mittel hierfür einzuwerben. Dank der Hilfe von Förderern konnten über die Jahre bereits viele wichtige Forschungsprojekte ins Leben gerufen werden. Die Erkenntnisse aus den Studien haben neue, wirkungsvolle Therapieansätze ermöglicht.
Einige Auswirkungen der Erkrankungen Neurofibromatose Typ 1, Typ 2 und Typ 3 lassen sich bereits heute erfolgreich behandeln. Jeder Teilerfolg auf dem Weg, Kindern und Erwachsenen mehr Lebensqualität zu geben, zählt. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Neurofibromatose als sehr komplexe Erkrankung in ihren Auswirkungen mehr und mehr abzumildern und irgendwann heilbar zu machen.
Lernförderung bei NF1
Schwierigkeiten beim Rechtschreiben können den schulischen Erfolg deutlich beeinträchtigen. Damit Eltern in die Lage versetzt werden, ihre Kinder dabei zu unterstützen,sowohl die Rechtschreibung zu verbessern als auch die allgemeinen Lernfähigkeiten auszubauen, hat der Bundesverband Neurofibromatose zusammen mit dem Lernserver-Team ein spezielles Fortbildungs- und Begleitangebot entwickelt.
Dieses basiert auf den an der Universität Münster in den vergangenen Jahren gemachten Forschungen, Entwicklungen und dem geleisteten Wissenstransfer.
Aufmerksamkeitsstörung bei NF1
Seit mehr als 10 Jahren unterstützt der Bundesverband - dank der bereitgestellten Spenden - die Erforschung und Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung bei Neurofibromatose Typ 1 (NF1).
Die Überprüfung der positiven Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie für Kinder und Jugendliche im Jahr 2002 war ein Meilenstein für Betroffene, um mehr Lebensqualität zu gewinnen und einen begabungsgerechten Schulabschluss zu erreichen.
Die häufig auftretenden Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen beeinträchtigen die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen signifikant. Bei etwa 30% der Erwachsenen mit NF1 bestehen diese Symptome weiterhin.
Gegenwärtig zeigt eine rückblickende Analyse, dass Kinder und Jugendliche unter medikamentöser Therapie eine verbesserte Intelligenz im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe ausbilden.
Der Bundesverband fördert mit den Spenden seiner Förderer aktuell die Sach- und Personalkosten für eine Studie der Kinderklinik der Universität der Tübingen mit der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf/NF-Ambulanz, um die vorliegenden Annahmen zu überprüfen und neue Therapieansätze zu entwickeln.
Durch die vom Bundesverband geförderte Arbeit wurde bisher Folgendes erreicht:
- Die Etablierung einer neurobiologischen Testbatterie, mit deren Hilfe die z. T. sehr komplexen Lernstörungen diagnostiziert werden können.
- Der Aufbau einer Datenbank zur Dokumentation der Testergebnisse mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit der eingeschlagenen Therapiewege zu erfassen und daraus Therapieempfehlungen abzuleiten.
Wenn sich die sehr zuversichtlichen Ergebnisse aus den Vorstudien über die aktuell laufende Studie bestätigen lassen, d. h., dass eine Verbesserung der Hirnleistung durch die medikamentöse Therapie erreicht wird. So könnten die bisher bekannten negativen Auswirkungen der Lernstörungen, insbesondere bei Kindern mit unterdurchschnittlichem IQ, gut abgefangen werden. Es das Ziel der neu angelegten Studie, eine deutliche Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit einer Neurofibromatose Typ 1 zu erreichen, indem sie schulisch und beruflich gut integriert sind. Um eine ausreichende Zahl an Fällen in die Studie aufnehmen zu können, bedarf es weiterer finanzieller Mittel.
Vitamin-D Mangel bei NF1
Mit Unterstützung des Bundesverbandes Neurofibromatose wurden erste Studien zur Bestimmung der Knochendichte bei NF1-Betroffenen im Jahr 2004 veröffentlicht.
Es zeigte sich, dass fast alle Patienten mit starker Neurofibromausprägung der Haut einen niedrigen Vitamin-D Spiegel im Blut aufwiesen.
Mit Unterstützung des Bundesverbandes Neurofibromatose wurden erste Studien zur Bestimmung der Knochendichte bei NF1-Betroffenen im Jahr 2004 veröffentlicht.
Mittels Ultraschall konnte gezeigt werden, dass die Knochensubstanz bei NF1 Betroffenen in sich vermindert ist. (Lammert et.al 2004)
Forscher untersuchten mit Unterstützung des Bundesverbandes, ob möglicherweise eine Verminderung des Vitamin-D Spiegels für die verringerte Knochenmineralisierung verantwortlich sein könnte. Sie fanden in der Tat deutlich erniedrigte Vitamin-D Werte bei Erwachsenen im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung. Überraschend war, dass fast alle Patienten mit starker Neurofibromausprägung der Haut einen niedrigen Vitamin-D Spiegel im Blut aufwiesen. In den Folgejahren wurden dann Knochendichtemessungen mit sog. DXA-Geräten durchgeführt, die jetzt bestätigten, dass Knochen von NF1-Betroffenen tatsächlich weich und unzureichend mineralisiert sind. In 2009 konnte in ersten Untersuchungen aufgezeigt werden, dass erwachsene NF1-Patienten häufiger Knochenbrüche erleiden als die Normalbevölkerung. Schließlich unterstützte der Bundesverband eine Hamburger Arbeitsgruppe, die im Jahr 2013 erstmalig zeigte, dass die Medikation mit Vitamin-D und Calcium die Verminderung der Knochendichte aufzuhalten vermag und eine Mineralisierung der Knochen unterstützt.
Gleichzeitig wird geprüft, ob Kinder mit NF1 bereits einen Vitamin D Mangel aufweisen. Erste Auswertungen weisen nicht darauf hin; in Kürze wird eine Veröffentlichung durch die Unterstützung des Bundesverbandes möglich werden.
Diese Forschungsprojekte haben aktuell zur Genehmigung eines internationalen Forschungsvorhabens durch das DOD (Departement of Defense) geführt.
Individualisierte Diagnostik und Therapie
Um eine exaktere Quantifikation vom Neurofibromwachstum der Haut, vor allem aber von internen Tumoren und plexiformen Neurofibromen zu ermöglichen, wird seit 2003 der Einsatz von Ganzkörperkernspintomografie und Tumorvolumetrie bei NF1 und NF2 erforscht.
Neurofibromwachstum im Bereich der Haut führt zu Entstellung und wird von Patienten ab dem Jugendalter in allen Altersklassen beobachtet.
Bislang ist eine exakte Quantifikation vom Neurofibromwachstum der Haut nicht möglich. Gefahren gehen allerdings nur von internen Tumoren aus. Seit 2003 haben sich daher Forscher und Ärzte - mit Unterstützung des Bundesverbandes Neurofibromatose - der Einführung der Methode der Ganzkörperkernspintomografie bei NF1 gewidmet. Sie erlaubt grundsätzlich bei Betroffenen Tumorwachstum im Körperinneren zu identifizieren, welches bei klinischer Untersuchung nicht sichtbar ist. Damit wurden erstmalig die klinischen Erscheinungsbilder der NF1 neu und exakt definiert. Es ergab sich aber eine Problematik bei der konventionellen Analyse von Kernspinbildern, bei der Tumore nur zweidimensional erfasst werden, sodass bedeutsame Messfehler entstehen können. Daher initiierte der Bundesverband im Rahmen der Nachwuchsförderung Forschungsaufenthalte für junge Ärzte am NIH (National Institute of Health, USA), um die Methode der Tumorvolumetrie zu erlernen. Diese Methode erlaubte die exakte Wachstumsbeschreibung von plexiformen Neurofibromen. Erste Früchte dieses Engagements ergaben sich durch die Erkenntnis, dass plexiforme Neurofibrome im Körper selbst ein wesentlicher Risikofaktor für das Auftreten von malignen peripheren Nervenscheidentumoren sind (Mautner et al. 2008). Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse haben die Wissenschaftler von der Deutschen Krebshilfe ein Forschungsvorhaben genehmigt bekommen. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt verändern jetzt maßgeblich die medizinische Betreuung von NF1 Patienten mit plexiformen Neurofibromen (Nguyen et al. 2012, Nguyen et al. 2013). Die Volumetrie wird aktuell bei NF1-Patienten eingesetzt, um den Effekt von möglichen therapeutischen Substanzen im Heilversuch zu überprüfen oder Studien für Biomarker durchzuführen. Auch in Langzeitbeobachtungen kann so überprüft werden, ob Kinder, die keine Tumoren im Körper aufweisen, tatsächlich in ihrem Leben keine internen Tumoren entwickeln werden. Damit kommen wir dem Ziel näher, Risikogruppen einer verbesserten Behandlung und Überwachung zuzuführen. Die Tumorvolumetrie wird auch eingesetzt werden, wenn in absehbarer Zeit erste Medikamentenprüfungen durchgeführt werden sollen.
Forschungsprojekte zur NF2
Seit den 90er Jahren hat der Bundesverband begonnen, Forschungsvorhaben im Bereich NF2 zu fördern. Es galt seinerzeit die Erkenntnisse über das Krankheitsbild zu verbessern und die genetischen Kenntnisse zu erweitern. Entscheidende Impulse konnten für klinische und molekulare Diagnostik durch Sach- und Personalkostenförderung erreicht werden.
Beispielhaft ist das Verständnis des Krankheitsbildes der NF2 im Kindesalter oder auch die Entdeckung, dass NF2 in unterschiedlicher Ausprägung vorkommt und insbesondere auf die sogenannte Mosaikbildung zurückzuführen ist (Mautner 1993, Mautner 1996, Kluwe 1998).
Es wurden Zentren gefördert und unterstützt, die eine fachübergreifende Behandlung von NF2 Patienten gewährleisten, da diese ohne Zweifel bessere Behandlungserfolge erzielen.
Für NF2-Betroffene ist die Messung des Tumorwachstums (Tumor-Volumetrie-Messung) nach durchgeführter Kernspintomografie wesentlich. Zwei jungen Mediziner wurde im Rahmen des Programms zur Nachwuchsförderung ermöglicht, diese Methoden zu erlernen. Somit konnten die seit 2008 begonnenen Medikamentenprüfungen im Rahmen von Heilversuchen mittels exakter Volumetrie durchgeführt werden (Plotkin 2009, Mautner 2009).
Wir fördern derzeit die Einrichtung eines NF2-Patientenregisters, um die Erfahrungen mit der medikamentösen Behandlung von NF2-Betroffenen systematisch auszuwerten.
Die Erforschung der peripheren Nervenschäden bei NF2-Betroffenen sowie von Schwannomatose-Betroffenen wird aktuell vom Bundesverband unterstützt (Baumer 2012, Schulz 2013).
Beratung auf allen Ebenen
Ein großes Anliegen unseres Vereins ist die soziale Integration der NF-Betroffenen. Sie sollen trotz Erkrankung auch weiterhin ein möglichst selbstständiges Leben führen können. Besonders beeinträchtigt von der Krankheit sind Menschen mit dem Typ 2 der Neurofibromatose. Sie werden häufig mit Ertaubung und/oder Querschnittslähmung konfrontiert. So macht es sich der Bundesverband Neurofibromatose zur Aufgabe, hier konkrete und praktische Hilfe zu leisten. Wichtig sind nicht nur persönliche Kontakte zu den Betroffenen, sondern auch intensiver Austausch mit den zuständigen Sachbearbeitern bei Krankenkassen, Rentenversicherungsträgern, Versorgungsämtern und Kommunalverwaltungen zu Themen wie:
- Umschulungsmaßnahmen
- Erlangung des Behindertenstatus
- Frühberentung
- Sozialhilfe
- Technische Hilfsmittel, die vor allem den Ertaubten die Teilnahme am sozialen Leben ermöglichen.
Abgeschlossene Projekte
Im Verbund mit Betroffenen – für eine bessere Lebensqualität !
Das BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung - hat im Jahr 2008 ein Förderprogramm für die so genannten seltenen Erkrankungen ausgeschrieben. Hier galt es, für diese Erkrankungen eine Plattform einzurichten, in dessen Rahmen die Bewerber Forschungsprojekte zur konkreten Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit seltenen Erkrankungen einreichen konnten.
Im Rahmen eines Verbundprojektes, wurde von verschiedenen Ärzten und Wissenschaftlern auch ein Forschungsprojekt zur Neurofibromatose Typ1 eingereicht.
Dieses enthält Projekte zur verbesserten Behandlung von peripheren malignen Nervenscheidentumoren, ein Projekt zur Erforschung der Behandlung der Pseudarthrose sowie einen Bereich zur Diagnose und Behandlung der psychischen Beeinträchtigungen bei NF1, sowie ein Projekt, das die aktuelle Versorgungssituation von Menschen mit NF1 in Deutschland aufklären und den Informationsaustausch zwischen Betroffen und Ärzten sowie Ärzten und Betroffenen fördern soll.
Erfreulicherweise wurde dieses Gesamtvorhaben zur Förderung ausgewählt und wird über mehrere Jahre finanziell unterstützt.
Die Ergebnisse des Projektes werden dazu beitragen, die Lebensqualität der Betroffenen zu deutlich verbessern!
Grundvoraussetzung um die Lebensqualität von Menschen die an einer seltenen chronischen Erkrankung wie Neurofibromatose leiden zu verbessern ist ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Ärzten und Betroffenen und umgekehrt. Nur wenn die Mediziner die Leiden und Belange der Betroffenen besser verstehen und die Betroffenen von der Ärzten über ihre Krankheit verständlicher aufgeklärt werden, sind Fortschritte zu erreichen.
Die Förderung dieser Dialoge und des Informationsaustausches ist ein zentrales Anliegen sowohl der Von Recklinghausen Gesellschaft e.V. als Bundesverband Neurofibromatose als auch des aktuellen BMBF-Projekts.
Deshalb wurde die 8. Bundestagung der Von Recklinghausen Gesellschaft e.V. auch ganz im Sinne dieses Förderprogramms abgehalten.
Einige der auf der Tagung von den Projektteilnehmern gehaltenen Vorträge werden hier verkürzt wiedergegeben.
- Die Versorgungslage von NF-Betroffenen in Deutschland (Prof. Dr. V.-F. Mautner)
- Kombinationstherapie für komplexe Tumoren bei NF1.... (Dr. Nikola Holtkamp)
- Was könnten Substanzen bei bösartigen Nervenscheidentumoren bewirken, die zum Zelltod und zur Zellveränderung führen? (Dr. David Reuss)
- Was wir über Vitamin D bei NF1 wissen und wissen wollen? (Dr. Claudia Schnabel) (Das Projekt wird zwar nicht vom BMBF gefördert, gehört aber zu den zur Zeit wichtigen Forschungsarbeiten)
- Die Erarbeitung eines umfassenden Beratungskonzeptes für die psychosozialen Belastungsfaktoren. (Dr. Corinna Petersen-Ewert)
- Gibt es eine Therapiemöglichkeit durch die Verwendung von künstlich hergestellten Neurofibromin bei NF1 Tumoren? (PD Dr. Klaus Scheffzek; PD Dr. Dieter Kaufmann)
Kombinationstherapie für komplexe Tumore
Kombinationstherapie für komplexe Tumoren bei NF1: Was können individuelle Therapieansätze leisten?
Vortrag auf der 8. Bundestagung der Von Recklinghausen Gesellschaft e.V.
Dr. Nikola Holtkamp, Berlin
Onkolytische Viren und mTOR Inhibitoren zur Kombinationstherapie von Neurofibromen und MPNST
Nervenscheidentumore sind ein Hauptmerkmal der Neurofibromatose Typ 1 (NF1). Fast alle NF1 Patienten entwickeln im Laufe ihres Lebens Nervenscheidentumore. Am häufigsten sind die dermalen Neurofibrome. Plexiforme Neurofibrome sind seltener und werden etwa bei einem Drittel der Patienten beobachtet. Circa 10% der NF1 Patienten entwickeln im Laufe ihres Lebens einen malignen peripheren Nervenscheidentumor (MPNST). Dieser geht in der Regel aus einem bereits vorhandenen plexiformen Neurofibrom hervor (man bezeichnet diesen Vorgang als maligne Entartung).
MPNST sind bösartige Tumore und bereiten große Schwierigkeiten in der Therapierbarkeit. Aufgrund ihres invasiven Wachstums können sowohl MPNST als auch plexiforme Neurofibrome nur selten vollständig chirurgisch entfernt werden. Chemo- und Radiotherapie führen ebenfalls nur zu unbefriedigenden Resultaten. Aus diesem Grund muss unbedingt an neuen therapeutischen Konzepten gearbeitet werden. Hierbei können wir von den generellen Fortschritten im Bereich der Onkologie profitieren, die in den letzten Jahren zur Zulassung einer Reihe neuartiger Medikamente für unterschiedliche Tumorarten geführt haben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt - neben der Therapie - ist die Früherkennung einer malignen Entartung eines Nervenscheidentumors. Diese ist derzeit nur durch einen chirurgischen Eingriff und anschließende histologische Untersuchungen sicher zu erkennen. Ein Marker, der im Patientenblut eine bösartige Veränderung frühzeitig anzeigen würde, wäre sehr wünschenswert. Denn je früher ein bösartiger Tumor entdeckt wird, desto besser sind die Heilungschancen.
Forschungsziele
Unser Projekt widmet sich der Erforschung neuartiger Behandlungskonzepte für Patienten mit MPNST und Neurofibromen. Zusätzlich arbeiten wir daran, einen Serummarker zur Früherkennung einer malignen Entartung zu identifizieren.
Der MPNST ist ein sehr komplexer Tumor, der zahlreiche molekulare Veränderungen in Onkogenen und Tumorsuppressorgenen aufweist. Dies gibt den Tumorzellen die Möglichkeit, konventionellen, aber auch zielgerichteten Therapien, zu entkommen.
Wir streben daher eine multimodale Behandlungsstrategie an, die den Tumor von unterschiedlichen Seiten angreift und ihm damit weniger „Fluchtmöglichkeiten" lässt. In unserem Kombinationsansatz wollen wir den tumorzerstörenden Effekt onkolytischer Viren mit wachstumshemmenden Kinaseinhibitoren kombinieren und hoffen auf eine synergistische Wirkungsweise.
Onkolytische Viren sind harmlose Viruspartikel, die genetisch so verändert wurden, dass sie gezielt die Tumorzellen schädigen, nicht aber gesunde Körperzellen. Man spricht von so genannten attenuierten (abgeschwächten) Viren. In unserem Fall handelt es sich um Abkömmlinge des Herpes Simplex Virus Typ 1 (HSV-1). Fast jeder Erwachsene ist bereits mit HSV-1 infiziert, bei einigen Personen führt das Virus gelegentlich zu Lippenbläschen. Solche Symptome werden aber bei den onkolytischen Viren aufgrund ihrer Abschwächung nicht entstehen.
Zur Verstärkung des anti-tumor Effekts sollen die Viren zusätzlich mit einem Eiweiß versehen werden, dass zum einen die Blutversorgung des Tumors behindert (anti-angiogenetisch wirkt) und zum anderen das körpereigene Immunsystem zur Bekämpfung der Tumorzellen stimuliert. Es handelt sich hierbei um das kleine Eiweiß Interleukin-12, das natürlicherweise von Immunzellen des Menschen produziert wird.
Des Weiteren werden wir Inhibitoren der Kinase mTOR zur Tumorbekämpfung nutzen. Der Grund hierfür liegt in einer erhöhten Aktivität des Akt/mTOR Signalweges vor allem in MPNST, wahrscheinlich aber auch in Neurofibromen. Dieser Signalweg führt unter anderem zu stärkerem Wachstum von Zellen und kurbelt die Gefäßversorgung an. Es konnte bereits an Zellkulturen und im Mausmodell gezeigt werden, dass eine Behandlung mit einem mTOR Inhibitor zu stark vermindertem Wachstum von MPNST Zellen führt. Unsere eigenen Daten bestätigen diese Befunde.
Nicht jede MPNST Zelllinie spricht gleich gut auf die Behandlung mit mTOR Inhibitoren an. Im Sinne einer maßgeschneiderten Therapie ist es essentiell zu verstehen, welche molekularen Grundlagen sich für das Ansprechen auf eine Substanz verantwortlich zeichnen. Wir wissen zwar, dass eine erhöhte Aktivität des mTOR Signalweges in vielen MPNST vorliegt, aber nicht genau warum. Es gibt Hinweise, dass eine beeinträchtigte Funktion des Neurofibromins (das Eiweiß welches durch das NF1 Gen kodiert wird) zu einer mTOR Aktivierung führt.
Ein anderer Grund scheint in der Veränderung des Tumorsuppressorgens PTEN zu liegen. Wir konnten kürzlich nachweisen, dass diese Veränderungen in MPNST häufig vorkommen. PTEN ist ein wichtiger Regulator des mTOR Signalpfades und sorgt normalerweise dafür, dass mTOR nicht zu aktiv ist. Fehlt PTEN, wird der Akt/mTOR Signalpfad unkontrolliert aktiviert und führt letztendlich zu verstärktem Wachstum. Wir erwarten, dass insbesondere MPNST mit fehlendem PTEN und daher erhöhter mTOR Aktivität gut auf die Behandlung mit mTOR Inhibitoren ansprechen.
Somit könnte es in der Zukunft möglich werden, aufgrund molekularer Tumormerkmale eine Therapie zu wählen, die voraussichtlich für einen individuellen Patienten besonders geeignet ist. Diese Vorgehensweise bezeichnet man als „maßgeschneiderte Therapie". Ein Patient mit anderen Tumormerkmalen bekäme demnach auch eine andere Therapie. Dieses Vorgehen soll Patienten davor bewahren, Therapieformen (und ihren Nebenwirkungen) ausgesetzt zu sein, die bei ihnen nicht zum Erfolg führen würden.
In unseren Zellkulturexperimenten wollen wir untersuchen, ob PTEN Veränderungen der Zelllinien für die unterschiedliche Empfindlichkeit der verschiedenen MPNST Zelllinien verantwortlich sind. Außerdem möchten wir die optimalen Konzentrationen der onkolytischen Viren und mTOR Inhibitoren als Einzelmedikation und in Kombination testen. Diese Daten werden uns bei den Tierexperimenten als Grundlage dienen.
Auch bei der Serumdiagnostik könnte uns das Tumorsuppressorgen PTEN von Nutzen sein. Unsere Daten weisen auf verschiedenartige Veränderungen des PTEN Gens. Eine dieser Veränderungen ist die Methylierung des PTEN Promotors. Methylierung von genetischem Material kann wie ein Schalter funktionieren. Normalerweise liegen Tumorsuppressorgene wie PTEN unmethyliert vor, das bedeutet, sie sind eingeschaltet. In Tumoren werden Tumorsuppressorgene oft durch Methylierung ausgeschaltet. Wenn PTEN methyliert vorliegt, würde das vermutlich zu Abwesenheit bzw. weniger Produktion von PTEN führen. Wir konnten zeigen, dass PTEN Methylierung ausschließlich in MPNST (in etwa 50% der Fälle), aber nicht in dermalen und plexiformen Neurofibromen vorkommt. Daher vermuten wir, dass PTEN Methylierung mit maligner Entartung einhergeht und diese frühzeitig anzeigen könnte.
Hierbei machen wir uns zu nutze, dass Erbsubstanz absterbender Tumorzellen in das Blut gelangt. Das genetische Material der Tumorzellen kann dann einfach und schnell aus dem Blutserum des Patienten isoliert werden. Wir wollen daher prüfen, ob Patienten, die einen MPNST mit PTEN Methylierung haben, auch im Serum dieses Merkmal zeigen und der Tumor somit seinen „Fingerabdruck" hinterlässt. Serummarker werden für verschiedenste Erkrankungen gesucht.
So sinnvoll und wichtig die Suche nach Serummarkern ist, so groß ist allerdings auch die Herausforderung. Denn ein guter Serummarker muss viele Prüfkriterien erfüllen, um einen Wert zu besitzen. Ein wichtiges Kriterium ist, dass der Marker weitgehend spezifisch für eine Erkrankung ist und nicht durch viele andere Faktoren, wie beispielsweise Lebenswandel oder Infektionen, verändert wird. Da es oft sehr schwer ist einen spezifischen Marker zu finden, wird teilweise auch versucht, mehrere Marker heranzuziehen. Ein Muster mehrerer Marker soll dann mehr Sicherheit geben. Wir versuchen daher auch über andere Wege geeignete Serummarker zu identifizieren.
Die aus dem Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse sollen möglichst schnell den Patienten zugute kommen und nicht im so genannten „Elfenbeinturm der Wissenschaft" verbleiben. Daher ist geplant, die gewonnenen Resultate als Basis für eine klinische Studie zu nutzen. Eine zügige Umsetzung wird durch die klinische Erfahrung mit den mTOR Inhibitoren begünstigt. Sie werden bereits seit vielen Jahren bei transplantierten Patienten eingesetzt und seit kurzem ist ein mTOR Inhibitor auch für die Behandlung von Tumor-Patienten (Nierenzellkarzinom) in Deutschland zugelassen. Die Behandlung mit dem Medikament scheint mit nur geringfügigen, reversiblen Nebenwirkungen einherzugehen. Die onkolytischen Viren sind zwar bis jetzt noch nicht für die Behandlung von Patienten zugelassen, erste klinische Studien zur Verträglichkeit wurden aber bereits in den USA durchgeführt und zeigten, dass die Viren ungefährlich sind und gut vertragen werden.
Was könnten Substanzen bei bösartigen Nervenscheidentumoren bewirken, die zum Zelltod und zur Zellveränderung führen?
Vortrag auf der 8. Bundestagung der Von Recklinghausen Gesellschaft e.V.
Dr. David Reuss, Heidelberg
Apoptoseinduzierende Substanzen als potentielle Therapeutika bei malignen peripheren Nervenscheidentumoren
Maligne periphere Nervenscheidentumoren (MPNST) sind schnell wachsende, bösartige Weichteiltumoren, die bei Patienten mit Neurofibromatose Typ I gehäuft auftreten. Sie können Absiedlungen in anderen Organen bilden und sind deshalb eine häufig zum Tod führende Erkrankung. Die Behandlung besteht aus einer möglichst vollständigen operativen Entfernung. Bestrahlung und Chemotherapie werden ebenfalls eingesetzt, es hat sich jedoch gezeigt, dass MPNST häufig unempfindlich gegenüber einer Bestrahlung oder einer herkömmlichen Chemotherapie sind. Die Ursachen dieser Widerstandsfähigkeit zu verstehen und neue Wege zu finden, die Tumorzellen zu bekämpfen, sind daher wichtige Forschungsfelder. Ein attraktiver Ansatz besteht darin, Tumorzellen dazu zu bringen, sich selbst zu töten.
Grundsätzlich haben alle Zellen ein eingebautes „Selbstmord"-Programm, was als programmierter Zelltod oder Apoptose bezeichnet wird. Es ist sehr wichtig in der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Geweben und Organen. Wenn es gestört ist, kann dies zur Krebsentstehung beitragen. Man unterscheidet zwei verschiedene Signalwege in der Zelle, die zur Apoptose führen. Einen vom Inneren der Zelle kommenden Weg, der z.B. durch eine Schädigung des Erbguts (DNA) ausgelöst werden kann und einen von außen kommenden Weg, der durch die Bindung bestimmter Eiweiße (Proteine) an Oberflächenmoleküle (so genannte Todesrezeptoren) der Zelle ausgelöst werden kann. Der programmierte Zelltod wird durch die Aktivierung bestimmter Enzyme in der Zelle ausgelöst, welche zahlreiche zellulare Bausteine, die zum Überleben der Zelle unabdingbar sind, wie Scheren zerschneiden.
Ob das Apoptose-Programm in einer Zelle abläuft oder nicht, hängt auch von dem Gehalt der Zelle an verschiedenen Apoptose regulierenden Proteinen ab. Dabei unterscheidet man zwischen Eiweißen, die die Apoptose fördern und solchen, die sie hemmen. So gibt es beispielsweise Eiweiße, die sehr wirksam die Scheren-Enzyme blockieren können. Solche die Apoptose hemmenden Eiweiße sind häufig in bösartigen Tumorzellen in großen Mengen vorhanden.
Normale Zellen können bei Schädigung des Erbguts den Zelltod auslösen. Eine Fehlregulation des programmierten Zelltods ist ein wesentliches Element in der Tumorentstehung und auch die Grundlage für die Widerstandsfähigkeit einiger Tumoren gegenüber einer Bestrahlung oder einer Chemotherapie. Dies gilt auch für MPNST. Hierbei scheint insbesondere der Innere Weg der Apoptose, welcher durch eine Schädigung der DNA vermittelt wird, nicht mehr zu funktionieren.
Durch Forschung an anderen Tumoren weiß man, dass es jedoch einen zweiten Weg gibt, den programmierten Zelltod auszulösen. Wenn die Tumorzellen mit bestimmten Eiweißen behandelt werden, die sich gezielt an bestimmte Oberflächenmoleküle binden, wird dadurch in der Zelle eine Kettenreaktion ausgelöst, die zum Tod der Zelle führt. An dieser Kettenreaktion sind viele verschiedene Eiweißbausteine beteiligt. Von besonderem Interesse ist hierbei, dass sich herausgestellt hat, dass die „Todesbotschaft" dieser Eiweiße nur bösartige Zellen erreicht, denn normale Zellen bleiben verschont. Dies scheint teilweise daran zu liegen, dass nur bösartige Zellen die entsprechenden Todesrezeptoren an der Zelloberfläche tragen.
Dieser Therapieansatz wird bislang dadurch erheblich eingeschränkt, dass nicht alle Tumorzellen empfindlich sind, obwohl sie die notwendigen Oberflächenrezeptoren besitzen. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass Tumorzellen bestimmte Eiweißbausteine in großen Mengen bilden können, die die zum Zelltod führende Kettenreaktion frühzeitig stoppen können. Es ist daher wichtig zu versuchen, mit Hilfe einer Kombinationstherapie auch die eigentlich unempfindlichen Tumorzellen für diese Form der Apoptose zu sensitivieren, ohne jedoch die Unempfindlichkeit normaler Zellen zu verändern. Bei anderen Tumorformen sind dabei in den letzten Jahren verschiedene Pflanzenstoffe erfolgreich in vorklinischen Studien eingesetzt worden.
Diese Pflanzenstoffe wurden aus uns wohl bekannten Nahrungsmitteln gewonnen, z.B. Trauben, Zwiebeln, Chili, Brokkoli, Tomaten, Knoblauch und grünem Tee.
Obwohl diese Stoffe chemisch teilweise sehr unterschiedlich sind, scheinen sie eines gemeinsam zu haben. Sie können diejenigen Signalwege stören, die in Tumorzellen besonders aktiv und wichtig sind. Deshalb haben diese Pflanzenstoffe auch auf normale Zellen keine schädlichen Einflüsse. Diese Stoffe werden auch als Ursache für die vor Krebs schützende Wirkung der genannten Nahrungsmittel angesehen. Von besonderer Bedeutung ist, dass sie die Menge an Apoptose hemmenden Eiweißen in den Tumorzellen deutlich verringern können. Es hat sich gezeigt, dass die Kombination von Apoptose auslösenden Eiweißen und bestimmten Pflanzenstoffen häufig zu einer Verstärkung des programmierten Zelltods führt und zuvor unempfindliche Tumorzellen für die Apoptose empfindlich macht.
Auf diesen Grundlagen aufbauend, möchte das geförderte Forschungsprojekt einerseits die Grundlagen der gestörten Apoptose in MPNST Zellen ermitteln und andererseits testen, inwieweit es möglich ist, in MPNST Zellen den programmierten Zelltod auszulösen. Dies soll zunächst an verschiedenen kultivierten Zellen im Labor durchgeführt werden. Dabei werden verschiedene so genannte Zelllinien verwendet, das heißt Zellen, die vor langer Zeit aus einem MPNST Tumor gewonnen wurden und die seit dem unter Laborbedingungen weiter wachsen. Da man weiß, dass sich Tumorzellen, die längere Zeit unter Laborbindungen wachsen, verändern können, sollen auch Zellen verwendet werden, die frisch aus einem Tumor gewonnen wurden. Zwar sind Untersuchungen zur Widerstandsfähigkeit von Tumorzellen gegenüber der Apoptose ein großes Forschungsfeld in der allgemeinen Krebsforschung, jedoch ist unser Wissen über die speziellen Verhältnisse bei MPNST sehr bruchstückhaft. Es wird angenommen, dass der Verlust des Neurofibromin-Proteins zur gestörten Apoptose beiträgt, jedoch ist weitgehend unbekannt, welche Proteinbausteine in den Tumorzellen in besonderem Maße, im Vergleich zu normalen Zellen, verändert sind. Zusätzlich sind eine Reihe weiterer Veränderungen in MPNST Tumoren bekannt, welche ebenfalls einen Einfluss auf die Apoptose der Zellen haben könnten. Ein wichtiges Zwischenziel des Projekts ist deshalb die Untersuchung einer ganzen Reihe von für die Apoptose Regulation wichtiger Eiweiße. Parallel soll ermittelt werden, welche Tumorkulturen auf Apoptose auslösende Eiweiße reagieren und welche nicht. Anschließend soll die Wirkung verschiedener Pflanzenstoffe auf die Tumorzellen untersucht werden. Derjenige Stoff, der dabei die größte Wirkung auf Apoptose regulierende Eiweiße besitzt, soll dann mit den Apoptose auslösenden Eiweißen kombiniert werden.
Die im Labor erfolgreichste Behandlung soll schließlich in einem Mausmodell untersucht werden. Dabei werden menschliche Tumorzellen in Mause gespritzt, die ein gestörtes Immunsystem haben und in denen die Tumorzellen wachsen können. Diese Mäuse werden anschließend mit den Zelltod auslösenden Substanzen behandelt.
Die Erarbeitung eines umfassenden Beratungskonzeptes
Vortrag auf der 8. Bundestagung des Bundesverbandes Neurofibromatose
Dr. Corinna Petersen, Hamburg
„Psychosoziale Unterstützung für Patientinnen und Patienten mit Neurofibromatose – Entwicklung eines umfassenden Beratungskonzeptes"
Hintergrund
Die Diagnose einer Neurofibromatose stellt für die Betroffenen und ihre Angehörigen ein einschneidendes Lebensereignis dar. Die Erkrankung geht mit einer Spannbreite von klinischen Symptomen und einer interindividuellen Varianz einher, so dass die möglichen Krankheitsfolgen ebenfalls stark voneinander variieren. Erkrankungsverläufe werden durch psychische Faktoren, z.B. in Form von individuellen Ressourcen, beeinflusst. Persönliche Ressourcen können Patientinnen und Patienten dazu befähigen, ein erfülltes Leben trotz ihrer Erkrankung zu führen. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität, auch als subjektive Gesundheit bezeichnet, stellt ein Kriterium dar, um u.a. die Auswirkungen einer Erkrankung messbar zu machen. Es reflektiert die Patientenperspektive in Bezug auf das Wohlbefinden und die Funktionsfähigkeit in psychischen, physischen, mentalen, sozialen und alltäglichen Bereichen des Lebens. Die Verbesserung der Lebensqualität stellt ein zentrales Ziel für die Behandlung von chronischen Erkrankungen dar. Daher hat sich die Lebensqualität als Ergänzung zu medizinischen Parametern auch als Outcome-Indikator in der Medizin etabliert. Lebensqualitätsmessinstrumente wurden bereits in zahlreichen Studien, vor allem mit Erwachsenen, eingesetzt. Es existieren allerdings nur wenige Untersuchungen zum Thema Lebensqualität und Belastungen von betroffenen Patientinnen und Patienten mit Neurofibromatose (NF1). Außerdem haben die Erkenntnisse aus neuropsychologischen Testungen in den letzten Jahren steigende Beachtung erhalten. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Lebensqualitätsdaten und neuropsychologischen Parametern ist ein junges Forschungsfeld. Ob und wie Neurofibromatose die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten beeinträchtigt oder sich neuropsychologische Auffälligkeiten langfristig zeigen, kann bislang noch nicht endgültig beantwortet werden. Einige Ergebnisse weisen allerdings auf die negativen psychosozialen Konsequenzen der Neurofibromatose-Erkrankung hin, insbesondere im Hinblick auf psychische und kognitive Beeinträchtigungen.
Das Teilprojekt 6 des Forschungsverbundes zielt auf die Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und neuropsychologischer Folgen einer Neurofibromatose (NF1). Zudem werden die Belastungen und Bedürfnisse der Patienten und Patientinnen erfasst, um ein umfassendes Beratungsprogramm in Modulform entwickeln zu können. Die Beratungsmodule werden im Rahmen des Projektes einer Pilottestung unterzogen und anschließend für interessierte Behandler zugängig gemacht.
Methode
Das Forschungsprojekt ist in zwei parallel ablaufende Teilstudien gegliedert. Teilstudie 1 nutzt ein längsschnittliches Design mit insgesamt drei Messzeitpunkten (T0= Kontaktaufnahme, T1= sechs Monate später, T2= zwölf Monate später) und richtet sich nur an erwachsene Patientinnen und Patienten mit einer Neurofibromatose vom Typ 1 (NF1). Insgesamt 100 erwachsene Patientinnen und Patienten sollen zu den drei Messzeitpunkten in die Fragebogenstudie einbezogen werden. Das längsschnittliche Design ist für die Beschreibung von Krankheitsverläufen unabdingbar. Zusätzlich werden diese Patientinnen und Patienten zu einem der Messzeitpunkte neuropsychologisch untersucht. Die zweite Teilstudie untersucht die Folgen einer NF1 für Kinder und Jugendliche. Hierfür sollen insgesamt 50 Kinder und Jugendliche mit einer Neurofibromatose vom Typ 1 im Alter von 8 bis 18 Jahren zu einem Messzeitpunkt untersucht werden.
Für den Fragebogen werden vor allem bereits etablierte reliable und valide Messinstrumente verwendet und entsprechende Versionen für verschiedene Altersgruppen erstellt. Ebenso werden altersgemäße neuropsychologische Testverfahren zur Erfassung insbesondere von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen zum Einsatz kommen.
Die Stichprobengewinnung erfolgt in Kooperation mit der Neurofibromatose-Ambulanz des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf (Prof. Dr. Mautner) und der Von Recklinghausen Gesellschaft e.V. Sobald eine Einverständniserklärung vorliegt, werden die Patientinnen und Patienten oder deren Erziehungsberechtigte telefonisch zu einem Termin in die Neurofibromatose-Ambulanz des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf eingeladen bzw. in manchen Fällen wird ein regulärer Untersuchungstermin bereits feststehen und dieser dann auch für die Studie verlängert werden können. Die Befragungen und Testung der Patientinnen und Patienten, die älter als 18 Jahre alt sind, werden in der Neurofibromatose-Ambulanz von einer zu diesem Zweck trainierten psychologischen Doktorandin des Instituts für Medizinische Psychologie durchgeführt. Die Patientinnen und Patienten füllen dabei für die Dauer von ca. 30 Minuten einen Fragebogen aus. Sollte es den Patientinnen und Patienten nicht möglich sein, für die erste Befragung anzureisen, kann diese ggf. auch postalisch durchgeführt werden. Etwa drei (T1) Monate sowie etwa sechs Monate (T2) nach Ausfüllen des ersten Fragebogens wird den Patientinnen und Patienten nochmals jeweils ein Fragebogen zugesandt.
Parallel zur Erwachsenenstudie finden ebenfalls in den Räumlichkeiten der Neurofibromatose-Ambulanz die Fragebogenuntersuchung und die neuropsychologischen Testungen der betroffenen Kinder und Jugendlichen statt, welche die Folgen der krankheitsbezogenen kognitiven Beeinträchtigungen, wie z.B. Aufmerksamkeitsdefizite, erfassen sollen. Die Kinder- und Jugendstudie wird ebenfalls von einer Psychologin des Instituts für Medizinische Psychologie durchgeführt. Dabei wird eine Untersuchungseinheit (=Ausfüllen des Fragebogens oder die Durchführung einer neuropsychologischen Testung) die Dauer von einer halben Stunde nicht überschreiten. Die Kinder und ihre Eltern werden nach Auswertung der Testergebnisse durch die Psychologin telefonisch über diese ausführlich informiert. Sollten die Ergebnisse Hinweise auf eine Auffälligkeit geben, wird eine umfassende neuropsychologische Untersuchung empfohlen und eingeleitet.
Zusätzlich zur Fragebogenuntersuchung und neuropsychologischen Testung erfolgt die Entwicklung eines Beratungsprogramms in Modulform für erwachsene Patientinnen und Patienten mit NF1. Zur Entwicklung der einzelnen Module werden zunächst Fokusgruppen im Sinne von Diskussionsrunden durchgeführt, die aus interessierten Patientinnen und Patienten der Fragebogenuntersuchung zusammengestellt sein werden. Die Gruppen sollen dabei behilflich sein, relevante Themen für ein Beratungsprogramm zu identifizieren. Sollten beispielsweise mangelndes Selbstvertrauen, Stigma und soziale Eingebundenheit als Themen der Fokusgruppen identifiziert werden, wird jeweils ein Beratungsmodul, welches auf das jeweilige Thema fokussiert, entwickelt. Die Patientengewinnung für die Fokusgruppen wird im Anschluss an die erste Fragebogenuntersuchung erfolgen. Zu diesem Zweck werden die Patientinnen und Patienten in einem sich direkt an die Fragebogenuntersuchung anschließenden Gespräch über Sinn und Zweck der Fokusgruppen aufgeklärt und bei Interesse um Teilnahme gebeten. Insgesamt werden drei Fokusgruppen in den Räumlichkeiten des Instituts für Medizinische Psychologie des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf durchgeführt werden, die in unterschiedliche Altersgruppen eingeteilt werden: jüngere Erwachsene, mittleres Erwachsenenalter und ältere Erwachsene. Nach konzeptioneller Fertigstellung der Beratungsmodule und entsprechendem Manual, werden für eine Pilottestung zehn Gruppen mit 5-6 freiwilligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die während der Fragebogenuntersuchung ihre Bereitschaft dazu signalisiert haben (Wartelisten-Kontrollgruppe), durchgeführt. Zur Bewertung der Durchführbarkeit der Beratungsmodule wird während dieser Phase ein anonymes Feedback erhoben. Falls sich ein Gruppenprogramm als nicht durchführbar erweist, werden parallel zur Pilottestung je nach Bedarf individuelle Beratungen für mindestens 25 Patientinnen und Patienten angeboten und durchgeführt. Die Beratung wird von einer geschulten Psychologin des Instituts für Medizinische Psychologie angeboten, welche durch eine approbierte Psychotherapeutin supervidiert wird. Die Evaluation der Beratungsmodule schließt die Entwicklung eines Patienten-Nutzen-Index ein.
Erwartete Ergebnisse
Das Projekt stellt eine einmalige Chance dar, die psychosozialen Konsequenzen einer seltenen, allerdings gravierenden Erkrankung umfassend untersuchen zu können. Es wird erwartet, dass die Projektergebnisse Aufschluss über die gesundheitsbezogene Lebensqualität von betroffenen Patienten und Patientinnen mit NF1 geben werden. Neben der gesundheitsbezogenen Lebensqualität werden darüber hinaus auch weitere psychosoziale Parameter, wie beispielsweise die Krankheitsbewältigung, untersucht, um ein möglichst komplettes Bild der Befindlichkeit der betroffenen Patienten und Patientinnen mit NF1 zu erhalten. Die längsschnittliche Betrachtungsweise wird dazu genutzt, um Krankheitsverläufe beschreiben zu können. Des Weiteren wird das Projekt Erkenntnisse über spezifische neuropsychologische Auffälligkeiten aufgrund einer NF1 bereitstellen. Alle Ergebnisse werden in die Entwicklung eines Beratungsprogramms münden, welches einen relevanten Beitrag zu einer optimierten Versorgung leisten soll.
Gibt es eine Therapiemöglichkeit durch die Verwendung von künstlich hergestellten Neurofibromin bei NF1 Tumoren?
Vortrag auf der 8. Bundestagung des Bundesverbandes Neurofibromatose
PD Dr. Klaus Scheffzek, Heidelberg, Referent: PD Dr. Dieter Kaufmann, Ulm
„Wie sieht Neurofibromin aus und was kann man damit machen"
In einem weiteren Vortag stellte die Arbeitsgruppe Dr. Scheffzek (EMBL Heidelberg) Dr. Kaufmann (Universitätsklinikum Ulm) ihr Projekt zur Erforschung des Neurofibromins vor.
Neurofibromin heißt das Eiweiß, das nach dem Bauplan des NF1 Gens in jeder Zelle des Körpers hergestellt wird. Bei NF1 Betroffenen hat eines der beiden zellulären NF1 Gene eine Veränderung, eine Mutation, die Ursache für die NF1 ist. In Folge dessen funktioniert in jeder Zelle die Hälfte der üblicherweise vorhandenen Neuofibrominmenge entweder nicht richtig oder sie fehlt einfach. Welche verschiedenen Funktionen Neurofibromin in den Körperzellen haben kann, ist bislang nur teilweise verstanden. Diese verschiedenen Funktionen genau zu kennen, ist aber wesentlich, wenn man einerseits verstehen will, wie die verschiedenen Symptome der NF1 auf einer zellulären Ebene funktionieren und noch wichtiger, wenn man möglichst wirkungsvoll etwas gegen diese Symptome tun möchte. Eine wesentliche Ursache dafür, dass unser Wissen zur Funktion dieses Eiweiß noch so lückenhaft ist, ist, dass man das Neurofibromin nicht einfach unter einem Mikroskop ansehen und beobachten kann, was es in einer Zelle macht. Man muss es vorher in einem künstlichen System in großen Mengen herstellen, um es dann mit ausgeklügelten biochemischen, biophysikalischen und elektronenmikroskopischen Methoden genau untersuchen zu können. Solche Untersuchungen führt Dr. Scheffzek in Heidelberg seit langer Zeit durch. Viele wesentliche und neue Erkenntnisse zu einzelnen Funktionen des Neurofibromins stammen von ihm. Jahrelang konnte er in seinem Labor nur recht kleine Bruchstücke des Neurofibromins herstellen und untersuchen. Vor einiger Zeit gelang es ihm und seiner Gruppe als weltweit erste, das sehr große Neurofibromin, ein Riesenprotein, als ganzes künstlich herzustellen und zu untersuchen. Er benutzt für die Herstellung ein künstlich hergestelltes NF1 Gen und bestimmte Mikroorganismen, die nach diesem Bauplan das Neurofibromin bilden. Neueste Daten zum Neurofibromin, die bislang noch nicht veröffentlicht sind, wurden in dem Vortrag, der von Dr. Kaufmann gehalten wurde, präsentiert. Somit waren die NF Betroffenen die ersten Betroffenen auf der Welt, die Bilder von dem Eiweiß sehen konnten, dessen teilweises Fehlen ihnen so viel Ärger macht. Die sehr aufwendigen elektronenmikroskopischen Aufnahmen und insbesondere die dreidimensionale Rekonstruktion des Neurofibromins führte Dr. Scheffzek gemeinsam mit Dr. Briggs vom EMBL (European Molecular Biological Laboratorium) durch. Anfangs waren bei diesen Untersuchungen nur „Fusel" zu erkennen, inzwischen hat das Neurofibromin aber eine erkennbare Form. Ein großes, praktisches Problem bestand und besteht darin, aus den vielen Teilansichten des Eiweißes ein Gesamtbild zu erstellen. Um ein Bild zu benutzen: wenn man die verschiedenen Teile eines Motors als Bild hat, hat man noch lange nicht verstanden, wie diese Bilder zusammengehörigen und noch viel weniger, wie der Motor funktioniert. An letzterem ist die Gruppe von Dr. Scheffzek interessiert. Ihre nächsten Arbeiten bestehen in Folge dessen darin, diese verschiedenen Bilder des Neurofibromins den bekannten und auch neuen Funktionen des Neurofibromins zuzuordnen. Hierdurch sollte es möglich sein, diese Funktionen letztlich auf einem atomaren Level zu verstehen.
Wenn die Gruppe von Dr. Scheffzek funktionsfähiges Neurofibromin künstlich herstellen kann, liegt es nahe sich zu fragen, ob man dieses Eiweiß nicht einfach den Zellen wieder zuführen kann, denen es fehlt. Im zweiten Teil des Vortrages ging es um diese Frage, der die Arbeitsgruppe von Dr. Kaufmann in Ulm in dem Forschungsprojekt nachgehen wird: Kann man mit künstlichem Neurofibromin das köpereigene Protein ersetzen? Die grundlagenwissenschaftlichen Untersuchungen, die sehr intensiv zuerst an verschiedenen Zellkulturen durchgeführt werden und wissenschaftliches Neuland betreten, haben zum Ziel, die Möglichkeiten und Grenzen eines solchen „Proteinersatz-Ansatzes" zu erfassen. Dabei wird auch mit Forschungsgruppen zusammengearbeitet, die sich auf die Einschleusung von Eiweißen in Zellen spezialisiert haben."
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat im Jahr 2008 ein Förderprogramm für die so genannten seltenen Erkrankungen ausgeschrieben. Hier galt es, für diese Erkrankungen eine Plattform einzurichten, in deren Rahmen die Bewerber Forschungsprojekte zur konkreten Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit seltenen Erkrankungen einreichen konnten.
Im Rahmen eines Verbundprojektes, wurde von verschiedenen Ärzten und Wissenschaftlern auch ein Forschungsprojekt zur Neurofibromatose Typ1 eingereicht.
Dieses enthält Projekte zur verbesserten Behandlung von peripheren bösartigen Nervenscheidentumoren, ein Projekt zur Erforschung der Behandlung der Pseudarthrose sowie einen Bereich zur Diagnose und Behandlung der psychischen Beeinträchtigungen bei NF1, sowie ein Projekt, das die aktuelle Versorgungssituation von Menschen mit NF1 in Deutschland aufklären und den Informationsaustausch zwischen Betroffen und Ärzten sowie Ärzten und Betroffenen fördern soll.
Erfreulicherweise wurde dieses Gesamtvorhaben zur Förderung ausgewählt und wurde über mehrere Jahre finanziell unterstützt, es wurde aber auch aus Ihren Spenden gespeist und ermöglicht.