Paul der Sportler
Es hat lange gedauert, bis Pauls Eltern endlich eine eindeutige Diagnose hatten. Nach dem ersten Schreck haben sich aber viele anfängliche Sorgen relativiert.
Paul ist acht Jahre alt und auf den ersten Blick ein ganz normaler Junge. Wie viele Jungen in seinem Alter begeistert er sich für Fußball. Er ist selbst aktiver Fußballer und Bayern München ist sein liebster Bundesligaverein. Das führt manchmal zu Diskussionen mit seinen beiden Brüdern, die eher für Bremen und den HSV schwärmen. HSV-Handball findet er aber auch gut. Paul hat Neurofibromatose vom Typ 1 (NF 1).
Lange Zeit hatten seine Eltern gehofft, dass die Diagnose anders lauten würde. Der erste Verdacht kam auf, als Paul mit drei Jahren einen Routinetermin bei seiner Kinderärztin hatte. Sie hatte bereits einmal einen Patienten mit NF 1 gehabt und die Hautverfärbungen des kleinen Jungen kamen ihr verdächtig vor. Die Ärztin riet daher den Eltern zu einer eingehenden Untersuchung in einer Kinderklinik, um abzuklären, ob die Café-au-lait-Flecken in Zusammenhang mit einer Neurofibromatose stehen könnten.
Die Ärzte gaben keine eindeutige Diagnose
„Damals hörten wir zum ersten Mal von dieser Erkrankung“, erinnert sich Pauls Mutter, „und recherchierten im Internet darüber. Da fanden wir viele abschreckende Informationen über eine unheilbare Tumorerkrankung, die uns ziemlich erschreckten.“ So etwas sollte ihr Kind haben? Das durfte nicht sein. Die nun jährlich stattfindenden Prüfungen und Vermessungen der Flecken dienten daher auch dem Versuch, Neurofibromatose als Ursache ausschließen zu können. Doch diese Klarheit bekam die Familie nicht. Die Untersuchungen in der Kinderklinik eines Universitätskrankenhauses wurden von jungen Ärzten ohne größere Erfahrung in Bezug auf NF durchgeführt. Keiner von ihnen war offenbar in der Lage, der Familie eine eindeutige Antwort zu den möglichen Ursachen der Hautverfärbungen zu geben und die Schwierigkeiten der Diagnosestellung zu erklären.
Das Auftreten eines zweiten NF-Symptoms und ein Zufall brachten schließlich Klarheit. Aufgrund der diffusen Befürchtung, dass es doch NF sein könnte, wurden bei Paul regelmäßig Untersuchungen der Augen bezüglich des Auftretens von Lisch-Knötchen vorgenommen; sie gelten als ein hilfreiches Kriterium für die NF-Diagnose. Ende 2012 zeigten sich tatsächlich Veränderungen – die allerdings ebenso wie die Hautflecken nicht eindeutig benannt wurden. Die Eltern recherchierten daraufhin wieder selbst.
Ein Zufall brachte die Familie an die richtige Adresse
Inzwischen war Paul eingeschult worden und zeigte eine Lese- und Schreibschwäche, die zu einem regelmäßigen und vertrauensvollen Austausch mit der Klassenlehrerin führte. Dabei erfuhr die Lehrerin von Pauls Krankheitsbild und vermittelte der Familie einen Kontakt zu ihrem Bruder, der in einem bekannten Hamburger Kinderkrankenhaus tätig war. Er ordnete den Sachverhalt richtig ein und wies die Familie auf eine NF-Ambulanz hin.
„Nach jahrelanger Unsicherheit waren wir durch diesen Zufallskontakt nun endlich an einen kompetenten Ansprechpartner geraten, der praktisch sofort eine eindeutige Diagnose stellte“, erinnert sich Pauls Mutter. „Das war zunächst natürlich ein Schock. Andererseits wussten wir nun zum ersten Mal, woran wir waren und konnten gezielte Maßnahmen ergreifen.“ Der Verband und seine vielfältigen Informationsangebote waren dabei eine große Hilfe. Die Familie erkannte, dass NF 1 kein Hindernis für ein ganz normales Leben ist und das Kind nicht „geschont“ werden muss.
Paul geht auf eine staatliche Schule, die Lehrer sind von den Eltern über seine Situation informiert worden und haben sich darauf eingestellt. Gegen die Lese-/Rechtschreibschwäche absolviert er eine entsprechende Therapie. Er hat Freunde, macht seinen Sport und geht seinen sonstigen Interessen nach.
„In der Rückschau waren viele Ängste und Gedanken überflüssig“, resümiert Pauls Mutter die vergangenen Jahre. „Einiges wäre für uns einfacher gewesen, wenn die behandelnden Ärzte besser informiert gewesen wären. Natürlich muss jeder Betroffene seinen eigenen Weg finden, doch wir haben für uns festgestellt, dass Normalität besonders wichtig ist. Paul ist für uns nicht krank und wir behandeln ihn auch nicht so. Er ist gut drauf und wir wissen nun: Seine NF 1 ist zwar noch nicht heilbar, aber die Folgen für den Alltag können wir in Grenzen halten.“ Paul ist eben ein ganz normaler Junge. Auch auf den zweiten Blick.