Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen
AG NF
Die Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen (AG NF) ist ein freiwilliger Zusammenschluss von auf Neurofibromatose spezialisierten Ärzten, Behandlern und Kliniken (NF-Zentren), zum regelmäßigen Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zu dieser seltenen Erkrankung.
Ihr gemeinsames große Ziel ist es, Neurofibromatose irgendwann heilbar zu machen.

Internationales Treffen der Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen
im November 2023 am UKE in Hamburg
Nach wie vor stehen wir in Deutschland und in der ganzen Welt vor den Herausforderungen beachtlicher Defizite in der regulären Versorgung von Menschen mit Neurofibromatose. Mit besseren diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten müssen auch die strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden, um Patienten mit NF1 und NF2/Schwannomatose auch weiterhin sinnvoll und individuell behandeln zu können.
Das enge Netzwerk aus Behandlern und Förderern in Deutschland war immer schon eine wichtige Ressource, um auch strukturelle Hürden zu überwinden. So gibt es mit der Tübinger Fallkonferenz, den Bundestagungen sowie koordinierten Patientenzuweisungen wertvolle Schnittstellen zwischen den Zentren, den ambulanten Behandlern und den Patienten.
Der Workshop der AG NF, der nationale NF-Kongress, ist das traditionelle Zusammenkommen von Wissenschaftlern, Klinikern und Förderern und hat in der NF-Versorgungslandschaft seit 1996 einen festen Platz.
Nationale Workshops der AG NF
2025
Save the Date - Am 29. November 2025 lädt die Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen zu ihrem 28. Treffen ins Haus der Unternehmer in Duisburg ein.
Weitere Informationen folgen in Kürze.
2024
Workshop der Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen 2024
Am 16. November 2024 fand das alljährliche NF-AG-Treffen, ausgerichtet vom Zentrum für Neurofibromatosen und Schwannomatosen, in Tübingen statt. Das Programm war sehr abwechslungsreich und beinhaltete auch internationale Vorträge von Frau Prof. Nadia Kahn aus dem Kinderspital in Zürich, Herrn Prof. Amedeo Azizi aus der Neuropädiatrie in Wien und Frau Prof. Brigitte Widemann aus Washington.
Es waren sowohl „altbekannte“ als auch neue Zentren bzw. Beteiligungen vertreten und beteiligt. Das Programm war thematisch sehr gemischt, unter Einbezug zahlreicher Fachrichtungen (Neurochirurgie, Neurologie, Neuropädiatrie, Onkologie, Orthopädie, HNO, Pädiatrie, Genetik), aber auch mit grundlagenwissenschaftlichen Beiträgen aus den angegliederten Laboren und wissenschaftlichen Arbeitsgruppen.
Am Vormittag wurde die operative Therapie von NF1-assoziierten Erkrankungen näher beleuchtet.
Herr Prof. Frank Traub aus der Orthopädischen Onkologie des Universitätsklinikums Mainz hielt einen Übersichtsvortrag zu den „Orthopädischen Aspekten der NF1“. Im Rahmen dessen stellte er die möglichen Knochen- und Weichteilmanifestationen, wie die Pseudarthrose, Skoliose, Trichterbrust etc. sowie deren Überwachung und mögliche chirurgische Behandlung vor. Hierbei wurde insbesondere auf die Skoliose eingegangen. Je nach Ausprägung kann eine begleitende Tumorentfernung bei angrenzenden plexiformen Neurofibromen zeitgleich erfolgen bzw. notwendig werden. Ein kombiniertes neurochirurgisches und orthopädisches Vorgehen ist häufig erforderlich, vor allem bei der Behandlung von Weichteilsarkomen im Bereich der Arme und Beine, wie dem malignen peripheren Nervenscheidentumor, der bei ca. 10 % der NF1 Patienten im Laufe des Lebens auftreten kann.
Frau Prof. Nadia Kahn aus dem Kinderspital und dem internationalen Zentrum für Moyamoya und Cerebrale Revaskularisation in Zürich hielt einen Übersichtsvortrag zum Moyamoya Syndrom bei NF1. Moyamoya ist eine seltene Erkrankung der Hirngefäße, die zu einer langsam fortschreitenden Verengung oder einem Verschluss der großen Hirngefäße führt. Dies führt zur Ausbildung von Umgehungskreisläufen aus kleinen Blutgefäßen, die dem Krankheitsbild ihren Namen gegeben haben, denn diese stellen sich in der Gefäßdarstellung wie eine Nebelwolke, japanisch „moyamoya“ dar. Diese kleinen Ersatzgefäße halten dem normalerweise dort vorliegenden hohen Druck nicht ausreichend stand und es kommt zu Schlaganfallsereignissen, aber auch zu Epilepsien und kognitiven Einschränkungen durch beispielsweise eine chronische Minderperfusion.
Die Erkrankung tritt meist schon im Kindesalter auf. Die einzige Therapie besteht in der chirurgischen Behandlung mittels einer Re-Vaskularisationsmethode, z. B. mittels Bypasses. Die Ursache zur Krankheitsentstehung ist noch ungeklärt, eine genetische Ursache wird aber vermutet, insbesondere schwer betroffene Patienten weisen gewisse genetische Charakteristika auf, die mittels einer Genanalyse mittlerweile identifiziert werden können.
Das Moyamoya-Syndrom kann in 2 - 6 % der Fälle mit einer NF1-Erkrankung assoziiert sein. Weitere Informationen zum Moyamoya-Zentrum in Zürich erhalten Sie unter folgenden Links: https://www.kispi.uzh.ch/kinderspital/fachkompetenzen/angebot-fuer-patientinnen-und-patienten/moyamoya-center; https://www.moyamoya-center.com/home. Der Schwerpunkt liegt in Zürich in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Moyamoya-Erkrankung/Syndrom. Durch eine enge Kooperationsarbeit konnte Frau Prof. Kahn das Moyamoya-Zentrum ebenfalls in Tübingen im Erwachsenenbereich etablieren.
Herr Prof. Reinhard Friedrich aus der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigte eindrucksvoll die Herausforderungen der NF1-Tumore im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich, deren therapeutische Möglichkeiten und auch Limitationen. Hierbei handelt es sich nicht nur um reine Tumorchirurgie, sondern um eine komplexe wiederherstellende Chirurgie, die oft zeitlebens und mehrfach wiederholt werden muss, je nach Ausprägung des Befundes. Hierbei sind nicht nur die Tumore selbst das Problem, sondern die auch oft begleitenden knöchernen Veränderungen, die nur schwer korrigierbar sind. Oft kann bei komplexen Tumorfällen nicht das gesamte Tumorgewebe entfernt werden, um wichtige Strukturen, wie z. B. den Gesichtsmuskelnerv, nicht zu gefährden. Eine zukünftige kombinierte Therapie mit einem MEK-Inhibitor wäre für gut evaluierte Fälle mit limitierter chirurgischer Option denkbar.
Im Folgenden wurde näher auf die Versorgung der NF1 eingegangen.
Prof. Amedeo Azizi aus der Neuropädiatrie, Leiter des Kinder-NF-Expertisezentrums an der Medizinischen Universität Wien, stellte den Vorsorgebogen für Kinder und Jugendliche mit NF1 vor. Anhand dessen soll ein einheitliches Vorgehen der Zentren, im Sinne einer leitliniengerechten Überwachung und Therapie, ermöglicht werden. Der pädiatrische Vorsorgebogen ist in die Bereiche Klinik/Labor/Radiologie und Konsil gegliedert. Er zeigt auf, wann und welche Untersuchungen oder Kontrollen als sinnvoll erachtet bzw. empfohlen werden.
Frau Dr. Inka Ristow aus der Radiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf stellte die Daten zu ihrem Projekt „KI zur automatisierten Neurofibromdetektion bei Ganzkörper MRTs“ vor. Mit Hilfe einer KI-basierten radiologischen Software sollen Ganzkörper-MRTs bei NF1-Patienten helfen, Neurofibrome zu detektieren und auch langfristig zu lernen, sie von anderen Tumoren zu unterscheiden, wie beispielsweise ANNUBP (vormalige Atypische Neurofibrome) und MPNST-Tumore.
Im Anschluss an dieses Thema stellte Fabio Hellmann von der Fakultät für Angewandte Informatik der Universität Augsburg sein Projekt zur KI-basierten Differenzierung von Nervenscheidentumoren vor. Damit soll insbesondere die histopathologische Analyse der unterschiedlichen Nervenscheidentumore, die auch im Rahmen der Neurofibromatose oder Schwannomatose auftreten können, erleichtert werden. Anhand von vorhandenen histopathologischen Schnitten wird die KI trainiert und soll lernen, einzelne spezifische Zelltypen zu unterscheiden. Das Projekt wird zusammen mit Frau Prof. Anja Harder aus der Neuropathologie durchgeführt.
Herr Dr. Karl-Heinz Dyballa aus dem Deutschen Hörzentrum Hannover stellte die Hörrehabilitation bei NF2-Patienten mittels auditorischem Mittelhirnimplantat (AMI) vor. Genau wie beim auditorischen Hirnstammimplantat (ABI) muss beim AMI der Hörnerv nicht intakt sein. Die beiden Implantate unterscheiden sich in ihrer Lokalisation. Das AMI setzt im Bereich des Mittelhirns an, also zwei Stationen im Bereich der Hörbahn höher als das ABI. Von der generellen Durchführung sowie den Gerätschaften und der anschließenden Einstellung unterscheidet es sich kaum bis nicht vom ABI. Das AMI stellt aufgrund seiner Lage eine gute Alternative zum ABI dar, eine ausführliche Beratung und Abklärung in einem Zentrum mit entsprechender Expertise ist notwendig, um dem individuellen Patientenfall (Tumorlast, Dauer der Ertaubung, etc.) die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen.
Herr Prof. Martin Schuhmann und Frau PD Dr. Isabel Gugel aus dem Zentrum für Neurofibromatosen und Schwannomatosen in Tübingen stellten eine nicht invasive Methode zur Bestimmung des Hirndruckes, den sogenannten Nervenscheidendurchmesser des Sehnervs (optic nerve sheath diameter, kurz ONSD) vor. Hierbei wird mittels Ultraschalltechnik bei geschlossenem Auge in der Tiefe der Nervenscheidendurchmesser bestimmt.
Eine Alternative wäre eine Ausmessung des ONSD per dünngeschichteter MRT-Diagnostik mit speziellen Sequenzen. Diese Untersuchung kann bei jeglichem Krankheitsbild, welches mit einem erhöhten Hirndruck begleitet sein kann, und allen Altersgruppen, insbesondere auch bei Kindern, schnell durchgeführt werden. Ein Teil der NF2-Patienten entwickelt eine Meningeomtumorlast intrakraniell. Diese kann entweder über die reine Tumormasse (z. B. viele große Tumore), oder auch über einen begleitenden Verschluss der großen Hirnvenen durch das Meningeom oder auch Meningeome in den Hirnvenen bedingt sein.
Diese Tumore sind vor allem im Hirnvenenbereich (sogenannte Sinus) schwer chirurgisch zu therapieren. Das oberste Ziel ist hierbei, den venösen Abfluss zu erhalten. Es ist bislang noch unklar, welche Mechanismen final zu einem erhöhten Hirndruck führen, vor allem bei Patienten mit milder Meningeomtumorlast. Diese erhöhte Hirndruckproblematik führt klinisch zu belastenden, chronischen Kopfschmerzen, teils begleitet von Übelkeit und Erbrechen.
In einer Studie hat die Arbeitsgruppe um Frau PD Dr. Gugel nun den Hirndruck bei NF2-Patienten im Langzeitverlauf mittels ONSD-Messung anhand der MRT-Bildgebung untersucht, die eine oder mehrere intrakranielle Meningeomoperationen durchlaufen haben. Bei Patienten mit Meningeomen, die zu einem Verschluss der großen Hirnvenen führten, zeigten sich deutlich höhere ONSD-Werte, verglichen zu Meningeomen ohne Beteiligung der Hirnvene. Zudem konnte durch die Operation (Meningeomentfernung unter Schonung der Hirnvene) der Hirndruck nicht nur direkt postoperativ, sondern auch langfristig gesenkt werden.
Bei Patienten mit präoperativen Hirndruckbeschwerden zeigte sich nach der Operation ein Rückgang der Beschwerden. Aufgrund der fehlenden Referenzwerte bei Erwachsenen und dem bekannten individuellen ONSD-Verlauf ist es wichtig, die ONSD-Messung bei Risiko-NF2-Patienten (mit Meningeomtumorlast) frühzeitig in die Überwachung zu integrieren, um eine pathologische, individuelle Erhöhung rechtzeitig zu erkennen.
Herr PD Dr. Uwe Kordes aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf referierte küber die Herausforderung von NF1-Patienten im onkologischen/pädiatrischen Bereich, Frau Dr. Francesca Alt aus der pädiatrischen Onkologie des Universitätsklinikums Mainz stellte die Gründung des NF-Zentrums am Universitätsklinikum Mainz vor, welches unter einer pädiatrisch hämato-onkologischen Federführung geführt wird.
Bildunterschrift: Prof. Victor-Felix Mautner (hier bei der Vorstellung von Frau Professor Widemann vom National Cancer Institute, USA) moderierte die nachfolgende Session.
Es folgten die Beiträge zur medikamentösen Therapie bei NF1. Der Hauptbeitrag stammte von Frau Professor Brigitte Widemann aus dem National Cancer Institute, USA, die über die Ergebnisse der Phase-1/2-Studien mit Selumetinib bei Kindern mit NF1 und plexiformen Neurofibromen unter Selumetinib berichtete. Dort zeigte sich eine Wachstumsreduktion und klinische Verbesserung der behandelten PNF/Kinder. Als Hauptnebenwirkungen wurden gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Müdigkeit, Nagelbettentzündungen, Akne, asymptomatische CK- Erhöhungen sowie Schleimhautentzündungen beobachtet. Dabei musste in 8 von 74 Fällen aufgrund der Nebenwirkungen die Therapie abgebrochen werden (11 %). In 39 % der Fälle (29 von 74) musste eine Dosisreduktion erfolgen, aber die Therapie konnte fortgeführt werden. Bislang zeigten sich alle Nebenwirkungen reversibel.
Anschließend gab Professor Thorsten Rosenbaum aus der Pädiatrie der Sana Kliniken Duisburg ein Update aus der SeluPass-Studie, die das Sicherheitsprofil von Selumetinib unter „real world“-Bedingungen näher untersuchen soll. In Duisburg wurden bislang 30 NF1-Kinder mit plexiformen Neurofibromen unter Selumetinib-Therapie eingeschlossen. Bei 19 davon war mindestens eine MRT-Verlaufsbildgebung vorhanden, in der sich eine Tumorverkleinerung durch die Therapie von insgesamt 17 % zeigte. Es zeigte sich eine durchschnittliche Tumorvolumenreduktion von 23 % (2,7 - 72,8 %).
Unter Berücksichtigung der Literatur und der Langzeitresultate aus den anderen weltweiten Zentren (USA, Italien, Südkorea, sowie anderen deutschlandweiten Zentren) zeigte sich durch die Selumetinibmedikation zusammenfassend eine zuverlässige Volumenreduktion der plexiformen Neurofibrome und eine Verbesserung der klinischen Symptome, die sich oft schon vor einer messbaren Tumorvolumenreduktion zeigte.
An beschriebenen Nebenwirkungen zeigten sich hauptsächlich Hautausschläge, Nagelbettenzündungen, asymptomatische CK-Erhöhung, gastrointestinale Beschwerden und insgesamt eine bessere Verträglichkeit bei jungen Kindern. Es wurden bislang keine unbekannten Nebenwirkungen im Langzeitverlauf beschrieben.
Eine erste Datenauswertung der SeluPass Studie, an der 43 Zentren teilnehmen aus 9 europäischen Ländern (aktuell 80/125 Patienten eingeschlossen) wird für das 2. Quartal 2025 anvisiert.
Abschließend stellte Frau Dr. Pia Vaassen aus der Pädiatrie in Duisburg Behandlungsstrategien urogenitaler plexiformer Neurofibrome vor. Diese sind bei NF1 vergleichsweise selten, machen in der Literatur nur 1 % der Fälle aus und zeigen sich oft asymptomatisch. Neben der Sonographie ist die MRT-Untersuchung die Methode der Wahl. Auf Differentialdiagnosen urogenitaler Neurofibrome, wie das Rhabdomyosarkom, wird verwiesen.
PN zeigen insbesondere bei Kleinkindern ein schnelles Wachstum, können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und sind häufig inoperabel. Darüber hinaus besteht ein malignes Entartungsrisiko von 10 -15 %. Seit 2021 steht mit dem MEK-Inhibitor Selumetinib auch eine medikamentöse Therapie für inoperable, symptomatische PN bei NF1-Patienten im Alter von 3-18 Jahren zur Verfügung. Der Vergleich zweier Patienten mit ähnlichen Befunden in unterschiedlichen Entwicklungsstadien führt zu der Frage, ob eine frühzeitige Behandlung bei noch asymptomatischem Tumor sinnvoll sein kann, um eine tumorbedingte Symptomatik zu verhindern.
Es wurde über einen 3- und einen 15-jährigen NF1-Patienten mit jeweils großen PN im Urogenitaltrakt berichtet. Trotz subjektiver Beschwerdefreiheit entwickelte der 3-Jährige eine objektivierbare Blasenfunktionsstörung und erhielt bei gleichzeitigem Tumorwachstum von 23,8 % Selumetinib. Bei dem 15-jährigen, asymptomatischen Patienten mit einem Tumorwachstum von 52,7 % über 3 Jahre zeigten sich im MRT Hinweise auf die Transformation zu einem ANNUBP (= atypische neurofibromatöse Neoplasie unbekannten biologischen Potentials), sodass eine Teilresektion der suspekten Tumoranteile durchgeführt wurde. Histopathologisch wurde ein ANNUBP bestätigt.
Der Vergleich dieser beiden Patienten führt zu der Frage, ob es sinnvoll ist, die Selumetinib-Therapie auf symptomatische PN zu beschränken oder ob nicht durch eine frühzeitige Therapie bei noch asymptomatischen PN eine Entwicklung, wie sie bei Patient 2 erkennbar ist, verhindert werden könnte. Auch wenn weitere Verlaufsbeobachtungen erforderlich sind, so deuten die bisherigen Erfahrungen darauf hin, dass die Selumetinib-Therapie bei frühzeitigem Einsatz auch dazu geeignet ist, PN-assoziierte Symptome zu verhindern.
Frau PD Dr. Lan Kluwe aus dem Tumorlabor des Kopf- und Neurozentrums des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigte die Herausforderungen und Vielseitigkeit der Mosaikdiagnostik bei der Neurofibromatose Typ 1 und der NF2-bedingten Schwannomatose. Sie stellte besondere Fälle der interfamiliären Variabilität (2 unterschiedliche Mutationen innerhalb einer Familie) dar. Durch die Verbesserung der molekulargenetischen Methoden innerhalb der letzten Jahre können auch mehr atypische NF- und Schwannomatosefälle einem Mosaik zugeordnet werden.
Herr Pascal Fehringer aus der Helios Klinik in Erfurt präsentierte seine Arbeit zur „Bioinformatischen und experimentellen Charakterisierung der Tumormikroumgebung in Vestibularisschwannomen.“
Dabei sollen neue therapeutische Zielstrukturen innerhalb der Immunmikroumgebung sowie immunstimulative und immunsuppressive Zellpopulationen identifiziert werden. Letztere fördern die Immunevasion der Tumorzellen und treiben das Tumorwachstum voran. Eine vergleichende Analyse sporadischer und NF2-assoziierter VS mittels bioinformatischer Algorithmen aus Transkriptomdaten zeigte, dass Makrophagen die dominierende Immunzellpopulation darstellen, gefolgt von T-Zellen und kleineren Immunzellpopulationen. Unterschiede zwischen sporadischen und NF2-assoziierten Tumoren waren jedoch nicht signifikant.
Detaillierte Untersuchungen der Makrophagen offenbarten eine deutliche Prävalenz von M2-polarisierten Makrophagen, die mit fortgeschrittenen Tumorstadien korrelierten. Diese Makrophagen wiesen eine verstärkte Expression immunsuppressiver Marker auf, darunter VEGF, das neben der Förderung der Neoangiogenese auch chemotaktische Effekte und die M2-Polarisation begünstigt, sowie eine Expression von Immuncheckpoint-Molekülen wie PD-L1 oder CTLA-4. Die Untersuchung der Tumorimmunmikroumgebung, insbesondere durch moderne Technologien wie Single-Cell-Analysen und präklinische Modelle, könnte dazu beitragen, mögliche immunmodulatorische Therapieansätze zu identifizieren. Hierbei steht die Reprogrammierung von Makrophagen und die Blockade immunsuppressiver Mechanismen im Fokus, um das Wachstum von VS zu begrenzen.
Es folgte der Beitrag von PD Dr. Dieter Kaufmann, zu lesen im Anschluss an diesen Bericht.
Herr Dr. Tobias Sünner vom Bundesverband Neurofibromatose e. V. diskutierte mit den NF-Zentren die Anforderungen aus Sicht des Bundesverbandes Neurofibromatosen. Hierbei brachte er ein, dass von Seiten der Patienten eine Vereinheitlichung und Transparenz der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten in den Zentren gewünscht wird, ähnlich einer QM-Zertifizierung.
Tendenziell wurde diese Anregung offen von den Zentren angenommen, diese ist aber ohne zusätzliche personelle Unterstützung und auch in Anbetracht der Komplexität der Erkrankungen sowie der individuellen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten als schwer umsetzbar erachtet. Diese müsste schrittweise und zunächst niederschwellig vorgenommen werden. Aus Sicht der Zentren entstehen keine offensichtlichen und relevanten Nachteile für die Patienten, da auch eine starke Vernetzung der Zentren untereinander vorliegt.
Zusammenfassung von Frau PD Dr. Isabel Gugel, Zentrum für Neurofibromatosen und Schwannomatosen, Tübingen
Unseren ausführlichen Bericht dazu lesen Sie in NFaktuell 132
2023
Workshop der Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen 2023
Am 17. und 18. November 2023 fand das jährliche Treffen der NF-Behandler und Forscher in Hamburg statt. Das traditionelle Zusammenkommen von Wissenschaftlern, Klinikern und Förderern ist der nationale NF-Kongress und hat in der NF-Versorgungslandschaft seit 1996 einen festen Platz.
In den letzten Jahren hat sich mit der Neuzulassung von Selumetinib, der weltweiten NF-Registry, den europäischen NF1-Leitlinien sowie zahlreichen klinischen Studien einiges bewegt in der Behandlung der Neurofibromatosen. Dennoch begegnen wir in der postpandemischen Welt zunehmend Defiziten in der regulären Versorgung der Betroffenen.
Mit den besseren diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten müssen auch die strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden, um Patienten mit NF1 und Schwannomatose auch weiterhin sinnvoll und individuell behandeln zu können. Das enge Netzwerk aus Behandlern und Förderern in Deutschland war immer schon eine wichtige Ressource, um auch strukturelle Hürden zu überwinden. So gibt es mit der Tübinger Fallkonferenz, den Bundestagungen sowie koordinierten Patientenzuweisungen wertvolle Schnittstellen zwischen den Zentren, den ambulanten Behandlern und den Patienten.
Mit dem Vorabendprogramm am 17. November hatten die Teilnehmer nicht nur die Möglichkeit, Hamburg kennenzulernen, sondern sich auch außerhalb der engen Zeitpläne eigener Verpflichtungen auszutauschen und Anknüpfungspunkte für neue Projekte zu entwickeln. Bei einem gemeinsamen Abendessen wurden Neuerungen im Themengebiet, aber auch Probleme in der klinischen Versorgung von Patienten mit Neurofibromatose diskutiert.
Die Veranstaltung wurde am 18. November vom Leiter des NF-Zentrums in Hamburg, PD Dr. Said Farschtschi eröffnet. Die Teilnehmer wurden vom Direktor der Klinik für Neurologie, Prof. Dr. Tim Magnus begrüßt. Vom Bundesverband Neurofibromatose war Frau Annette Höinghaus anwesend, die die enge Verknüpfung von Patientenarbeit, klinischer Betreuung und Forschungsförderung hervorgehoben hat. Den inhaltlichen Auftakt der Veranstaltung bildete der eingeladene Gastredner Prof. Gareth Evans aus Manchester.
Prof. Evans leitet das Institut für Genetik an der Universität Manchester. In dieser Funktion hat er sich langjährig mit familiären Brustkrebsprädispositionen beschäftigt und war maßgeblich an der Entwicklung nationaler und internationaler Leitlinien für dieses Themengebiet verantwortlich. Zeitgleich ist der seit Jahrzehnten in der Behandlung und Forschung zu Neurofibromatose eine etablierte Größe.
Da sich in jüngster Zeit wissenschaftliche Hinweise zu einem erhöhten Brustkrebsrisiko bei Patientinnen mit Neurofibromatose Typ 1 ergeben haben, lag es auf der Hand, Prof. Evans als Koryphäe in diesem Gebiet einzuladen. Neben aktuellen epidemiologischen Studien hat er auf klinische und biologische Unterschiede zwischen sporadischen Brustkrebsverläufen und Neurofibromatose-Typ-1-assoziierten hingewiesen.
In Zusammenfassung der zahlreichen von ihm zusammengetragenen und teilweise selbst erhobenen Fakten kann ein mindestens 5-fach erhöhtes Risiko für Patientinnen mit Neurofibromatose Typ 1 bis zu einem Lebensalter von 50 Jahren angenommen werden. Jenseits des 50. Lebensjahres scheint sich das Brustkrebsrisiko dem der Allgemeinbevölkerung anzugleichen. Das Risiko für Brustkrebs auf der Gegenseite ist ebenfalls mindestens 2-fach erhöht.
An dieser Stelle sei auch auf die neu entwickelten Leitlinien der EU (wir berichteten) verwiesen, die ab dem 30. Lebensjahr jährliche Brust-MRTs empfehlen. Bezüglich des therapeutischen Vorgehens und ob sich hier Abweichungen vom Standardvorgehen ergeben, liegen noch nicht ausreichende Studien vor. Eine prophylaktische Mastektomie wird aufgrund der statistischen Erwägungen nicht empfohlen, möglicherweise werden jedoch Veränderungen in der medikamentösen Behandlung aufgrund des unterschiedlichen biologischen Spektrums im Rahmen der Neurofibromatose Typ 1 folgen.
Nach dem Vortrag von Prof. Evans erfolgte eine ausführliche Diskussion mit dem Auditorium, die Behandler schilderten ihre persönlichen Erfahrungen; in diesem Rahmen wurde auch die Ungewissheit der Patientinnen thematisiert.
Nach einer kurzen Kaffeepause, die aufgrund der fortgeschrittenen Diskussion sehr kurz ausfiel, präsentierte Prof. Steffen Rosahl aus Erfurt einen Überblick zur NF2-bedingten Schwannomatose. In diesem Zusammenhang ging er auch auf die neue Nomenklatur der Spektrumerkrankung Schwannomatose sowie die neuen diagnostischen Kriterien ein und hob spezifische Merkmale der NF2-bedingten Schwannomatose hervor.
Es folgten grundlegende Erwägungen bezüglich der Suche nach neuartigen Therapieansätzen sowie eine Reflexion über die bisherigen medikamentösen Optionen. Neben weiteren zielgerichteten medikamentösen Behandlungsstrategien hat Herr Prof. Rosahl auch die Möglichkeit einer Gentherapie diskutiert und Unwägbarkeiten bzw. Herausforderungen diesbezüglich thematisiert.
Die Oberärztin des NF Zentrums Duisburg, Frau Dr. Vaassen, präsentierte einen komplexen Fall einer 16-jährigen Patientin mit einem größenprogredienten und druckschmerzhaften Tumor im Bereich des Halses. Die schwierige Abwägung bestand zwischen einer zeitnahen medikamentösen Therapie mit dem mittlerweile zugelassenen Wirkstoff Selumetinib oder einer chirurgischen Behandlung, die in diesem anatomischen Gebiet eine Herausforderung darstellt.
Aufgrund der Schmerzhaftigkeit des Tumors kam letztlich auch ein atypisches Neurofibrom oder gar ein bösartiges MPNST in Betracht. Letztlich wurde sich für das chirurgische Vorgehen entschieden, histologisch wurde ein atypisches Neurofibrom (ANNUBP) festgestellt. Da diese Tumoren die Vorstufe für eine bösartige Entartung darstellen, war die chirurgische Behandlung eine sichere und definitive Möglichkeit, eine Entartung in diesem Bereich zu verhindern. Dieser Fall hat die Komplexität der Abwägungen, insbesondere nach Zulassung des neuen Medikaments Selumetinib, deutlich hervorgehoben.
Die Leiterin der NF-Ambulanz des Zentrums in Tübingen, Frau PD Dr. Isabel Gugel, berichtete von einem spezifischen Problem innerhalb der Behandlung von Patienten mit NF2-bedingter Schwannomatose: Durch die Behandlung mit Bevacizumab ist auch die Blutgerinnung beeinträchtigt, dies hat Auswirkungen auf die chirurgische Behandlung. Durchschnittlich liegt das Blutungsrisiko unter einer Medikation mit Bevacizumab bei 25-30 %, wobei davon nur 3 % schwere Blutungen darstellen.
Insgesamt, hob Frau PD Dr. Gugel jedoch hervor, sei das spezifische Blutungsrisiko durch neurochirurgische Eingriffe bei Patienten, die Bevacizumab erhalten, relativ gering. Auch eine Auswirkung auf die Thrombozyten (Blutplättchen) kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden. Auffällige Laborwerte bezüglich der Blutgerinnung kommen auch bei Patienten mit NF2-bedingter Schwannomatose ohne Behandlung mit Bevacizumab vor.
Die renommierte Neuropathologin Frau Prof. Anja Harder aus Mainz stellte einen sehr komplexen Fall eines jungen Mädchens mit NF1 vor, bei der ein bösartiger Tumor im Bereich des linken Handgelenkes festgestellt wurde.
Zunächst wurde ein MPNST angenommen, welches im Rahmen der Grunderkrankung ein konkretes Risiko darstellt. In der neuropathologischen Aufarbeitung zeigte sich jedoch ein sogenanntes pleomorphes Sarkom, welches erhebliche Unterschiede zu den häufiger auftretenden MPNSTs aufweist.
Ein entscheidendes Werkzeug zur spezifischen Unterscheidung von bösartigen Tumoren sind molekulare genetische und epigenetische Untersuchungen. Damit hob sie noch einmal hervor, wie wichtig es ist, dass Tumoren in komplexen Situationen von erfahrenen Neuropathologen beurteilt werden. Nur weil einige Tumorentitäten bei Neurofibromatose Typ 1 gehäuft auftreten, kann dies nicht für alle Fälle angenommen werden.
Eine große Herausforderung in der Behandlung von Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 sind plexiforme Neurofibrome der Gesichtsregion, speziell der Orbita. Prof. Dr. Dr. Reinhard E. Friedrich behandelt seit über 30 Jahren diese komplexen Krankheitsbilder und hat sich hier über Jahrzehnte hinweg den Ruf eines Spezialisten erarbeitet. In einem ausführlichen, mit anschaulichen Fallbeispielen und Bildern illustriertem Vortrag erläuterte er das Krankheitsspektrum sowie Möglichkeiten der chirurgischen Versorgung.
Ebenfalls sehr belastend und in der heutigen Versorgungslandschaft schlecht abgebildet sind psychische Störungen. Ambulante psychotherapeutische Behandlungen sind eine wichtige Ressource, wobei Anlaufstellen meist sehr lange Wartezeiten aufweisen. In einem praxisnahen Vortrag haben die Neuropsychologinnen Frau Marie Vosschulte sowie Frau Anna Leidger, aus der Arbeitsgruppe von PD Dr. Farschtschi, Möglichkeiten der Erfassung und Behandlung psychischer Belastungsfaktoren im Zusammenhang mit Neurofibromatose dargestellt. Dabei verwiesen sie auf noch fehlende Handlungsempfehlungen und Leitlinien.
Frau PD Dr. Anna Duprée ist Leiterin des Sarkomzentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Aufgrund des häufigen Vorkommens von MPNST bei Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 ist die NF Ambulanz Hamburg mit dem Sarkomzentrum assoziiert.
Patienten mit MPNST werden gemeinsam und interdisziplinär im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf betreut. Frau PD Dr. Anna Duprée stellte in einem ausführlichen Vortrag von biologischen Grundlagen der Malignisierung über die chirurgischen Prinzipien bis zu den aktuellen Leitlinien zur Behandlung der MPNST bei Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 alle Möglichkeiten vor. Dabei unterstrich sie mit konkreten Fallbeispielen die erheblichen Herausforderungen in der Früherkennung und definitiven chirurgischen Therapie dieser Patientengruppe.
Aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dr. Reinhard E Friedrich stellten Frau Dr. Speth und Frau Gradl eine Arbeit zur Lebensqualität von Patienten mit plexiformen Neurofibromen im Hinblick auf die operative Versorgung vor. Daraus ging hervor, dass die meisten Patienten eine Operation insgesamt als überwiegend positiv beurteilen und sich neben der sozialen Funktionsfähigkeit auch funktionelle Aspekte und psychische Aspekte durch eine Operation positiv beeinflussen ließen. In einer Subgruppe, die sich negativ gegenüber der Operation ausgedrückt haben, war dies auf langwierige postoperative Heilungsprozesse zurückzuführen.
Frau PD Dr. Lan Kluwe, Leiterin des Genetiklabors des NF-Zentrums Hamburg, stellte eine Fallserie zur Mosaikbildung bei der Neurofibromatose Typ 1 vor. Dabei konnte sie aufzeigen, dass Mosaikbildungen in vielen Fällen in der Next Generation-Sequencing-Methode (NGS) nachweisbar sind. Dennoch stellen genetische Mosaikbildungen weiterhin eine klinische und diagnostische Herausforderung dar.
Frau Storozhuk aus der Arbeitsgruppe von Prof. Harder aus Mainz bzw. Halle stellte ein grundlagenwissenschaftliches Projekt zur Vorhersage der Proteinstruktur zur individuell dosierten Therapie der Neurofibromatose Typ 1 vor.
Fabio Hellmann aus dem Institut für Informatik Augsburg stellte eine Möglichkeit zur Auswertung zerebraler MRTs mittels künstlicher Intelligenz (KI) vor. In einem zeitnah geplanten Projekt sollen Daten von einer Reihe von Patienten ausgewertet werden. Ziel ist es, Läsionen bezüglich ihrer Dignität einzuordnen und eine Korrelation von zerebralen Auffälligkeiten und neurologischen Defiziten herzustellen.
Perspektivisch soll durch diese KI-Lösung eine sichere Identifizierung von FASI in Abgrenzung zu Gliomen möglich sein. Auch eine Verwendung als diagnostisches Instrument zur Diagnose der Grunderkrankung wird untersucht. Dabei stellen die komplexe Anatomie des Gehirns sowie die hohe Dimensionalität eine hohe Herausforderung für dieses Projekt dar.
Verena Kraus aus der Neuropädiatrie der Klinik Schwabing in München sowie die Allgemeinärztin Frau Dr. Wahlländer stellten ein Projekt zur funktionellen Entwicklungsdiagnostik bei Kleinkindern mit Neurofibromatose Typ 1 vor. Der MFED 1-4 stellt sich dabei als gutes Hilfsmittel zur Diagnostik von Entwicklungsverzögerungen heraus. Limitationen ergeben sich durch die Querschnittsstudie sowie durch mögliche Selektionbias.
PD Dr. Well und Frau Dr. Ristow aus der Radiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf stellten neue Modelle der radiologischen Diagnostik für die Neurofibromatose vor. Mittlerweile existieren verschiedene Bildgebungsmodalitäten, die eine sichere und frühzeitige Diagnose verschiedener Tumorentitäten erlauben. Aktuell läuft ein von der DFG gefördertes Projekt zur Auswertung bildbasierter Daten durch künstliche Intelligenz.
Herr Fehringer stellte aus der Forschungsgruppe von Prof. Rosahl aus Erfurt in Zusammenarbeit mit der Uniklinik Jena ein Projekt zu Immunzellinfiltration und Tumorwachstum in Vestibularisschwannomen bei NF2-bedingter Schwannomatose vor. Dabei kommt Makrophagen eine wichtige Rolle in Bezug auf das Tumorwachstum zu. Ein Problem stellt dabei die oft geringe Stichprobengröße dar sowie die Fokussierung auf spezifische Zelltypen.
Die Neuropathologin Frau Dr. Catena Kresbach aus der Arbeitsgruppe von Prof. Ullrich Schüller am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf stellte molekulare Charakteristika atypischer Neurofibrome vor. In einem kürzlich zuvor erschienenen Fachartikel hatte sie bereits völlig neuartige Erkenntnisse zu epigenetischen Profilen verschiedener Tumortypen veröffentlicht. Die Einteilungsmöglichkeit nach diesen epigenetischen Merkmalen ist ein wichtiger neuer Schritt in der Differenzierung nicht nur zwischen Schwannomen und Neurofibromen, sondern auch zwischen atypischen Neurofibromen und MPNST.
Frau PD Dr. Lan Kluwe sowie Herr PD Dr. Farschtschi stellten die aktuellen Bemühungen für die Entwicklung eines Neurofibromatose-Datenbankregisters vor.
PD Dr. Pablo Hernaiz-Driever ist Leiter des LOGGIC-Registers in Deutschland und stellte die aktuell laufenden Studien ACNS 1831 und Sprinkle vor. In letzterer geht es um die Verträglichkeit von Selumetinib bei Kindern. In ACNS 1831 geht es um einen Vergleich von Selumetinib mit der konventionellen Chemotherapie bei Optikusgliomen.
Prof. Dr. Thorsten Rosenbaum, Chefarzt der Kinderklinik der Sana Kliniken Duisburg, stellte neue Studienerkenntnisse zur Behandlung plexiformer Neurofibrome mit Selumetinib vor. Aktuell wird in einer PASS-Studie das Sicherheitsprofil von Selumetinib in der Anwendung überprüft. Ergänzend steuerte er umfangreiche Erkenntnisse aus eigener Behandlung bei.
Dr. Tobias Sünner vom Bundesverband Neurofibromatose stellte in Zusammenarbeit mit der Vereinigung Nothing is Forever von Josef Kammermeyer das NF1-Patientenregister der Children‘s Tumor Foundation (CTF) vor, den er mit einem Aufruf zur Beteiligung verband.
In Vertretung von Frau Dr. Lawson-McLean stellte Herr Fehringer ein Projekt der Uniklinik Jena vor, in dem die Lebensqualität bei Schwannomatose in einer systematischen Übersichtsarbeit untersucht wurde. Dabei zeigte sich eine ausgeprägte Variation der verwendeten Untersuchungsinstrumente, eine standardisierte Testbatterie existiert bislang nicht.
Frau Alexandra Spitzbarth, Allgemeinärztin, stellte Möglichkeiten zur Entwicklung einer App vor. Dabei kam sie auf Probleme mit dem hohen Zeitaufwand zur Entwicklung sowie zum Unterhalt der Anwendung zu sprechen. Eine Anerkennung als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) ist mit hohen Kosten verbunden. Gleichzeitig ist nicht ganz klar, ob ein relevanter Nutzen für die Patienten besteht. Im Fazit hielt sie fest, dass eine derartige App nur in Verbindung mit der digitalen Patientenakte sinnvoll ist. Ausgangspunkt für eine Anwendung sollte die Erstellung eines nationalen Registers sein.
Zusammenfassung von PD Dr. med. Said Farschtschi, NF-Zentrum Hamburg
Unseren ausführlichen Bericht dazu lesen Sie in NFaktuell 129
2022
Workshop der Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen 2022
Das jährliche Meeting der Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatose ist mittlerweile ein fester Bestandteil der jährlichen Planung für alle Zentren, die sich der Diagnostik und Behandlung von Neurofibromatose gewidmet haben. Die Veranstaltung wurde 1996 von den Gründungmitgliedern Prof. Dieter Kaufmann, Prof. Victor-Felix Mautner, Prof. Thorsten Rosenbaum und Prof. Sigrid Tinschert ins Leben gerufen. Das Organisationskomitee besteht derzeit aus Prof. Victor-Felix Mautner (Hamburg), Prof. Helen Morrison (Jena), Prof. Thorsten Rosenbaum (Duisburg) sowie Prof. Martin Schumann (Tübingen)
Vom 11. bis 12. November 2022 fand in Halle an der Saale das 25-jährige Jubiläum dieser traditionellen Veranstaltung statt. Erstmals wurde der Workshop als hybrider Kongress konzipiert, d.h. Zuschauer konnten sich online einwählen und auch Vorträge wurden teilweise online ausgerichtet.
Das vielfältige Programm wurde von der wissenschaftlichen Leiterin Frau Prof. Anja Harder zusammengestellt und enthielt neben grundlagenwissenschaftlichen, translationalen und klinischen Vorträgen auch die Möglichkeit zum interdisziplinären Diskurs der Zentren zur Behandlung von Neurofibromatosen. Finanziert wurde die Tagung von der Deutschen Kinderkrebsstiftung, dem Bundesverband Neurofibromatose sowie von der Pharmafirma Alexion.
Bereits am Vorabend gab es ein umfangreiches (u.a. auch wissenschaftliches) Vorprogramm, das mit der Besichtigung der Meckelschen Sammlungen begann. Hier im Anatomischen Institut konnten eindrucksvolle anatomische Präparate besichtigt werden, die einen historischen Einblick in die Entwicklungen der Medizin erlaubten.
Anschließend gab es einen Empfang, der unter anderem von ukrainischer Musik begleitet wurde, auch gab es kulinarische Köstlichkeiten aus der Ukraine. In diesem Rahmen sprach PD Dr. Kaufmann zum Thema „Neurofibromatose, vom unheilbaren Quasimodo zu den mit gezielten Therapie-ansätzen versorgten NF-Patienten“. Dabei spannte er ein Bogen von historischen Beschreibungen und Analogien von Patienten mit Neurofibromatose über die Anfänge der Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatose bis zum Ausblick zu künftigen medikamentösen Therapieansätzen.
Das Hauptprogramm begann am 12. November mit der Eröffnung durch die Dekanin der medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Frau Prof. Kielstein, sowie dem Geschäftsführer der Deutschen Kinderkrebsstiftung Herrn Dr. Hannowsky.
Leider waren kurzfristige Ausfälle zu beklagen, so konnte unter anderem der Hauptvortrag von Prof. Scheffzek aus Innsbruck zu neuen Ansichten des Neurofibrominmoleküls nicht stattfinden. Auch der Vorstand der gemeinnützigen Organisation „Nothing is forever“, Herr Kammermeyer, war an diesem Tag verhindert.
Die erste Session begann mit einem Vortrag des renommierten spanischen Wissenschaftlers Prof. Eduard Serra, der in seinem Vortrag auf ein neuentwickeltes zellbiologisches Modell für Neurofibrome einging und Anwendungsmöglichkeiten hinsichtlich der Evaluation von Therapiemöglichkeiten beschrieb.
Anschließend stellte die Hamburger Molekularbiologin Frau PD Dr. Lan Kluwe einen besonderen Fall vor, bei dem eine nachweisbare mosaike Mutation im NF1-Gen (Mikrodeletion) ohne nachweisbare Krankheitsausprägung vorlag. Anschließend wurde diskutiert, ob das Auftreten von Lipomen im Zusammenhang mit einer Neurofibromatose Typ 1 stehen kann.
In einem Onlinevortrag berichtete der Magdeburger Humangenetiker Prof. Martin Zenker über das vielfältige Spektrum von RASopathien und stellte damit eine alternative Sichtweise auf die Eintei-ung und Wahrnehmung der Neurofibromatose Typ 1 im Kontext der zugrundeliegenden Signalmechanismen vor.
Der Berliner Kinderonkologe Pablo Hernaiz-Driever ging auf aktuelle Studien zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Neurofibromatose Typ 1 und Optikusgliomen ein. Gleichzeitig stellte er das deutsche Register für Optikusgliome vor.
Zwischen den Vorträgen war bei Kaffee und Kuchen Zeit für einen persönlichen Austausch der Wissenschaftler und Patientenvertreter. Außerdem erfolgte das traditionelle Gruppenfoto aller Anwesenden.
In der anschließenden Mittagssession stellte Frau Dr. Leisz neue Erkenntnisse zur Rhythmik von Schwannzellen im Zusammenhang mit bösartigen malignen peripheren Nervenscheidenstumoren vor. Dabei zeigte sie, dass auch die Zellen einer chronobiologischen Rhythmik unterliegen. Dies könnte in Zukunft den Weg für neuartige Behandlungsmechanismen eröffnen.
Der Frankfurter Neurologe PD Dr. Ronellenfitsch stellte ein Update zu ERBB2-mutierten peripheren Nervenscheidentumoren vor. Bereits im vergangenen Jahr hatte er eine eindrückliche Fallserie zu Tumoren vorgestellt, die anhand genetischer Merkmale klar von den bisherigen Entitäten Neurofibromatose Typ 1, Neurofibromatose Typ 2 und Schwannomatose zu unterscheiden waren. Weiterhin stellte er eine Studie zur zielgerichteten Therapie dieser Tumoren vor.
Die Berliner Neurochirurgin Frau PD Dr. Nora Dengler stellte in einem Übersichtsvortrag die Möglichkeiten und Chancen für die Neurofibromatose-Forschung mittels künstlicher Intelligenz vor und verwies hierbei auf eine rasante Entwicklung der letzten Jahre.
Der Augsburger Informatiker Fabio Hellmann stellte passend zu diesem Thema eine konkrete Studie vor, in der mithilfe künstlicher Intelligenz die Diagnose einer Neurofibromatose Typ 1 anhand von MRT-Bildern des Gehirns verifiziert werden soll. Im Vordergrund dieser Arbeit stehen die sogenannten FASIs, die bei der überwiegenden Mehrzahl aller Betroffenen vorkommen.
Die anschließende Mittagspause wurde erneut für lebhafte Diskussionen genutzt; passenderweise gab es mehrere Seminarräume, in die sich Gruppen von Wissenschaftlern und Patientenvertretern zurückziehen konnten, um fachliche Diskussionen zu vertiefen.
Die Nachmittagssession stand unter dem Stern klinischer Forschung. Die Hamburger Radiologin Frau Dr. Inka Ristow stellte eine Studie vor, die anhand von spezifischen MRT-Sequenzen (Diffusionsgewichtung) die Unterscheidungsmöglichkeit zwischen plexiformen, atypischen und malignen peripheren Nervenscheidentumoren ermöglicht.
Prof. Rosenbaum aus Duisburg stellte neue Daten zur Therapie plexiformer Neurofibrome mithilfe von MEK-Inhibitoren (Selumetinib, Trametinib) vor. Hierbei ging er sowohl auf neue Ergebnisse als auch Herausforderungen der medikamentösen Therapie ein.
Die Hamburger Mund-Kiefer-Gesichtschirurgin Dr. Ulrike Speth stellte eine Studie zum Riech- und Schmeckvermögen bei Neurofibromatose Typ 1 vor. Interessanterweise zeigten die Ergebnisse, dass Riechstörungen bei Neurofibromatose Typ 1 nicht signifikant gehäuft auftreten, jedoch Geschmacksstörungen häufig zu sein scheinen. Insbesondere die Geschmacksrichtung salzig wird offensichtlich reduziert wahrgenommen.
Die Tübinger Neurochirurgin Frau Dr. Isabel Gugel stellte per Videovortrag eine Studie zum klinischen Management von Schwannomen im Rahmen einer Neurofibromatose Typ 2 bzw. Schwannomatose vor. Dabei ging sie auf spezifische Beschwerden, Indikationsstellung der Eingriffe sowie das Outcome ein.
Der Hamburger Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, Prof. Dr. Reinhard Friedrich, stellte eine eigene Studie zur Kephalometrie des Gesichtsschädels bei Neurofibromatose Typ 1 vor. Die Kephalometrie beschäftigt sich mit der biometrischen Vermessung knöcherner Anteile des Gesichtsschädels. Daraus leitete er wichtige Erkenntnisse zu Dysmorphien im Rahmen der Neurofibromatose Typ 1 ab.
Der Hamburger Neurologe PD Dr. Said Farschtschi stellte in einem Übersichtsvortrag klinische Merkmale einer Neuropathie vor und verwies in Anlehnung an die neu definierten diagnostischen Kriterien auf Überschneidungsflächen sowie Abgrenzungsmöglichkeiten einer Neurofibromatose Typ 2 und einer Schwannomatose.
Alexandra Spitzbarth neue Möglichkeiten der Betreuung von Patienten mit Neurofibromatose im niedergelassenen Bereich vor. Dabei ging sie auf die Entwicklung einer neuen App ein, die die Behandlung und Betreuung von Patienten vereinfachen könnte.
Frau Dr. Ronstedt aus der Radiologie in Halle stellte typische Komplikationen von Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 dar.
Die Medizinstudenten Frau Schneider und Herr Behringer stellten in ihrem Vortrag zum NF2-Register zusammen mit der Neurochirurgin Frau Dr. Lawson McLean Möglichkeiten und Besonderheiten der Datenerfassung im Register vor. Trotz der Abwesenheit von Herrn Kam-mermeyer wurde der Deutsche Teil des CTF NF1-Registers diskutiert.
Im Anschluss an die vielfältige Tagung wurden Bewerbungen für die nächste Ausrichtung entgegengenommen. Insgesamt wurde der Zeitplan trotz des sehr straffen Programmes sehr genau eingehalten. Die Bedeutung dieser Veranstaltung ist für die Weiterentwicklung und Neuentwicklung von Vorschussprojekten zu den Neurofibromatosen nicht hoch genug anzusetzen. An dieser Stelle sei den Ausrichtern unter der Leitung von Frau Prof. Anja Harder für die exzellente Planung und Organisation der Tagung gedankt.
Zusammenfassung von PD Dr. med. Said Farschtschi, NF-Zentrum Hamburg
Unseren ausführlichen Bericht dazu lesen Sie in NFaktuell 123
2021
Workshop der Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen 2021
Nachdem das Treffen der Arbeitsgemeinschaft Neurofibromatosen im Jahr 2020 wegen der Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit der Coronapandemie ausgefallen war, trafen sich Kliniker, Forscher und Patientenvertreter am 9. Oktober 2021 nun wieder unter der Schirmherrschaft der Organisatoren – Prof. Dr. Thorsten Rosenbaum und Dr. Pia Vaassen sowie der übrigen Kommissionsmitglieder Prof. Dr. Victor-Felix Mautner und Prof. Dr. Martin Schuhmann – für einen intensiven wissenschaftlichen und persönlichen Austausch.
Die Veranstaltung wurde finanziell und logistisch durch den Bundesverband Neurofibromatose e.V. sowie die Firma Astra Zeneca unterstützt. Seit der letzten Tagung am 14. September 2019 gab es viele Fortschritte im Verständnis und in der Behandlung der Neurofibromatosen, die nun wieder in Präsenz diskutiert wurden. Unter anderem wurden neue diagnostische Kriterien für die NF1 verabschiedet und ein Wirkstoff zur Behandlung symptomatischer, inoperabler plexiformer Neurofibrome für Kinder zugelassen (wir berichteten in NFaktuell Nr. 117).
Die Veranstaltung wurde durch Prof. Dr. Rosenbaum eröffnet. In der ersten Session sollten klinische Aspekte bei der Neurofibromatose Typ 1 besprochen werden. Den ersten Vortrag hielt PD Dr. Johannes Salamon aus Hamburg, der eine Studie vorstellte, die dieses Jahr in der Fachzeitschrift PLoS Genetics veröffentlicht wurde. Darin untersuchten die Autoren um den Studienleiter, Herrn Salamon, den Zusammenhang von Genvarianten der NF1 mit dem auftretenden Tumorvolumen. Dabei zeigte sich, dass Patient:innen mit großen Deletionen des NF1 Gens – bei denen das Gen zum großen Teil verloren geht – zu einem höheren Tumorvolumen und auch zu höheren Wachstumsgeschwindigkeiten führt. Insbesondere bei Kindern war diese Beobachtung sehr deutlich. Diese Erkenntnis verdeutlicht, dass genetische Untersuchungen eine Risikoeinschätzung erlauben können und bildgebende Verfahren in der Lage sind, den Verlauf des Tumorwachstums genau zu bestimmen.
Anschließend präsentierte Dr. Inka Ristow, die ebenfalls in der radiologischen Forschungsgruppe um PD Dr. Salamon arbeitet, ein weiteres Projekt der Forschungsgruppe. Diesmal wurden Daten vorgestellt, die computerbasierte Auswertungen von MRT-Bildern zeigten. Mithilfe von künstlicher Intelligenz (Machine Learning) wurde ein Programm entwickelt, das gutartige und bösartige Tumoren anhand der vorliegenden Bildinformation unterscheiden soll. Dabei zeigte sich eine hohe diagnostische Sicherheit dieses vollautomatischen, lernfähigen Programms. Derzeit ist dies ein experimentelles Verfahren, die Bildbeurteilung wird für klinische Fragestellungen ausschließlich von erfahrenen Radiologen vorgenommen. In Zukunft könnten jedoch derartige Algorithmen die Arbeit der Radiologen unterstützen.
Anschließend stellte der Gastgeber Prof. Dr. Rosenbaum aktuelle Erkenntnisse zum Einsatz von MEK-Inhibitoren im Rahmen der Neurofibromatose vor. In diesem Zusammenhang erläuterte er die Studienergebnisse der SPRINT-Studie, die zur Zulassung von Selumetinib bei Kindern mit symptomatischen, inoperablen plexiformen Neurofibromen geführt hat (04/2020 USA, 04/2021 Europa). Ergänzend stellte er Besonderheiten und Erfahrungen aus seinem eigenen Patientenkollektiv vor und wies auf seltene und problematische Nebenwirkungen hin.
Dr. Said Farschtschi stellte eine Pilotstudie vor, die die Wirkung und Verträglichkeit von mizelliertem Curcumin auf kutane und plexiforme Neurofibrome bei NF1 untersuchen und gleichzeitig das Ansprechen von Symptomen auf diese Behandlung erfassen soll. Curcumin ist ein auf den Inhaltsstoffen der Gelbwurz basierendes Nahrungsergänzungsmittel und hat das Potential, bei entsprechender Wirksamkeit breit verfügbar angewendet zu werden. Im zweiten Teil seines Vortrages stellte er die neue Homepage des Bundesverbandes Neurofibromatose vor.
Die Psychologin Anna Leidger diskutierte im letzten Vortrag der ersten Session neuere Studien der Hamburger Gruppe zum sexuellen Selbstwert und die psychologische Belastung von Patient:innen mit NF1. Bereits in einer Pilotstudie der Arbeitsgruppe hatte sich ein überwiegend unauffälliges Profil gezeigt. Dabei wurde auch auf die besondere Bedeutung der Partnerschaft im Zusammenhang mit sexueller Zufriedenheit verwiesen.
Nach einer Kaffeepause stellte Herr Josef Kammermeier den von ihm selbst und seiner Frau gegründeten Verein ‚Nothing is Forever e.V.‘ und die bislang geförderten Projekte vor. Der Verein finanziert sich über private Spenden und fördert gezielt wissenschaftliche Projekte, die eine Verbesserung der Versorgung Betroffener oder gar neue therapeutische Aspekte untersuchen. Dabei arbeitet er eng mit dem Bundesverband Neurofibromatose zusammen.
Herr Eberhard Sorge stellte in einem grundlagenwissenschaftlich orientierten Vortrag ein neues Projekt aus Halle vor, in dem spezifische Antikörper gegen verändertes Neurofibromin Möglichkeiten und Erkenntnisse zu neuen therapeutischen Ansätzen liefern sollen. Dabei diskutierte er die Vorstellung, dass Neurofibromin Dimere bildet und somit fehlerhaftes und gesundes Neurofibromin dysfunktionale Dimere bilden könnten.
Anschließend präsentierte Herr PD. Dr. Dr. Ronellenfitsch eine Fallserie, in der Neurofibrome mit einer Mutation im ERBB2-Gen untersucht wurden. Dabei wurden besondere klinische Aspekte beleuchtet und auch mögliche diagnostische und therapeutische Ansätze diskutiert.
Nach der Mittagspause berichtete Prof. Dr. Martin Zenker aus Magdeburg über den Aspekt der seltenen juvenilen myelomonozytären Leukämien (JMML) bei NF1 im Vergleich zu anderen RASopathien. Er ging dabei auf molekulargenetische Unterschiede ein. Die JMML ist eine extrem seltene Form des Blutkrebses, die im Rahmen der NF1 zwar statistisch gehäuft auftritt, jedoch immer noch sehr selten ist.
PD Dr. Tim Godel aus Heidelberg zeigte anhand zahlreicher Studienarbeiten, die sich der Methode der MR-Neurographie bedienten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Neurofibromatose Typ 1, Typ 2 und der Schwannomatose. Die MR-Neurographie ist dabei in der Lage, auch winzige Veränderungen der peripheren Nerven zu erfassen. Teilweise treten diese Veränderungen so früh im Krankheitsverlauf auf, dass sie diagnostisch bedeutsam sind. Dieses Verfahren wird aktuell überwiegend experimentell eingesetzt.
PD Dr. Nora Dengler stellte eine umfassende Recherche zur Häufigkeit und zum Outcome von NF-assoziierten stationären Behandlungen vor. Dabei wurden Erfassungen des statistischen Bundesamtes der vergangenen Jahre untersucht. Hierbei zeigte sich, dass es in den Jahren bis 2018 zu einem gleichbleibenden Aufkommen NF-assoziierter Behandlungen kam, wobei die Rednerin auf die Unsicherheiten bei der Erfassung hinwies.
Prof. Dr. Ulrich Schüller aus Hamburg stellte Arbeiten zu Ependymomen bei Patienten mit einer Neurofibromatose Typ 2 vor. Dabei ging er besonders auf molekulargenetische Besonderheiten dieser Tumoren ein und verwies auch auf eine neu erarbeitete Klassifikation dieses Tumortyps.
Dr. Anna McLean aus Erfurt referierte zunächst über die Einführung eines klinischen Registers für Patienten mit einer Neurofibromatose Typ 2. In einem solchen Register werden klinische Daten pseudonymisiert gespeichert. Dies erleichtert das Erkennen klinischer Zusammenhänge sowie deren wissenschaftliche Auswertung. Im zweiten Teil ihres Vortrages stellte sie das aktuelle Buch des Autors und NF2-Betroffenen Frederick Suter vor: Wir alle und NF2. Darin enthalten sind Beiträge aus dem Umfeld und von Behandlern.
Prof. Dr. Martin Schuhmann aus Tübingen stellte chirurgische Ansätze bei der NF2 und Schwannomatose vor. Dabei ging er einerseits auf extrakranielle Schwannome bei NF2 und SWN ein und zeigte die Bedeutung von Einflussfaktoren auf. Andererseits diskutierte er Therapieansätze zu NF2-assozierten Ependymomen. Dabei zeigen sich nur wenige der Ependymome symptomatisch und sollten nur dann Grund für eine chirurgische Behandlung sein.
Zum Abschluss der Veranstaltung würdigten Prof. Rosenbaum, Prof. Rosahl, Prof. Schuhmann sowie Prof. Kaufmann Prof. Mautners Arbeiten zur Neurofibromatose über die vergangenen Dekaden. Anlass war der bevorstehende Ruhestand des bisherigen Leiters der Neurofibromatose-Ambulanz Hamburg. Die Redner rekapitulierten die zahllosen klinischen und wissenschaftlichen Stationen des NF-Pioniers und stellten die breite wissenschaftliche Expertise hervor. Prof. Mautner wird sich weiterhin an der AG Neurofibromatosen beteiligen.
Zusammenfassung von PD Dr. med. Said Farschtschi, NF-Zentrum Hamburg
Unseren ausführlichen Bericht dazu lesen Sie in NFaktuell 119
2020
Das Treffen der AG NF entfiel im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie