NF1: Neurofibromatose Typ 1
Allgemeine Informationen zu NF1
NF1 ist die häufigste Form der Neurofibromatose.
Rund 70 % der Menschen mit Neurofibromatose Typ 1 leben ohne besondere Einschränkungen mit ihrer Krankheit. Viele von ihnen bemerken sie gar nicht. Nur etwa 10 % der Fälle von NF1 bringen stärkere Symptome mit sich.
Merkmale der NF1
Neurofibromatose Typ 1 ist nicht ansteckend, sie kann jedoch vererbt werden.
Meist beginnt sie mit Hautveränderungen, gutartigen Geschwülsten u. a. auch an Nerven- und Bindegewebszellen.
NF1 bei Kindern
Wie viele andere chronische Erkrankungen ist auch die Neurofibromatose ein lebenslanger Begleiter, auf den Eltern ihre Kinder vorbereiten sollten.
Von Anfang an erfahren sie so, welche Maßnahmen notwendig sind, um ein ganz normales glückliches Leben führen zu können.
Wichtig für Eltern ist, sich keine unnötigen Schuldgefühle zu machen. Neurofibromatose ist durch eine Veränderung der Erbanlagen bedingt, nicht durch vermeintliches Fehlverhalten in der Schwangerschaft oder im Umgang mit dem Säugling oder Kleinkind.
Neurofibromatose wird oft spät erkannt, da sie in einer großen Vielfalt an Erscheinungsformen auftritt und sehr häufig unauffällig bleibt.
Häufig sind Café-au-lait-Flecken, milchkaffeefarbene Hautflecken, das erste Symptom, das auf eine NF 1 hinweist. Diese Flecken sind manchmal bei der Geburt vorhanden, in anderen Fällen treten sie im Säuglingsalter auf.
Um eine NF 1 diagnostizieren zu können, muss jedoch mindestens ein weiteres typisches Krankheitsmerkmal vorliegen.
Viele der NF-1-Merkmale bilden sich jedoch erst im Lauf der Jahre aus und sind bei sehr jungen Kindern oft nicht zu finden. Meistens kann ein zweites Merkmal bis zum 6 Lebensjahr festgestellt werden. Gewöhnlich treten sie etwa zwischen dem 7. und 10. Lebensjahr oder sogar erst später auf.
Häufig kommen während der Pubertät weitere Merkmale hinzu. Deshalb ist es oft unmöglich, bei einem kleinen Kind mit zahlreichen Café-au-lait-Flecken die endgültige Diagnose einer NF 1 zu stellen. Es kann Jahre dauern, bevor ein weiteres Merkmal der Krankheit auftritt und so die Diagnose bestätigt werden kann. Daher ist es ratsam, das Kind in regelmäßigen Abständen auf neue Merkmale hin zu untersuchen
Mehr als die Hälfte der Patienten mit Neurofibromatose Typ I entwickeln im Laufe des Lebens Auffälligkeiten am Skelettsystem bzw. Bewegungsapparat. Am häufigsten sind die Wirbelsäule und die unteren Extremitäten betroffen.
Der natürliche Verlauf ohne Behandlung ist in den meisten Fällen ungünstig. Im Bereich der Wirbelsäule entwickeln sich schwere Deformierungen, die nicht nur Schmerzen verursachen können, sondern auch zu relevanten Beeinträchtigungen der Atem- und Herzfunktion, aber auch zu Instabilitäten der Wirbelsäule mit Gefährdung des Rückenmarks und daraus resultierenden Lähmungen führen können.
Die Früherkennung von Deformitäten ist von entscheidender Bedeutung. Deshalb sollte die Wirbelsäule im Verlauf in regelmäßigen Abständen (in der Regel jährlich) klinisch untersucht werden. Da sich die Symptome in vielen Fällen schleichend entwickeln, ist die gezielte Suche nach relevanten Symptomen wie z.B. Nackenschmerzen, Rückenschmerzen, Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule, neu aufgetretene neurologische Ausfälle, Auftreten von Tumormassen im Bereich des Nackens, strukturelle Deformitäten der Wirbelsäule wie z.B. Skoliose oder Hyperkyphose sehr wichtig.
Bei Feststellung einer Deformierung an der Wirbelsäule wird in der Regel zunächst eine nativradiologische Diagnostik (Röntgenaufnahmen) veranlasst und als Ergänzung ggf. eine weiterführende Schnittbilddiagnostik in Form eines MRTs durchgeführt. Es wurde beobachtet, dass es aufgrund der für die Neurofibromatose typischen Veränderungen der Knochenqualität und Knochenmorphologie (Knochendystrophie) bei einem Großteil der Patienten zu einer raschen Zunahme der Wirbelsäulendeformitäten kommt.
Dies gilt insbesondere für heranwachsende Patienten und erfordert eine frühzeitige Einleitung therapeutischer Maßnahmen. Da die nicht-operativen Behandlungsmöglichkeiten sehr begrenzt sind, werden die meisten Patienten operativ behandelt. Derzeit stehen eine Vielzahl von Operationstechniken zur Verfügung, wobei die genaue Operationsmethode patientenspezifisch ausgewählt und individuell an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden sollte.
Bei heranwachsenden Patienten werden meist mitwachsende Systeme zur Begradigung der Krümmung verwendet, die nach der Primäroperation in regelmäßigen Abständen verlängert werden müssen, um ein weiteres Wachstum der Wirbelsäule zu ermöglichen. Der Einsatz von magnetisch verstellbaren Stäben (MCGR-Methode) ist aufgrund der starken Magnetartefakte, die eine MRT-Untersuchung im Verlauf nicht zulassen, nur sehr eingeschränkt möglich, so dass überwiegend herkömmliche mitwachsende Stäbe (TGR) verwendet werden, die dann zweimal jährlich bis zum Wachstumsende minimal-invasiv operativ verlängert werden.
Bei Patienten mit fortgeschrittener Skelettreife bzw. abgeschlossenem Wachstum sind endgültige Korrekturen mit dem Ziel der Begradigung und Stabilisierung der Wirbelsäule der Goldstandard der Therapie, wobei hier sehr häufig kombinierte Eingriffe von vorne und von hinten durchgeführt werden, um eine solide knöcherne Stabilisierung zu erreichen (auch Fusion, Spondylodese oder Versteifung genannt). In diesen Fällen handelt es sich um komplexe Eingriffe mit sehr hohem Operationsaufwand.
Der Einsatz moderner Techniken zur intraoperativen Überwachung der Rückenmarksfunktion (intraoperatives Neuromonitoring) und computergestützter Navigation ist heute Routine, dennoch ist das Risikoprofil für perioperative Komplikationen aufgrund der Komplexität der Deformitäten um ein Vielfaches erhöht.
Aus diesem Grund sollten diese Patienten in spezialisierten Zentren mit entsprechender Infrastruktur behandelt werden. Von besonderer Bedeutung sind dabei eine multidisziplinäre und interdisziplinäre Betreuung und eine gut koordinierte Zusammenarbeit zwischen Orthopädie, Neurochirurgie, Anästhesie und Intensivmedizin.
Das häufigste Problem im Bereich der unteren Extremitäten bei Patienten mit Neurofibromatose Typ I ist die kongenitale Tibiapseudarthrose (Falschgelenk des Schienbeins), auch bekannt als Tibiadysplasie. In manchen Fällen wird die Diagnose direkt nach der Geburt aufgrund einer Fehlstellung des Unterschenkels gestellt. Allerdings zeigt sich bei anderen Patienten die Problematik erst nach Laufbeginn oder im Kindesalter aufgrund einer zunehmenden Schienbeinverbiegung und Bruch des Unterschenkels, auch pathologische Fraktur genannt.
Herkömmliche Behandlungsmethoden wie Ruhigstellung im Gips oder Fixierung mit Platten und Schrauben oder Drähten sind in diesen Fällen nicht erfolgversprechend. Die Therapiestrategie ist die operative Resektion des Falschgelenkes (Pseudarthrose) und die Wiederherstellung der Unterschenkelachse und der Knochenkontinuität, um eine funktionelle, schmerzfreie Belastung zu gewährleisten, die für das Gehen wichtig ist.
Die Vorgehensweise erfolgt in mehreren Schritten und umfasst die Resektion der Pseudarthrose, den Segmenttransport mit einem externen Fixateur und die zusätzliche Stabilisierung mit einem intramedullären Teleskopnagel.
Trotz erreichter knöcherner Durchbauung ist das konsequente Tragen einer protektiven Unterschenkelorthese bis zur Pubertät zwingend erforderlich, um das Auftreten weiterer Frakturereignisse zu vermeiden.
Autor: Dr. med. Kiril Mladenov (Geschäftsführender Oberarzt der Kinderorthopädie
im Altonaer Kinderkrankenhaus, Leiter der Sektion „Deformitäten“ und Leiter des pädiatrischen Wirbelsäulenzentrums)
s. a. Artikel in NFaktuell Nr. 125 vom Juli 2023 - Wissenschaftsteil
Die meisten Neugeborenen, die die genetische Fehlinformation der NF 1 tragen, weisen noch keine Zeichen der Erkrankung auf.
Café-au-lait-Flecken werden gewöhnlich in den ersten Lebenswochen bemerkt. Neurofibrome treten im Kleinkindalter nur selten auf. Eine Ausnahme ist das plexiforme Neurofibrom. Dies ist ein Tumor, der gelegentlich als weiche Schwellung unter der Haut bereits in der Säuglingszeit zu beobachten ist.
Die Schienbeinfehlstellung (Tibiadysplasie) ist relativ selten und tritt – wenn sie vorkommt – bereits bei der Geburt auf, erkennbar an einer übermäßigen Krümmung des Unterschenkels. In diesem Fall sollte eine Röntgenaufnahme veranlasst und das Kind dem Orthopäden vorgestellt werden. Die fehlgebildete Partie des Schienbeins neigt zu Brüchen, die schlecht heilen.
Einige Neugeborene mit NF 1 weisen eine Keilbeindysplasie auf, eine Fehlbildung des Knochens hinter der Augenhöhle. Dies ist häufig verbunden mit einem Hervortreten des Auges, manchmal auch mit einer nach unten gerichteten Verschiebung des Auges.
Zusätzlich kann ein plexiformes Neurofibrom in der Augenhöhle auftreten sowie eine Vergrößerung des oberen Augenlides. Dies kann recht entstellend aussehen und neigt außerdem dazu, sich im Lauf der Jahre zu verstärken.
Gegen die Fehlbildung des Keilbeins muss gewöhnlich nichts unternommen werden, die kosmetische Beeinträchtigung kann durch kosmetische Operationen gemildert werden. Im Allgemeinen werden die ersten Anzeichen der Keilbeindysplasie durch ein diskretes Pulsieren des Auges deutlich.
Kinder mit NF 1 können körperliche und/oder psychische Entwicklungsverzögerungen aufweisen. Darüber hinaus besteht bei manchen Kindern eine verminderte Anspannung der Muskulatur (Hypotonus). Diesem Reifungsdefizit kann durch gezieltes Training entgegengewirkt werden.
Gewöhnlich sind in diesem Alter die Café-au-lait-Flecken klar zu erkennen. Wenige kleinere Neurofibrome können bei manchen Kindern auf der Haut beobachtet werden. Sie erscheinen als kleine "Beulen", die sich weich anfühlen und eine rötliche Farbe aufweisen.
Junge Kinder haben in der Regel – wenn überhaupt – nur wenige kleinere Neurofibrome. Einige Kinder können jedoch schon in frühen Lebensjahren mehrere Neurofibrome entwickeln. Dies bedeutet aber nicht, dass in der Kindheit noch zwangsläufig andere schwere Komplikationen auftreten müssen. Manche Kinder weisen bereits in der frühen Kindheit einige "Sommersprossen" (Freckling) in der Achselhöhle oder Leistengegend auf. Diese gelten als weiteres Zeichen dafür, dass eine NF 1 vorliegen kann, eine andere Bedeutung hat diese Erscheinung nicht.
Als Wachstumsabweichung kann bei Vorschulkindern mit NF 1 ein großer Kopfumfang beobachtet werden. Im Allgemeinen ist dies nicht mit medizinischen Problemen verbunden, der Kopf wächst lediglich mit größerer Geschwindigkeit als bei anderen Kindern. Geht das raschere Kopfwachstum mit Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Erbrechen einher, sollte eine Computertomographie oder Kernspintomographie veranlasst werden, um sicher zu stellen, dass sich kein zunehmender Druck durch Flüssigkeit im Schädelinneren entwickelt.
Gehirntumoren können zu jedem Zeitpunkt des Lebens auftreten, auch in der frühen Kindheit. Glücklicherweise werden diese Tumoren insgesamt selten beobachtet.
Eine spezielle Tumorform, die besonders mit der frühen Kindheit in Verbindung gebracht wird, ist das Optikusgliom, ein Tumor des Sehnervs. Wenn das Optikusgliom in seiner typischen Form auftritt, kommt es zu Sehkraftverlust und/oder Einschränkungen des Gesichtsfeldes, Schmerzen hinter dem Auge, Hervortreten des Auges oder schleimigen Sekretabsonderungen.
Abhängig von den Untersuchungsbefunden und von der Wachstumstendenz kann eine Operation, eine Strahlen- oder Chemotherapie erforderlich werden. Viele Tumoren im Bereich des Sehnervs verursachen allerdings keine Beschwerden, so dass auch keine Therapie erforderlich ist.
Kinder mit NF 1 sollten mindestens einmal jährlich vom Augenarzt untersucht werden, damit Anzeichen eines Optikusglioms frühzeitig erkannt werden.
Eine Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) tritt bei NF 1 relativ häufig auf, in den meisten Fällen jedoch nur in geringfügigem Umfang. Ein Kind mit leichter Skoliose sollte regelmäßig körperlich untersucht und bei Bedarf auch geröntgt werden, um festzustellen, ob sich die Verkrümmung verstärkt. In leichteren Fällen kann z.B. ein Korsett hilfreich sein, in schweren Fällen muss u.U. operiert werden.
Im Schulalter müssen einerseits die in den Vorjahren aufgetretenen medizinischen Probleme weiter genau beobachtet und kontrolliert werden, andererseits können in diesem Lebensalter spezifische Probleme wie Lernschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsstörungen und körperliche Ungeschicklichkeit unter Leistungsanforderungen verstärkt zu Tage treten.
Von Lernschwierigkeiten spricht man, wenn ein Kind von normaler Intelligenz in der Schule konstant unterdurchschnittliche Leistungen erbringt. Etwa 8 bis 9% aller Schulkinder leiden unter Lernschwierigkeiten, bei Kindern mit NF 1 liegt dieser Prozentsatz schätzungsweise bei 40 bis 50%. Dies bedeutet, dass man bei jedem Kind mit NF 1 bei Schulschwierigkeiten zunächst an eine Lernstörung denken soll, nicht an Faulheit oder Interesselosigkeit.
-> Lese-Rechtschreib-Störung (LSR) einfach erklärt
Problematisch ist, dass die Lernstörung bei NF1-Kindern vielschichtig ist und sich mit den üblichen Schultests häufig nicht richtig erfassen lässt.
Folgende Auffälligkeiten können Hinweise auf das Vorliegen einer speziellen Lernstörung bei NF1 sein:
Unangemessenes Verhalten im Kontakt zu anderen Menschen, Überreaktion auf Veränderung
Störungen der Konzentrationsfähigkeit bei körperlicher Überaktivität, erhöhte Ablenkbarkeit.
Körperliche Ungeschicklichkeit, schlechte Orientierung im Raum
Vertauschen von Zahlen, Buchstaben, Schwierigkeiten in Mathematik.
Schwierigkeiten beim Verständnis von Gesichtsausdrücken, Tonfällen und z.B. Musik.
Um dem NF1-Kind mit seinen spezifischen Lernstörungen bestmöglich zu helfen, sollten im ersten Schritt die Lehrer*innen des Kindes möglichst genau über das Vorliegen und die Art der Lernstörung informiert werden, um das Kind speziell fördern zu können. Auch die Einbeziehung des Schulpsychologen kann nützlich sein, da die betroffenen Kinder ihr "Anderssein" schnell wahrnehmen und darauf z.B. mit Minderwertigkeitsgefühlen, Depressionen oder auch erhöhter Aggression reagieren können.
Bei Kindern, die eine verminderte Aufmerksamkeitsspanne aufweisen, schnell ablenkbar sind, ein vermindertes Steuerungsvermögen besitzen und eine verstärkte motorische Unruhe zeigen, liegt möglicherweise eine Aufmerksamkeitsstörung (ADS/ADHS) vor. Dabei kann diese Störung auch ohne motorische Unruhe auftreten. Die Diagnose dieser Beeinträchtigung sollte durch einen auf diesem Gebiet erfahrenen Psychologen oder Arzt erfolgen. Denn ein intelligentes Kind wird zum Beispiel in der Schule unaufmerksam, unruhig oder leicht ablenkbar sein, wenn es unterfordert wird. Dies gilt auch für ein Kind, dessen Leistungsvermögen weniger gut angelegt ist und dann überfordert wird.
Nach der Diagnose der Aufmerksamkeitsdefizitstörung muss für jedes Kind die Art der Behandlung besprochen werden. Die medikamentöse Therapie mit Stimulanzien ergab in einem längeren Beobachtungszeitraum ein verbessertes Verhalten der Kinder in der Schule und ihrer schulischen Leistungsfähigkeit. In der häuslichen Umgebung war die Aufmerksamkeitsspanne verlängert. Lehrer bestätigen verminderte Aggressivität, verbesserte Konzentration und erhöhtes Leistungsniveau.
Sehr viele Jugendliche mit und ohne gesundheitliche Probleme erfahren Unannehmlichkeiten, Zweifel und Unsicherheit auf dem Weg vom Kind zum Erwachsenen.
NF 1 kompliziert diese schwierige Zeit zusätzlich, und zwar sowohl bei Jugendlichen mit schwacher Krankheitsausprägung als auch bei solchen mit schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen.
Jugendliche, die besonderen Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legen, achten extrem auf mögliche Unvollkommenheiten. Gerade in Zeiten von Instagram & Co. können sie sich aufgrund übertriebener Schönheitsideale oft nicht annehmen wie sie sind.
Bei Jugendlichen mit NF 1 kommt oft außerdem eine Befangenheit aufgrund von Café-au-lait-Flecken oder Neurofibromen an sichtbaren Körperstellen hinzu.
Mangelndes Selbstbewusstsein führt oft dazu, dass ihnen Unsicherheiten und Sticheleien bis hin zu Ablehnung und Mobbing aus dem sozialen Umfeld zusetzen.
Daher ist es besonders hier wichtig, die Kinder frühzeitig stark zu machen, ihnen eigene Entscheidungen über ihr Äußeres, wie Frisuren- und Kleidungsstil zu lassen, damit sie unter Gleichaltrigen ihren Platz finden können.
Das schwierige Weg durch die Pubertät über das langsame Ablösen von den Eltern, das Ausprobieren in der Gruppe bis hin zum selbstbestimmten, selbstbewussten Erwachsenen kann so unterstützt werden.
Wenn ein Kind zum Jugendlichen wird, entwickelt sich auch der Sinn für die Privatsphäre. Einige junge Leute vertrauen weiter auf ihre Eltern, andere schließen sie aus. Es ist für Eltern ein schwieriger Balance-Akt, einerseits die Privatsphäre zu respektieren und andererseits für den Jugendlichen verfügbar zu bleiben.
Ein Krankenhausaufenthalt kann von Jugendlichen mit NF 1 als besonders unangenehm erlebt werden, da hier oft die körperliche Privatsphäre von Ärzten und Pflegepersonal verletzt werden kann.
Auch im ambulanten Bereich ist es sehr wichtig, einen einfühlsamen Arzt zu finden, dem die oder der Jugendliche vertrauen kann, der in der Lage ist, NF 1 zu behandeln und ebenso Fragen und geäußerten Ängsten zuzuhören. Eltern sollten ihren älteren Kindern, ihre*n Ärzt*in selbst zu wählen und alleine in die Sprechstunde zu gehen, gleichzeitig aber über den aktuellen gesundheitlichen Zustand ihres Kindes informiert bleiben.
Bei einer Erbkrankheit wie der NF 1 müssen bereits Jugendliche über das Risiko, diese Krankheit an ihre Kinder weitergeben zu können, im Rahmen einer genetischen Beratung aufgeklärt werden. Für genauere Informationen kann auf genetische Beratungsstellen oder entsprechende Fachleute verwiesen werden, die helfen, eine persönliche verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen.
Abschließend ist es wichtig, im Auge zu behalten, dass NF 1 nur ein Teil des Lebens und nicht das ganze Leben eines Teenagers ist. Die Erkrankung des Kindes sollte nicht zu einer übermäßig beschützenden Haltung führen, die den notwendigen Entwicklungsweg in die Selbstständigkeit behindert.
Viele Kinder mit NF 1 leiden an Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen und mangelndem Durchhaltevermögen, in Verbindung mit Hyperaktivität (hochgradiger Unruhe) - ADS bzw. ADHS.
Diese Beschwerden können bis in das Erwachsenenalter hinein bestehen und sich auf Partnerschaft, Berufsleben und seelisches Befinden auswirken. Falls diese Schwierigkeiten bestehen, sollte ein Spezialist kontaktiert werden, der sich mit der Diagnose und Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen im Erwachsenenalter auskennt.
Hier geht es zu den klinischen Leitlinien für ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Als Eltern sollten Sie alle Informationen über NF 1 zusammentragen, die sie bekommen können. Unsere Website und unser Beratungsteam sollen Ihnen dabei mit den jeweils aktuellsten Informationen helfen.
Bestehen Sie darauf, dass Ihnen die häufig komplizierten medizinischen und auch pädagogischen Sachverhalte auf verständliche Weise erklärt werden. Wenn Sie die Erklärungen eines Experten nicht verstanden haben, holen Sie ruhig eine zweite Meinung ein.
Sammeln Sie alle Unterlagen, die den Krankheitsverlauf Ihres Kindes betreffen. Je genauer die Kenntnisse über den Entwicklungs- bzw. Krankheitsverlauf sind, desto besser können Entscheidungen über Behandlungen oder Förderungsmöglichkeiten getroffen werden. Ihre Unterlagen sollten enthalten:
Medizinische Informationen wie Kopien aller Arztbriefe, Testergebnisse, Briefwechsel.
Handschriftliche Notizen über Gespräche mit den verschiedenen Spezialisten
Schulinformationen wie Beurteilungen und Zeugnisse oder auch Arbeiten des Kindes, die besondere Probleme erkennen lassen
Kopien aller Testergebnisse (Schultests, Sehtests, psychologische Tests)
Fotografien Ihres Kindes und Ihre eigenen Beobachtungen zum Verhalten und zur Entwicklung Ihres Kindes, jeweils mit Datum versehen.
Einfache Neurofibrome
Bei NF1 im Erwachsenenalter besteht ein relativ hohes Risiko, mit fortschreitendem Lebensalter eine Zunahme an Größe und Anzahl von Neurofibromen zu erleben.
Neurofibrome sind gutartige Tumoren, die sich unter oder auf der Haut im Bereich bzw. entlang von Nerven ausbilden. Sie können z.B. wie ein kleiner Knoten, eine Erhebung der Haut oder eine rötliche Farbveränderung aussehen.
Auch wenn Neurofibrome als Tumoren bezeichnet werden, entwickeln sie sich in aller Regel nicht zu bösartigen Geschwülsten (Krebs).
Neurofibrome zeigen ein verstärktes Wachstum oder Auftreten in Phasen hormoneller Umstellung wie Pubertät oder Schwangerschaft. Daher beobachten manche Frauen während der Schwangerschaft ein verstärktes Wachstum bereits bestehender Neurofibrome.
Es kann nicht vorhergesagt werden, ob und wie viele Neurofibrome sich entwickeln werden. Bei vielen Menschen mit NF1 finden sich nur ein oder zwei Neurofibrome, während bei einigen anderen Patienten eine Vielzahl dieser Tumorknoten auftreten.
Derzeit gibt es keine Möglichkeit, das Wachstum von Neurofibromen zu verhindern. Es wird darüber spekuliert, ob die "Pille" (Verhütungsmittel) das Wachstum der Neurofibrome stimulieren könnte; allerdings gibt es für diese Vermutung keine eindeutigen Beweise. Und erste Datensammlungen befragter Frauen sprechen dagegen.
Plexiforme Neurofibrome
Im Gegensatz zum kleinen, umschriebenen Neurofibrom ist das plexiforme Neurofibrom bei der Diagnosestellung bereits größer und zeigt ein "netzartiges" Wachstumsverhalten entlang der Nerven.
Häufig ist die Haut in diesem Bereich verdickt, dunkler und behaart. Diese Tumoren sind bei Druck oft schmerzhaft. Bei einigen wenigen Patienten kann dieser Tumor bösartig und damit zu Krebs werden.
NF-1-Betroffene mit einem plexiformen Neurofibrom sollten ihren Arzt sofort aufsuchen, wenn plötzlich ein neuer Schmerz im Zusammenhang mit dem plexiformen Neurofibrom auftritt, bzw. eine Wachstumsänderung, Lähmung oder Funktionseinschränkung in der Region des Tumors bemerkt wird. Dies gilt auch, wenn sich das plexiforme Neurofibrom in Farbe oder Beschaffenheit ändert.
Optikustumor
Ein Tumor des Sehnervs wird als Optikustumor bezeichnet. Zwei Typen von Sehnerventumoren werden bereits im Kindesalter beobachtet:
Der Sehnerv kann sich bei der Untersuchung des Gehirns verdickt darstellen, wobei Sehvermögen und Gesichtsfeld nicht beeinträchtigt sind.
Die Sehnervverdickung nimmt an Größe zu; dieser Tumor wird als "Optikusgliom" bzw. als "Astrozytom" bezeichnet.
In Ausnahmefällen kann ein Optikusgliom auch noch im Erwachsenenalter zu einer weiteren Einschränkung des Sehvermögens führen. Allerdings stehen Veränderungen des Sehvermögens bei Erwachsenen mit NF 1 in aller Regel nicht im Zusammenhang mit der Neurofibromatose.
Café-au-lait-Flecken, Irisknötchen und "Freckling"
Die meisten Erwachsenen mit NF 1 weisen so genannte Café-au-lait-Flecken auf, das sind milchkaffeefarbene Pigmentflecken auf der Haut, von denen oft mehrere vorliegen und die von größerem Ausmaß sein können.
Es handelt sich hierbei um Pigmentzellanreicherungen, die keinen Krankheitswert haben, aber typischerweise im Rahmen einer NF 1 auftreten.
Auch die Irisknötchen sind Pigmentzellanhäufungen, die auf der Regenbogenhaut des Auges zu beobachten sind. Diese haben ebenfalls keinen Krankheitswert, aber ihr Vorliegen deutet auf eine NF 1 hin.
Gleiches gilt auch für das 'Freckling'. Dabei handelt es sich um sommersprossenartige Flecken, die bevorzugt in den Achselhöhlen und in den Leisten auftreten. Auch hier handelt es sich um Zellanreicherungen ohne Krankheitswert, die allerdings für die Diagnose einer NF 1 Hinweis gebend sein können.
Hoher Blutdruck ist ein weiteres Problem, das bei Patienten mit NF 1 auftreten kann. Deshalb sollten alle Erwachsenen ihren Blutdruck zumindest einmal im Jahr von ihrem Arzt überprüfen lassen. Da hoher Blutdruck mit zunehmendem Alter ein weit verbreitetes medizinisches Problem ist, muss dieser keineswegs mit Neurofibromatose in Zusammenhang stehen.
Allerdings tritt bei einem kleinen Teil der Betroffenen hoher Blutdruck im Zusammenhang mit einem so genannten Phäochromozytom auf. Dies ist ein Tumor, der sich in der Regel im Bereich der Nebenniere entwickelt, meist gutartig ist und bestimmte Hormone freisetzt. Dann kommt es zu einem schubartigen Auftreten des hohen Blutdrucks, der mit Kopfschmerzen, Schwitzen und Herzstolpern einhergehen kann. Phäochromozytome sollten möglichst chirurgisch entfernt werden.
Juckreiz ist keine ungewöhnliche Beschwerde von NF-1-Betroffenen. Ob dieser im Zusammenhang mit sich bildenden Neurofibromen steht, ist noch ungeklärt. Die Einnahme so genannter Antihistaminika kann den Juckreiz mildern.
Erwachsene mit NF 1 können gelegentlich unter Schmerzen leiden. Als Ursache gilt beispielsweise die oben beschriebene Tumorbildung, eine Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) kann Rückenschmerzen verursachen.
Nach entsprechender Untersuchung der Schmerzursachen kann es unter Umständen sinnvoll sein, einen Schmerztherapeuten hinzuzuziehen. Dies gilt auch für die Behandlung von Kopfschmerzen, die migräneartig auftreten können.
Schwangerschaft und Kinder
Die Fruchtbarkeit einer Frau mit NF 1 ist nicht eingeschränkt. Viele NF-1-Betroffene machen sich jedoch Gedanken über den Einfluss einer Schwangerschaft auf die Grunderkrankung und sie möchten wissen, ob ihre Kinder ebenfalls von NF 1 betroffen sein werden.
Etwa 50% der Frauen mit NF 1 berichten, dass sich während der Schwangerschaft bereits bestehende Neurofibrome vergrößert oder neue Neurofibrome gebildet haben. Der Schwangerschaftsverlauf ist in aller Regel unkompliziert, wenngleich angenommen wird, dass häufiger ein Kaiserschnitt notwendig wird. Dies gilt in erster Linie für Frauen, die Neurofibrome im Bereich des Beckens aufweisen.
Wesentlich ist es, den Frauenarzt über das Vorliegen einer NF 1 zu informieren und zu berücksichtigen, dass Neurofibrome in der Schwangerschaft wachsen können.
Oft wird von Paaren die Frage gestellt, ob es richtig ist, Kinder zu bekommen. Diese Frage kann natürlich nur das Paar für sich selbst entscheiden. Aufgabe des Beratenden ist es allerdings, mögliche Komplikationen und Belastungen für eine Partnerschaft und Familie aufzuzeigen. Er muss darauf hinweisen, dass ein 50%-iges Risiko besteht, die genetische Information an das Kind weiterzugeben. Der Krankheitsverlauf bei einem Elternteil lässt keine Voraussage über den Verlauf in der nächsten Generation zu.
Verschiedene genetische Testmethoden erlauben heute schon in der Frühphase einer Schwangerschaft festzustellen, ob ein Kind von NF 1 betroffen sein wird. Jedoch ist es mit den genetischen Tests nicht möglich vorauszusagen, wie der Krankheitsverlauf bei dem Kind sein wird.
Viele Kinder mit NF 1 leiden an Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen und mangelndem Durchhaltevermögen, in Verbindung mit Hyperaktivität (hochgradiger Unruhe) - ADS bzw. ADHS.
Diese Beschwerden können bis in das Erwachsenenalter hinein bestehen und sich auf Partnerschaft, Berufsleben und seelisches Befinden auswirken. Falls diese Schwierigkeiten bestehen, sollte ein Spezialist kontaktiert werden, der sich mit der Diagnose und Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen im Erwachsenenalter auskennt.
Hier geht es zu den klinischen Leitlinien für ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Berufswelt
Viele Berufstätige mit NF, die keine Leistungseinschränkung bei der Arbeit haben, vermeiden es, über ihre Erkrankung zu sprechen. Dies gilt auch für Personen, die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwächen aufweisen.
Die Aufklärung von Kollegen und Vorgesetzten kann zu unterschiedlichen Reaktionen führen. Sie ist jedoch wesentlich, wenn die Erkrankung offensichtlich ist und zu gesundheitlichen Einschränkungen führt.
Bei bestehender Selbstunsicherheit hilft es eine innere Haltung zu trainieren, bei der ganz bewusst eigene Stärken in den Fokus gestellt und nach außen gelebt werden.
Dabei kann im Einzelfall therapeutische Hilfe oder Coaching unterstützen.
Freizeit
NF1 führt im Allgemeinen nicht zu einer Einschränkung von Freizeitaktivitäten. Manche Menschen mit Neurofibromen scheuen sich jedoch vor einem Besuch von Schwimmbädern und Saunen oder auf leichte Bekleidung im Sommer. Sie empfinden die eigenen Neurofibrome oft als Entstellung.
Freundeskreis
Ein fester Freundes- und Familienkreis bedeutet für viele Menschen mit Neurofibromatose einen wichtigen Rückhalt. Dort erfahren sie Unterstützung im eigenen Handeln, gewinnen an Selbstsicherheit und erlernen Strategien zur Aufnahme sozialer Kontakte.
Im Rahmen der Selbsthilfegruppen entstehen viele wichtige Freundschaften, da hier ein geschütztes Umfeld, ein wertfreies Angenommenwerden und das Wissen um die jeweilige Situation des anderen einen sehr entspannten Umgang miteinander ermöglicht.
Partnerschaft
Das Selbstbild des Betroffenen kann insbesondere durch Entstellung beim Auftreten von Neurofibromen und plexiformen Neurofibromen beeinträchtigt sein. Neben den Möglichkeiten der operativen Entfernung der Neurofibrome ist das Annehmen der körperlichen Besonderheiten im Rahmen einer Partnerschaft hilfreich.
Das Gespräch – möglicherweise mit Hilfe eines Therapeuten – darüber, wie der Betroffene und sein Partner lernen können, miteinander umzugehen, ist eine wesentliche Voraussetzung. Die Wahrnehmung des Gegenübers mit seinen positiven Eigenschaften ist für Nähe, Vertrauen und Intimität hier besondere Voraussetzung.
Antworten auf Fragen an Paare zur Paarstruktur deuten darauf hin, dass von NF 1 betroffene Frauen und Männer sich selbst tendenziell als eher unattraktiv, unbeliebt und weniger durchsetzungsfähig einschätzen als ihre Partnerin bzw. ihren Partner. Auffällig ist eine gewisse Ängstlichkeit und Tendenz zur Selbstkritik. Dass Menschen mit NF Ärger eher in sich "hineinfressen" bestätigt, dass eine offene und gegebenenfalls therapeutisch gestützte Strategie zur Bewältigung dieser angenommenen Einschränkungen erforderlich sein kann.
Für Paare, bei denen mindestens ein Teil mit NF lebt, ist eine offene und unterstützende Kommunikation sehr wichtig, um Ängste, Unsicherheiten und Selbstzweifel aufzufangen. Mit dem Herzen sehen heißt, den Blick auf die wirklich wichtigen Werte sowie die liebens- und bewundernswerten Seiten beider Partner zu richten. Diese Haltung ist auch bei Paaren ohne NF eine wichtige Grundlage für ein dauerhaftes, wertschätzendes Miteinander und eine stetig zunehmende emotionale Tiefe. Gemeinsame Visionen erhöhen ebenfalls die Tragkraft von Beziehungen über Höhen und Tiefen des Lebens.
NF1 im Erwachsenenalter
Die meisten Menschen mit NF 1 erleben keine wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und führen ein ganz normales Leben. Die am häufigsten auftretenden Komplikationen sind nicht lebensbedrohlich und in der Regel gut zu behandeln.
Bei Erwachsenen mit NF1 zeigen sich manchmal mehr Merkmale der Erkrankung. Eine regelmäßige Verlaufskontrolle der Erkrankung kann sinnvoll sein, um rechtzeitig Therapien einzuleiten.
Es geht u.a. um die äußere Veränderung durch Hautveränderungen und Neurofibromwachstum, um Selbstannahme, die allgemeine berufliche und private Lebenssituation sowie das Thema Kinderwunsch.
Neurofibromatose entsteht durch eine veränderte Erbinformation. Wie sich diese auf das Leben auswirkt, lässt sich für den Einzelnen nicht voraussehen. Dies gilt auch für den Krankheitsverlauf im Allgemeinen.
Die Auswirkungen von NF1 auf den Einzelnen sind von der Schwere der Krankheitssymptome, deren Verlauf sowie von der individuellen Veranlagung abhängig. Obwohl die meisten Menschen mit NF1 ein positives, kreatives Leben führen, berichten einige auch, dass in der Partnerschaft und Familie, am Arbeitsplatz und in der Freizeit Belastungen möglich sind.
NF1 Therapie
Hier gelangen Sie zu den NF-Zentren - auf Neurofibromatose spezialisierten Kliniken und Ambulanzen
Kostenlose Informationsbroschüren, Ratgeber und Flyer zu Neurofibromatose Typ 1 (NF1) finden Sie in unserem Shop
Neurofibrome sollten nur von einem Arzt operiert bzw. entfernt werden, der Erfahrung auf diesem Gebiet besitzt.
Für die operative Entfernung sind Größe und Ort des Neurofibroms von Bedeutung im Hinblick auf die anzuwendende Operationstechnik (z.B. Skalpell, Laser) und das zu erwartende Ergebnis ("gestielte" Neurofibrome lassen sich meist mit einem guten kosmetischen Ergebnis entfernen).
In jedem Fall ist es sinnvoll, die verschiedenen Techniken mit dem Chirurgen vor einer geplanten Operation zu besprechen.
Neurofibrome entfernen – mit Skalpell, Laser oder Strom
Neurofibrome der Haut sind das typische Merkmal der Erkrankung. Im Gesicht treten die Tumoren bevorzugt um den Mund (perioral) und in der Nasen-Lippen-Region (nasolabiale Falte) auf, darüber hinaus auf der Stirn und im Wangenbereich. Für die operative Behandlung sind verschiedene Aspekte wesentlich, die im Folgenden getrennt aufgeführt werden und dennoch miteinander in Verbindung stehen:
Erscheinungsform des Tumors
Aus der Haut wachsende Tumoren, die bei einer schmalen Basis an der Haut sich zum kugeligen Tumor auswölben und somit "gestielt" wirken, führen nach der Entfernung in aller Regel zu einem sehr eindrucksvollen, guten Behandlungserfolg. Dagegen ist es bei Tumoren, die das Niveau der umgebenden, "normalen" Haut nur um 1 mm bis 2 mm überragen, für den Chirurgen schwieriger, ein gutes kosmetisches Ergebnis zu erzielen.
Größe und Ort des Neurofibroms
Entscheidend für die Einschätzung des operativen Erfolgs sind Größe und Lokalisation. Diese Faktoren bestimmen das Aussehen der verbleibenden Narbe und gegebenenfalls über die Notwendigkeit einer so genannten Verschiebeplastik zur Abdeckung des Defektortes. Die Lokalisation des Tumors entscheidet auch über die Narbenbildung nach einer Operation.
Entfernung des Tumors
Für die Entfernung stehen verschiedene Techniken zur Verfügung: Skalpell, Laser und Elektrokauterisierung.
Das Skalpell (chirurgisches Messer) ist das älteste Instrument für die Entfernung von Neurofibromen. Der Vorzug des Skalpells ist die scharfe Durchtrennung der Haut.
Dagegen kombinieren die beiden anderen Techniken – Laser und Elektrokauterisierung – mit dem Herausschneiden des Gewebes gleichzeitig den Gerinnungsvorgang des Wundbetts und damit die Blutstillung. Dies ist bei blutgefäßreichen Neurofibromen von Vorteil. Beide Techniken sind in der Hand des geübten Arztes für die Entfernung von kutanen Neurofibromen wertvoll und nutzbringend.
Unter der Vielfalt der angebotenen Laser ist der CO2-Laser derzeit führend. Dessen scharf und ausreichend tief eindringendes Licht hat an der Haut eine schneidende Wirkung. Diese wird für die Behandlung kutaner Neurofibrome ausgenutzt.
In gleicher Weise wird mit der Elektrokauterisation über eine an der Spitze erhitzbare Nadel das Schneiden von Weichgeweben ermöglicht.
Unserer bisherigen Erfahrung nach eignet sich für größere, über dem Hautniveau liegende Neurofibrome durchaus das konventionelle Skalpell/Messer, wobei sich die Narbenbildung je nach Größe des Tumors, dessen Lokalisation und dem stattfindenden Heilungsprozess ausbildet. Eine Vielzahl von Narben blasst nach der Neurofibrom-Entfernung sehr zufriedenstellend ab.
Für die im Hautniveau liegenden Neurofibrome mit starkem Gefäßanteil scheint dagegen die Laserbehandlung besser zu sein, weil diese punktgenau eingesetzt werden kann. Nach einer Operation stellen sich nach Abheilung der Wunde weiße Flecken ein, die das neu entstandene Gewebe zeigen.
Ein Vorteil der Laserbehandlung sind kürzere Operationszeiten, da mit dem Laser eine Vielzahl von Tumoren in einem kürzeren Zeitraum operiert werden können. Dagegen ist der Heilungsprozess länger und die Gefahr der Wundinfektion größer.
Die hier erwähnten Techniken sind darauf ausgerichtet, den lokal bzw. umschrieben sichtbaren Tumor durch eine Schneidetechnik zu entfernen. Ein Einfluss auf die nicht behandelte Haut wird dabei nicht ausgeübt. Das neuerliche Wachstum sowohl in nicht behandelten Regionen als auch in solchen, in denen Neurofibrome entfernt wurden, wird durch diese "operativen" Techniken nicht verhindert. Für einzelne Patienten ist es sinnvoll, die verschiedenen Techniken vor einer geplanten Operation vieler Tumoren an einigen Neurofibromen überprüfen zu lassen, um das zu erwartende Ergebnis abschätzen zu können.
Erstes NF1-Medikament in Europa zugelassen
Am 22 April 2020 hat Koselugo® (Selumetinib) ca. 1 Jahr nach der Zulassung in den USA (FDA) eine bedingte Zulassung von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) für die Anwendung bei der NF1 erhalten1. Damit kann das Präparat von AstraZeneca® bei Kindern (3 Jahre und älter) zur Behandlung von symptomatischen, inoperablen plexiformen Neurofibromen (PNF) eingesetzt werden.
Koselugo® wird in Form von Hartkapseln in einer Dosierung von 10 mg und 25 mg erhältlich sein. Der Wirkstoff von Koselugo® ist Selumetinib, ein selektiver Inhibitor der mitogenaktivierten Proteinkinasekinasen 1 und 2 (MEK 1/2). Die MEK-Hemmung kann die Proliferation und das Überleben von Tumorzellen blockieren, in denen der RAF-MEK-ERK-Weg aktiviert ist. Dieser Signalweg ist ein bedeutender intrazellulärer Signalweg, der aufgrund der NF1-Mutation bei NF1 Betroffenen überaktiviert ist.
Durch den Einsatz von Selumetinib, kann es gelingen, Tumorgewebe an Wachstum zu hindern und sogar zu verkleinern.
Studien2-4 haben zeigen können, dass das Tumorvolumen bei ausgesuchten Patienten unter einer Behandlung mit Selumetinib gesunken ist und Symptome wie Schmerzintensität, Mobilitätseinschränkung und Entstellung verbessert wurden.
Da es auch zu Nebenwirkungen kommen kann (Übelkeit und Erbrechen, Hautausschlag, Erhöhung der CK oder der Leberwerte, Durchfall, Erschöpfung, Fieber, Eiweißmangel, Mundschleimhautentzündungen, Paronychie), ist eine gründliche Abwägung von Nutzen und Risiko entscheidend; diese wird in erfahrenen Zentren durchgeführt. Dabei sollten andere Therapiealternativen ausgeschlossen sein.
Die bedingte Zulassung erstreckt sich zunächst über ein Jahr, bis weitere Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit vorliegen. Dann erfolgt ggf. auch eine endgültige Zulassung. Dennoch ist auch die bedingte Zulassung ein großer Schritt für alle Betroffenen, denn damit wird nun erstmals eine medikamentöse Behandlung der NF1 und ihrer Tumormanifestationen ermöglicht. Dies unterstreicht ein weiteres Mal den Bedarf konsequenter klinischer Forschung für seltene Erkrankungen. Für Fragen zu dem Wirkstoff und etwaigen Behandlungsoptionen stehen Ihnen die NF Zentren sowie die Beratungsstelle des Bundesverbandes zur Verfügung.
Dr. Said Farschtschi
1) https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/summaries-opinion/koselugo
2) Gross AM, Wolters PL, Dombi E, Baldwin A, Whitcomb P, Fisher MJ, Weiss B, Kim A, Bornhorst M, Shah AC, Martin S, Roderick MC, Pichard DC, Carbonell A, Paul SM, Therrien J, Kapustina O, Heisey K, Clapp DW, Zhang C, Peer CJ, Figg WD, Smith M, Glod J, Blakeley JO, Steinberg SM, Venzon DJ, Doyle LA, Widemann BC. Selumetinib in Children with Inoperable Plexiform Neurofibromas. N Engl J Med. 2020 Apr 9;382(15):1430-1442. doi: 10.1056/NEJMoa1912735. Epub 2020 Mar 18. Erratum in: N Engl J Med. 2020 Sep 24;383(13):1290. PMID: 32187457; PMCID: PMC7305659.
3) Dombi E, Baldwin A, Marcus LJ, Fisher MJ, Weiss B, Kim A, Whitcomb P, Martin S, Aschbacher-Smith LE, Rizvi TA, Wu J, Ershler R, Wolters P, Therrien J, Glod J, Belasco JB, Schorry E, Brofferio A, Starosta AJ, Gillespie A, Doyle AL, Ratner N, Widemann BC. Activity of Selumetinib in Neurofibromatosis Type 1-Related Plexiform Neurofibromas. N Engl J Med. 2016 Dec 29;375(26):2550-2560. doi: 10.1056/NEJMoa1605943. PMID: 28029918; PMCID: PMC5508592.
4) Jackson S, Baker EH, Gross AM, Whitcomb P, Baldwin A, Derdak J, Tibery C, Desanto J, Carbonell A, Yohay K, O'Sullivan G, Chen AP, Widemann BC, Dombi E. The MEK inhibitor selumetinib reduces spinal neurofibroma burden in patients with NF1 and plexiform neurofibromas. Neurooncol Adv. 2020 Aug 8;2(1):vdaa095. doi: 10.1093/noajnl/vdaa095. PMID: 32939452; PMCID: PMC748653
Programm für individuellen Heilversuch mit Selumetinib
Programm für individuellen Heilversuch mit Selumetinib zur Behandlung von Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 und symptomatischen, inoperablen plexiformen Neurofibromen.
Ziel
Primäres Ziel ist es, die Behandlung mit dem MEK-Inhibitor Selumetinib bei NF1-Patienten mit symptomatischen, inoperablen PNF zu ermöglichen.
Zielgruppe
Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 (NF1) mit symptomatischen, inoperablen plexiformen Neurofibromen (PNF) im Alter ≥3 Jahren bis ≤18 Jahren, die nachweislich in der Lage sind, ganze Kapseln zu schlucken. Die Kapseln können nicht zerdrückt werden und müssen im Ganzen geschluckt werden. Vor der Beantragung wird ein Schlucktest durchgeführt.
Programmumfang und Standorte
Programmstandort(e) und Anzahl der geplanten Patienten sind natürlicherweise nicht vorhersehbar. Da alle Anfragen für Selumetinib unaufgefordert erfolgen werden, ist die Anzahl der Behandlungszentren nicht bekannt. Es wird geschätzt, dass etwa 100 deutsche NF1-Patienten den Zugang zu Selumetinib über dieses Compassionate Use Program (CUP) von ihrem behandelnden Arzt in dem Zeitraum beantragt werden, in dem das Programm geöffnet sein wird.
Protokoll-Design
Es handelt sich um ein offenes, eingliedriges, multizentrisches "Compassionate Use"-Programm. Ziel ist es, die Behandlung mit Selumetinib für Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 (NF1) mit symptomatischen, inoperablen plexiformen Neurofibromen (PNF) zu ermöglichen, für die es keine alternative therapeutische Option gibt. Alle Patienten werden das Medikament erhalten, solange sie davon profitieren und klinischer Nutzen besteht. Die Patienten müssen die klinische Diagnose einer NF1 erhalten haben und ein symptomatisches, inoperables PNF aufweisen. Inoperabilität wird definiert als ein Tumor, der nicht chirurgisch vollständig entfernt werden kann und bei dem das Risiko besteht, durch eine Operation erhebliche Krankheitsfolgen zu verursachen. „Symptomatisch“ ist definiert als signifikante Gesundheitsbeeinträchtigung durch PNF.
Dauer der Behandlung
Es gibt keine Höchstdauer für die Selumetinib-Behandlung im Rahmen dieses "compassionate use Programms“. Die Patienten können die Behandlung mit Selumetinib so lange fortsetzen, wie der behandelnde Arzt einen klinischen Nutzen feststellt und keine inakzeptablen Nebenwirkungen auftreten. Sobald die Patienten die Behandlung abgebrochen haben, werden andere verfügbare Behandlungsoptionen im Ermessen des behandelnden Arztes durchgeführt.
Protokoll Produkt, Dosierung und Art der Verabreichung
Selumetinib ist als 10 mg (weiß) und 25 mg (blau) Kapseln erhältlich. Die Patienten erhalten Selumetinib in einer kontinuierlichen Dosis von 25 mg/m2 zweimal täglich (BID), gedeckelt bei einer Körperoberfläche (BSA) von ≥ 1,9 m2, was ungefähr 50 mg BID entspricht. Die Kapseln können nicht zerkleinert werden und müssen ganz geschluckt werden.
Bei weiteren Fragen zu dem individuellen Heilversuch wenden Sie sich bitte an
Prof. Dr. med. V.-F. Mautner per E-Mail unter nfambulanz@uke.de
oder an den Bundesverband Neurofibromatose unter der E-Mail gf@bv-nf.de